Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2016. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier.
Das sagt der Autor des Artikels, Till Korten über sich:
Ich bin Biochemiker und forsche über die Biophysik einzelner Moleküle. Ich habe noch keine Erfahrung mit Bloggen o.ä. aber Außerirdisches Leben hat mich schon immer fasziniert deshalb versuche ich mich mal an einem Blogartikel darüber.
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Gibt es Außerirdisches Leben – oder wie entstand eigentlich Leben auf der Erde?
Das Thema außerirdisches Leben hat durch die Entdeckung von Exoplaneten wieder stark an Bedeutung gewonnen. Die Diskussion hierzu wird oft hitzig und mit starken Meinungen geführt. Die Argumente sind dabei leider oft eben so zahlreich wie schlecht belegt. Ich hoffe, Euch in diesem Artikel mit Argumenten zu versorgen, damit Ihr gut gewappnet in die nächste Diskussionsschlammschlacht über außerirdisches Leben einsteigt.
Um es gleich vorneweg zu sagen, die kurze, einfache Antwort auf die Frage nach außerirdischem Leben muss lauten: “Wir wissen nicht, ob es Leben ausserhalb der Erde gibt!” (abgesehen, vielleicht von Verunreinigungen, die wir selbst ins All geschossen haben). Bis wir tatsächlich Belege für Leben auf anderen Planeten finden, können wir die Frage nach extraterrestrischem Leben offensichtlich nicht mit Sicherheit beantworten. Das bedeutet aber nicht, dass wir keine fundierten Vermutungen anstellen können, indem wir uns anschauen, wie Leben auf der Erde entstanden ist.
Die ältesten Fossilien von Bakterien wurden kürzlich in Grönland gefunden und sind 3.7 Milliarden Jahre alt. Noch ältere Fossilien werden wir wahrscheinlich nicht finden können, da die Ältesten Gesteinsformationen in etwa genauso alt sind. Trotzdem gibt es noch ältere Hinweise auf Leben: Man hat dafür 4.1 Milliarden Jahre alte Kohlenstoffeinschlüsse in Zirkonkristallen untersucht und ein Isotopenverhältnis gefunden, das typisch für lebende Organismen ist. Zirkonkristalle sind die ältesten erhaltenen Mineralstrukturen und wurden auch für die Bestimmung des Alters der Erde auf ca 4.5 Milliarden Jahre herangezogen. Es gibt also Hinweise darauf, dass das Leben auf der Erde fast so alt ist wie die Erde selbst. Das ist sehr erstaunlich, da das bedeutet, dass Leben bereits während des “großen Bombardements” entstand, einer Zeit als die Erde (und alle anderen Himmelskörper im inneren Sonnensystem) von sehr vielen Meteoriten getroffen wurde. Leben ist also anscheinend relativ schnell (in geologischen Maßstäben) und unter ziemlich extremen Bedingungen entstanden.
Aber wie konnte aus anorganischer Materie spontan Leben entstehen? Zunächst einmal brauchen wir die Grundbausteine des Lebens: Nukleinsäuren (Bausteine von DNA und RNA als Träger der Erbinformation), Aminosäuren (Bausteine von Proteinen) und Lipide (Bausteine der Zellmembran). Diese Bausteine wurden inzwischen vielfältig auf Asteroiden, Kometen und sogar in interstellaren Wolken gefunden, sie regneten also quasi kontinuierlich auf die wachsende Erde. Außerdem konnte gezeigt werden, dass diese Stoffe aus einfachen Molekülen (H2, CO2, N2 SH2) entstehen können. Geeignete Bedingungen herrschten auf der jungen Erde sowohl auf der Erdoberfläche, wo UV Strahlung und Blitze die Energie lieferten, als auch in der Nähe von Vulkanen und heißen Quellen am Grunde des Ozeans (sogenannten schwarzen Rauchern). Folglich können wir davon ausgehen, dass auch die Bausteine des Lebens schon früh in der Erdgeschichte in ausreichender Menge vorhanden waren.
Die Bausteine des Lebens sind aber erst der Anfang, sie können selbst noch keinerlei Funktion erfüllen. Der nächste Schritt auf dem Weg von lebloser Materie zu Lebenden Organismen ist die Bildung größerer Moleküle, sogenannter Enzyme, die in der Lage sind chemische Reaktionen zu Beschleunigen. Heutzutage erfüllen diese Aufgabe meist Proteine (langkettige Polymere aus Aminosäuren), es ist allerdings wahrcheinlich, dass die ersten Enzyme aus RNA bestanden. Solche sogenannten Ribozyme können zwei Aufgaben auf einmal erfüllen: sie können in ihrer Sequenz Informationen speichern und sie können chemische Reaktionen beschleunigen. Wenn nun die chemische Reaktion, die Verlängerung von RNA ist (die Struktur eines solchen RNA-verlängernden Ribozyms seht Ihr im Video unten), dann können sich diese Ribozyme selbst kopieren und somit vermehren. Solche sich selbst vermehrenden Ribozyme sind keine reine Spekulation mehr, sie konnten bereits im Labor hergestellt werden. Es konnte dabei auch gezeigt werden, dass diese Moleküle mit der zeit Mutieren und sich am Ende die Varianten durchsetzen, die sich am schnellsten vermehren. Die meisten Wissenschaftler gehen folglich davon aus, dass zunächst eine “Chemische Evolution” stattgefunden hat: Einfache Moleküle haben sich zu immer längerkettigen Polymeren verbunden. Einige dieser Polymere waren in der Lage sich so selbst zu vermehren. Diese Moleküle befanden sich in ständigem Wettstreit mit anderen Molekülen um die Grundbausteine aus denen sie aufgebaut waren. Um in diesem Wettstreit bestehen zu können, entwickelten sich immer komplexere Moleküle, die schließlich die Fähigkeit entwickelten, sich von der Umwelt zu isolieren und die Bausteine des Lebens selbst herzustellen. Die ersten primitiven Zellen waren geboren.
