Der August ist fast vorbei und wie es sich für einen Urlaubsmonat gehört, habe ich vorrangig Bücher gelesen, die mit Reisen zu tun haben. Was soll man sonst auch machen, wenn man weder Urlaub nehmen noch verreisen kann? Aber ich habe auch noch einige interessante andere Bücher gelesen, die ich euch in meiner monatlichen Buchempfehlungsrubrik vorstellen möchte. Hier sind also alle Bücher, die ich im August gelesen habe!
Wandern und Reisen
Das erste Buch, das ich vorstellen möchte, trägt den eher unverfänglichen Titel “Die Reise durch Franken”. Was wie ein typischer Reiseführer klingt, ist allerdings ein ganz anderes Buch. Wie es angesichts der Autoren – dem Kabarettist Matthias Egersdörfer und dem Autor Jürgen Roth – auch zu erwarten ist.
Mit Franken verbindet mich ja eine Art Hassliebe. Meine ersten Besuche dort verliefen nicht so erfolgreich. Ich hab die Region vor allem während meiner Fahrradtouren kennengelernt, die mich von Thüringen Richtung Süden nach Österreich geführt haben. Da muss man auch durch Franken durch und egal wann ich geradelt bin: Es war dort immer kalt, feucht und nebelig. Aber mittlerweile habe ich mehr von Franken gesehen; war in Bamberg, in Würzburg und anderen netten Gegenden. Wer jetzt an konkreten Reisetipps interessiert ist, wird in “Die Reise durch Franken” nur bedingt fündig. Ja, Egersdörfer und Roth reisen tatsächlich gemeinsam durch Franken und erzählen – in Form wechselseitig aneinander gerichteter Briefe – davon. Aber es fällt trotzdem schwer, den Inhalt in eine Kategorie zu sortieren. Die beiden schreiben über die Naziverbrechen in Nürnberg, über den Rückgang von Fleischereien und Bäckereien, über die Wirtshäuser mit dem besten (oder dem schlechtesten) Bier und dutzende andere Themen. Dazwischen geht es immer wieder um die Abgrenzung: Der Franken von Bayern; der Oberfranken von den Mittelfranken; usw. Es ist ein seltsames Buch und es ist ein schönes Buch. Man muss sich erst ein wenig an die Form gewöhnen: Die beiden Autoren sprechen mit vielen verschiedenen Leuten aus ganz Franken und geben diese Interviews (die viel öfter einfach “nur” Gespräche sind) mehr oder wenig direkt über viele Seiten hinweg wieder. Komplett mit Transkription des fränkischen Dialekts 😉 Das ist etwas gewöhnungsbedürftig – aber hilft dabei, diese seltsame Region zu verstehen. Mir hat das Buch großen Spaß gemacht!
Ebenfalls sehr begeistert war ich vom Buch “Deutschland. Ein Wandermärchen. Unterwegs mit einem Koffer voller Gedichte” von Anna Magdalena Bössen. Frau Bössen hat einen interessanten Job: Sie ist Diplom Gedichte-Sprecherin. Ich wusste auch nicht, dass es dieses Studium gibt, aber offensichtlich kann man “Rezitation” tatsächlich studieren und genau das hat Anna Magdalena Bössen getan. In ihrem Buch erzählt sie von einem faszinierenden Projekt: Sie reist mit dem Fahrrad durch Deutschland; hofft unterwegs von Leuten eingeladen zu werden und revanchiert sich mit der Aufführung eines speziell für die Reise geplanten Gedichte-Abends. Sie bereist dabei ganz Deutschland – und versteckt im Buch auch die persönlichen Aspekte der Reise nicht. Die Unsicherheit, mit so einem Beruf den Lebensunterhalt verdienen (oder während des Projekts eben gerade nicht) zu können. Die Auswirkungen so einer Reise auf Beziehung und Psyche; den Stress und die Freude, immer wieder neue Menschen kennen zu lernen. Und die Gedichte: Ich hab mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen können, dass es interessant ist, sich einen Abend lang Gedichte anzuhören. Aber die Veranstaltung von Anna Magdalena Bössen ist eigentlich viel mehr als das: Die Gedichte – alt und modern – sind alle unter dem Gesichtspunkt ausgewählt, die Frage “Was ist Deutschland?” zu beantworten und die Rezitationsabende auch als Diskussionsveranstaltung geplant. Dass auch Gedichte ihr Publikum finden zeigt der zweite Teil der Reise, in dem sich Bössen dazu entschließt, nicht mehr privat gegen Kost & Logis aufzutreten, sondern in Theatern. Ich kann das Buch nur empfehlen: Man lernt viel über Deutschland. Über die Menschen die dort leben und man lernt das alles aus einem ganz besonderen Blickwinkel kennen. Und bekommt dazu noch ein paar Gedichte serviert, die zeigen, dass es sich durchaus lohnt, sich ein wenig intensiver mit Lyrik auseinander zu setzen. Übrigens: Mehr Eindrücke von der Reise gibt es auf Bössens Blog; wo man auch Termine kommender Auftritte findet.
