Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2016. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier.
Das sagt der Autor des Artikels, Michael über sich:
Ich bin Ausbildner im Bereich Chemieverfahrenstechniker und arbeite mit Lehrlingen und Erwachsenen. Hierbei befasse ich mich mit verfahrenstechnischen, prozessleittechnischen und chemischen Grundlagen. Eines meiner erklärten Ziele ist es, meine eigene Faszination an der Chemie in möglichst vielen anderen Menschen zu wecken. Teil dieses Bestrebens ist auch mein seit kurzem aktiver Podcast unter www.orbitalwelten.at .
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Eau de Buch
STOPP! Bevor es weitergeht, steh bitte auf, begib dich zum Bücherregal, greif dir dein Lieblingsbuch (falls nicht möglich, eine Alternative aus deiner Umgebung) und schlag es auf. Führe das Buch langsam zu deiner Nase, schließe die Augen und nimm einen tiefen Zug. Konzentriere dich auf jede Nuance, die du wahrnimmst.
Für bibliophile Menschen, zu denen ich mich ebenfalls zähle, ist der Geruch vertraut und ich muss gestehen, dass ich mir schon des Öfteren einen tiefen Zug gegönnt habe. Ein Serum, das Erinnerungen wieder zum Leben erweckt. Erinnerungen an Schicksale, die man geteilt hat, Welten, die durchstreift, Tränen die vergossen wurden. Aber durchaus auch Szenen der eigenen Vergangenheit erwachen vor dem geistigen Auge zu neuem Leben.
Ich liebe den Geruch von Büchern.
Aber halt!
In diesem Moment regt sich nicht nur der Büchernarr in mir, sondern auch der Chemie-Fan tritt hinter dem Vorhang hervor.
Und er stellt zwei interessante Fragen:
1. Wie funktioniert riechen?
2. Was rieche ich da eigentlich?
Legen wir los!
1. Wie?
Riechen ist, wer hätte das gedacht, ein sehr komplexer Vorgang.
Unterscheiden können wir über 1000 Gerüche, was grundsätzlich nicht schlecht ist, uns aber zu Low-Performern in der Geruchswelt macht.
Gerüche selbst werden durch chemische Verbindungen hervorgerufen, die leicht genug sind, um in der Luft zu schweben.
Ab einer stoffspezifischen Konzentration können wir diese Verbindungen in Form eines Geruchs wahrnehmen, jedoch erst mit steigender Konzentration wird der Geruch immer besser einem im Gehirn gespeicherten Vergleichsgeruch zuordbar.
Igitt, das riecht nach Katzenklo, wäre ein derartiger Vergleich (und übrigens ein Hinweis auf Ammoniak, NH3)
Einzelne Gerüche haben keinen eigenen Namen, sondern werden mit typischen Vergleichen beschrieben.
Es gibt verschieden Unterteilungen, z.B. in die Grundgerüche blumig (Veilchen), ätherisch (Chloroform), moschusartig (Moschus, Engelwurz), kampherartig (Eukalyptus), schweißig (Kollege aus dem Lift), faulig (faule Eier) und stechend (Essig). Die übrigen Gerüche bestehen aus Mischungen dieser Grundgerüche.
Oft führt die Wahrnehmung eines Geruchs sogar zur Änderung der Gemütslage eines Menschen. Je nachdem, ob ein Geruch als angenehm oder abstoßend empfunden wird. Diese Gefühlskomponente ist nicht angeboren, sondern durch Erfahrungen in der Vergangenheit erworben, sowie vom aktuellen Zustand des Organismus abhängig.
Wow, wie das neue Auto gut riecht! (beim ersten Mal mit dem Neuen)
Immer, wenn ich diesen Geruch in der Nase habe, muss ich an die Buchteln bei Oma denken. (positive Verknüpfung)
Igitt, hier riecht‘s nach Katzenklo! (persönliches Trauma)
Mmmh, riecht es hier lecker nach Pommes. (Hunger)
Arrrggghhh, wenn ich noch ein Pommes rieche, muss ich mich übergeben. (nach 4kg Pommes)
Es sind aber nicht alle Moleküle, die in der Luft herumschwirren, riechbar. Methan (CH4), Kohlenmonoxid (CO), Sauerstoff (O2) oder Stickstoff (N2) befinden sich aktuell ungerochen in der Luft.