(Mit PyMol aus dieser Struktur von Robertson et al. erstellt.)
Aber wo auf der Erde konnten solche “lebenden Moleküle” entstehen? Im offenen Ozean waren die Bausteine des Lebens viel zu verdünnt um längerkettige Polymere zu bilden. Schon Darwin stellte daher die Hypothese auf, dass das Leben in konzentrierten Gezeitentümpeln entstand. Und in der Tat konnte gezeigt werden, dass in regelmäßig trockenfallenden Tümpeln Bedingungen geherrscht haben könnten, unter denen langkettige RNA Moleküle entstehen. Es ist allerdings fraglich, ob die Bedingungen in solchen Tümpeln lange genug stabil blieben, um Lebensformen hervorzubringen, die auch im offenen Ozean überleben konnten. Daher vermuten immer mehr Wissenschaftler, dass das Leben eventuell an unterseeischen Hydrothermalen Quellen, sogenannten “Schwarzen Rauchern” (siehe Bild unten) entstanden ist. Diese Quellen wimmeln noch heute vor Leben. Insbesonderes sind sie von sehr ursprünglichen einzellige Lebensformen, den sogenannten Archaea besiedelt, die dort die Basis der Nahrungskette bilden.
An solchen Quellen gibt es einen kontinuierlichen Nachschub von Nährstoffen (H2, N2, CO2) aus dem Erdinneren. Katalysiert durch sogenannte Eisen-Schwefel cluster (Pyrit), können unter diesen Bedingungen die Bausteine des Lebens gebildet werden. Gleichzeitig sorgen starke Temperaturgradienten für eine Anreicherung langkettiger (RNA) Moleküle in porösem Material. Des Weiteren dient ein Säuregradient zwischen saurem Meerwasser und alkalischem Wasser aus hydrothermalen Quellen als zuverlässiger Energielieferant für einen einfachen Stoffwechsel. Solche Säuregradienten werden noch Heute von Bakterien und auch von den Mitochondrien, den Kraftwerken unserer Zellen, zur Energiegewinnung (Herstellung von ATP) genutzt. Der Vorteil dieser Hypothese ist, dass die Bedingungen an Hydrothermalen Quellen über lange Zeit konstant bleiben, da sie in der Tiefsee vor Kosmischer Strahlung und Meteoriteneinschlägen relativ gut geschützt sind. Es gibt dort einen kontinuierlichen Nachschub an Nährstoffen, eine Energiequelle und das poröse Gestein schützt Makromoleküle vor Verdünnung und zerfall. Gestützt wird diese Hypothese auch durch eine Computeranalyse der Gene von Bakterien und Archaea, die kürzlich ergeben hat, dass der Urvorfahr allen heutigen Lebens auf der Erde viele Eigenschaften hatte, die auf hydrothermale Quellen als Lebensraum hinweisen.
Zusammengefasst: Es gibt inzwischen vielfältige Experimente, die belegen dass das Leben prinzipiell sowohl auf der Erdoberfläche als auch in der Tiefsee an hydrothermalen Quellen entstehen konnte. Dies geschah anscheinend innerhalb relativ kurzer Zeit nachdem es flüssiges Wasser auf der Erde gab.
Was bedeutet das nun für unsere Suche nach außerirdischem Leben? So lange wir nach einfachen Einzellern suchen, stehen unsere Chancen gar nicht so schlecht: Die relativ schnelle Entstehung des Lebens deutet darauf hin, dass Leben unter den richtigen Bedingungen vergleichsweise wahrscheinlich entsteht. Insbesondere die Entstehung von Leben an hydrothermalen Quellen erfordert “nur” Wasser und eine aktive Plattentektonik. Solche Bedingungen herrschen vermutlich auf vielen Gesteinsplaneten, die in etwa so groß sind wie die Erde und nicht zu nah um ihren Stern kreisen. Weit entfernte und damit an der Oberfläche kalte Planeten stellen jedoch kein Problem dar, da die Energie für die Plattentektonik nicht vom Heimatstern sondern vom Zerfall radioaktiver Elemente im Inneren des Planeten und von der Restwärme der Planetenentstehung stammt. Die geothermale Energie kann also Wasser in der Tiefe flüssig halten, auch wenn die Oberfläche kalt und vereist ist. Das bedeutet, dass auch Planeten, die um relativ kühle rote Zwerge kreisen eine gute Chance haben, einzelliges Leben zu beherbergen. Dies betrifft die Mehrzahl aller Sterne und damit auch aller Planeten in unser Galaxie. Unter hunderten Milliarden Planeten sollte es also doch einige (evtl. sogar viele Millionen) Planeten geben, die einzelliges Leben beherbergen.
Sobald wir aber nach vielzelligen Organismen oder gar intelligentem Leben suchen, sieht die Sache ganz anders aus. Aber dazu schreibe ich vielleicht beim nächsten Blogschreibwettbewerb etwas…
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