Eher konventionell ist das Reisebuch “100 Tage Heimat” von Jens Franke. Franke, der aus Thüringen kommt, entschließt sich 100 Tage frei zu nehmen und durch Deutschland zu wandern. Nicht entlang einer bestimmten Strecke, sondern mal hier, mal dort – aber immer in Nationalparks und im Süden der Republik. Dieses Wirrwarr der Reiseziele führt dazu das dem Buch ein wenig der rote Faden fehlt. Interessant sind die Geschichten trotzdem; auch wenn man nur bedingt etwas über die Orte und das Wandern an sich erfährt sondern viel mehr über das, was Franke unterwegs gegessen hat, das was er mit seinem Hund (der ihn begleitet hat) erlebt hat und das was er fotografiert hat. Mehr Informationen gibt es im Blog zum Buch.
Das letzte Reisebuch des August das ich gelesen habe heißt “Norwegen der Länge nach: 3000 Kilometer zu Fuß bis zum Nordkap” und der Titel macht klar, was der Autor Simon Michalowitz dort beschreibt. Er ist einmal von Süden nach Norden durch Norwegen gewandert. Auch hier ist die Reisebeschreibung eher konventionell: Michalowitz wandert und erzählt davon. Von der Wildnis, der Schwierigkeit den Weg zu finden; etwas zu Essen zu finden; von der Einsamkeit, der Natur, der Anstrengung, und so weiter. Für Norwegenfans ist das Buch sicherlich interessant und auch sonst liest es sich recht flott. Aber wer mit Wandern nichts anfangen kann, wird mit dem Buch wohl auch nicht viel Freude habe. Auch hier gibt es übrigens ein ein Blog zum Buch.
Science-Fiction
Hurra! Ich habe wieder mal ein richtig cooles Science-Fiction-Buch gefunden. Es ist spannend, es ist originell und es erzählt eine faszinierende Geschichte. Es handelt sich um “Giants” (im Original “Sleeping Giants: Themis Files 1”) von Sylvain Neuvel und ihr müsst es unbedingt lesen!
Die Ausgangslage ist schnell erklärt: In einem Wald mitten in den USA wird eine riesige Hand gefunden. Sie ist auf jeden Fall viele tausend Jahre alt und ebenso offensichtlich das Produkt einer technischen Zivilisation die es damals nicht gegeben hat. Und wo eine Hand ist, muss auch ein Arm sein. Und ein Bein. Und ein Körper. Und der ganze Rest. Überall auf der Welt sind Teile eines gigantischen Roboters versteckt und ein Team aus Wissenschaftlern und Soldaten macht sich daran, den Roboter zusammenzubauen und zu verstehen. Das geht natürlich nicht ohne Konflikte: Die Teile liegen unfreundlicherweise nicht alle in den USA sondern überall auf der Welt. Die USA will die Teile aber alle haben… Das Buch ist daher nicht nur ein extrem cooles Science-Fiction-Buch, sondern auch ein Polit-Thriller bei dem es genau so sehr darum geht, einen Krieg um den Roboter (der natürlich als Mega-Waffe eingesetzt werden kann) zu vermeiden als den Roboter zu verstehen.
Das Buch gehört zu den besten Sci-Fi-Büchern die ich in letzter Zeit gelesen habe und der einzige Nachteil besteht darin, dass es erst der erste Teil einer Serie ist und die nächsten noch auf sich warten lassen…
So sehr wie ich mich über “Giants” gefreut habe, habe ich mich über “Dark Matter” von Blake Crouch geärgert. Und ich ärgere mich immer noch, wenn ich daran denke, dass ich so dumm war und Geld für diesen Schrott ausgegeben habe. Ich habe ja erst kürzlich die Wayward-Pines-Trilogie von Crouch gelesen und die war wenigstens noch mäßig originell was die Handlung angeht. Aber schon dort hat mich der grauenhafte Schreibstil gestört. Diese ständigen abgehackten Sätze. Jemand sollte Crouch auf die Existenz von Personalpronomen, Nebensätzen und Verben hinweisen. Und ihm erklären, dass man nicht jeden Satz mit einem Zeilenumbruch beenden muss sondern nach einem Punkt durchaus auch weiter schreiben kann. Dann kommt vielleicht auch so was wie ein Lesefluss zustanden. Aber anscheinend denkt Crouch schon nur noch in Drehbuchanweisungen für eine etwaige Verfilmung seines Buches. Was sich allerdings auch nicht unbedingt lohnen würde. Es handelt sich um eine ziemlich unoriginelle Multiversums-Geschichte, bei der eigentlich von Anfang an klar ist, was passieren wird und wie es ausgeht. Ein Wissenschaftler entdeckt eine Möglichkeit zwischen Paralleluniversen hin und her zu reisen. Den Rest kann man sich denken… es ist nicht origineller als all das, was dazu von anderen Autoren schon geschrieben wurde. Dass sich Crouch mit dem Stoff nicht wirklich beschäftigt hat, zeigt auch der Titel. Die “dunkle Materie” ist seiner Meinung nach die Ursache für die Existenz von Multiversen – und es wird bei seiner Begründung mehr als deutlich, dass er die physikalische Hypothese der Supersymmetrie nicht verstanden hat, auf die er sich beruft. Denn die kann zwar unter Umständen eine Erklärung für die Natur der dunklen Materie bieten; behauptet aber nicht, dunkle Materie würde Paralleluniversen hervorbringen. Egal. Es ist ein schlechtes Buch. Lest es nicht.
Zur Beruhigung habe ich danach ein Buch gelesen von dem ich wusste, das es gut ist: “Die Flucht der Ameisen” von Ulrich Schreiber. Und dass es gut ist weiß ich, weil ich es vor drei Jahren schon mal gelesen und ausführlich in meinem Blog vorgestellt habe.
Natascha Kampusch
Ich kann mich noch sehr gut an die Entführung von Natascha Kampusch im Jahr 1998 erinnern. Überall in Österreich hingen die Flugblätter auf denen das zehnjährige Mädchen aus Wien gesucht wurde, dass plötzlich einfach so verschwand. Alle gingen eigentlich davon aus, dass sie einem tragischen Verbrechen zum Opfer gefallen und tot war. Das mit dem tragischen Verbrechen stimmt – nur das mit dem Tod nicht. Denn im Jahr 2006 tauchte Natascha Kampusch plötzlich wieder auf. Sie wurden mehr als 8 Jahre lang gefangen gehalten und konnte sich erst als junge Erwachsene selbst aus der Gewalt ihres Entführers befreien.
Dieser unvorstellbare Vorfall hat natürlich absurd viel Medienecho hervorgerufen. Und das Leben in Freiheit für Frau Kampusch nicht leichter gemacht. Ihre Erfahrungen beschreibt sie in dem Buch “10 Jahre Freiheit” das kürzlich erschienen ist. Ich bin durch dieses lesenswerte Interview darauf aufmerksam geworden. Und als ich das Buch gelesen hatte, war ich schockiert. Nicht ob des Entführungsfalles; der ist so jenseits meiner Erfahrung und meiner Vorstellung, dass ich gar nicht erst den Versuch mache, mir zu überlegen was Natascha Kampusch während all der Zeit gefühlt und erlebt hat. Schockiert hat mich, was Kampusch von der Zeit danach erzählt hat. Von all den Anfeindungen denen sie ausgesetzt war. Von den Behörden, die sie immer weniger als Opfer sondern fast schon als Mittäterin sahen. Von den Medien, die alle Hemmungen verloren hatten. Dass man ihr “Arroganz” vorgeworfen hat, weil sie nicht dem Bild eines armen Opfermädchens entsprochen hat, das sich die Öffentlichkeit anscheinend gewünscht hat. Ich dachte eigentlich nicht, dass mich so ein Buch interessieren würde. Aber ich habe es in einem Rutsch durchgelesen – auch wenn es in seiner Beschreibung der Gesellschaft ziemlich deprimierend ist.
Ich habe danach auch noch das erste Buch von Natascha Kampusch gelesen: “3096 Tage”, in dem sie ihre lange Gefangenschaft beschreibt. Das Buch entstand hauptsächlich, um den komplett wirren Spekulationen der Medien nach dem Auftauchen von Frau Kampusch die realen Fakten entgegenzusetzen. Aber die Sache mit den Medien und den Fakten ist leider kompliziert – und das das wenig gebracht hat, zeigt ja das zuvor erwähnte Buch “10 Jahre Freiheit” sehr gut. “3096 Tage” ist ein Buch, das man nicht beschreiben kann. Weil die dort beschriebene Tat für jeden normalen Menschen unvorstellbar ist. Ein erwachsener Mann entführt ein zehnjähriges Mädchen und sperrt sie acht Jahre lang ein. Man kann es aufschreiben, aber man kann es nicht verstehen. Genau so kann man Natascha Kampuschs eigene Schilderung dieser Jahre lesen. Aber verstehen kann man sie nicht. Trotzdem ist es ein Buch, das man gelesen haben sollte.
Das wars
Das war der August. Der September wird wieder arbeitsintensiv und vermutlich werde ich weniger lesen. Aber lesen werde ich! Und wenn ihr Vorschläge habt, was ich lesen soll: Immer her damit!
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