Wir riechen nämlich nur Stoffe für die wir sogenannte Rezeptoren in der Nase haben. Warum für gewisse Verbindungen Rezeptoren besitzen und für viele anderen nicht, ist nicht geklärt, aber irgendein „War zum Überleben nicht notwendig/ Evolution – Ding“ wird sicher eine große Rolle spielen. (Zitat Darwin)
Diese sogenannten Rezeptoren sind Andockstellen für Moleküle. Nur Moleküle mit einer gewissen Form können an den Rezeptoren andocken und setzten einen biochemischen Prozess der Signalvermittlung in Gang, der dazu führt, dass wir den Geruch zuordnen oder wahrnehmen können. (Schlüssel/Schloss-Prinzip) Dabei gibt es aber noch keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen der Struktur eines Moleküls und dem damit verbundenen Geruch. Moleküle mit einem ähnlichen Aufbau weisen oft völlig unterschiedliche Gerüche auf und manchmal lösen Moleküle, die völlig unterschiedlich aufgebaut sind, einen ähnlichen Geruch aus.
Die Geruchsrezeptoren (Riechsinneszellen), die übrigens auch noch Chemorezeptoren genannt werden, befinden sich in der sogenannten Riechschleimhaut. Um jetzt etwas zu riechen, diffundieren die Duft-Moleküle durch eine Schleimschicht und gelangen zu den Riechzellen. An deren Enden sitzen sogenannte Cilien, die Andockstellen der Rezeptoren.
Rezeptoren haben grundsätzlich die Aufgabe, Reize von außerhalb der Zelle aufzunehmen und damit Prozesse im Inneren der Zelle zu starten.
Sinn der ganzen Aktion ist es ein spezifisches Signal (einen elektrischen Impuls) ans Gehirn zu senden, dass dann dort verarbeitet werden kann.
In der Verfahrenstechnik oder Prozessleittechnik würde man so etwas als Transmitter bezeichnen. Transmitter sollen unterschiedliche Eingangssignale (thermische, mechanische, elektrische) von den verschiedenen Messungen in der Anlage (Druckmessung, Durchflussmessungen, Temperaturmessungen) umwandeln in Einheitssignale, die dann vom Steuersystem (Prozessleitsystem) verarbeitet werden können. (hierbei ist das am häufigsten Verwendete ebenfalls ein elektrisches und zwar im Bereich von 4-20mA)
Genauso ist es beim Mensch. Unterschiedliche Reize wirken laufend auf uns ein. Druck auf die Haut, Temperaturveränderungen und eben auch Gerüche.
Damit unser Gehirn die dementsprechenden Reize erkennen und verarbeiten kann, muss der Reiz erfasst und anschließend in ein Signal umgewandelt werden. Und wie in der Verfahrenstechnik ist es auch hier ein elektrisches. Als Transmitter (Umformer) arbeiten hier die Rezeptoren. Zellbiologen würden nun von zellulären Signalvorgängen sprechen.
Das Innere von Zellen ist durch eine Membran geschützt. Damit sie aber Botschaften (Moleküle) erhalten, die nicht in das Innere der Zelle vordringen können (wie so manche Hormone es zum Beispiel können) gibt es drei grundlegende Arten von Rezeptoren, die auf der Zellaußenseite ein Signal registrieren und ins Zellinnere dolmetschen.
Unterschieden werden ionengekoppelte Rezeptoren, enzymgekoppelte Rezeptoren und die G-proteingekoppelte Rezeptoren, die unter anderem für unseren Geruchssinn verantwortlich sind, aber auch im Darm vorkommen und für die Verarbeitung von Licht- und Geschmacksreizen zuständig sind. Diese werden wir daher kurz genauer betrachten.
Beim G-proteingekoppelten Rezeptor steht der Rezeptor, wie der Name schon sagt, in Wechselwirkung mit einem sogenannten G-Protein. Diese G-Proteine bestehen aus drei Untereinheiten, die mit Alpha, Beta und Gamma bezeichnet werden.
Zusätzlich trägt die Alpha-Einheit ein GDP-Molekül (Guanosin-di-phosphat) wie einen Rucksack mit sich herum. Diese drei hängen im inaktiven Zustand zusammen und sind vom Rezeptor getrennt. Nach dem Andocken des in unserem Fall, Geruchsmoleküls am Rezeptor klinkt sich das G-Protein am Rezeptor ein. Jetzt stockt die Alpha-Einheit seinen Rucksack auf und tauscht quasi das GDP-Molekül gegen ein GTP, Guanosine-tri-phosphate (ein Phosphat mehr), und spaltet sich vom Rest der Truppe ab. Die beiden so entstandenen Gruppen wechselwirken jetzt in der Zelle und übermitteln so weitere Signale. (sie können Beispielweise Ionenkanäle öffnen, was zu Ladungsunterschieden führt = elektrische Aktivität).
Je länger die Untereinheiten hierbei getrennt sind, umso stärker fällt das Signal aus. Die Zeit, wie lange die Kollegen getrennt sind, wird vom Verhalten der Alpha-Untereinheit bestimmt. Denn mit der Zeit wandelt sich das GTP wieder in ein GDP um und die Einheiten schließen sich wieder zusammen. Damit ist das Signal wieder beendet.
Hierbei ist der Ausschaltmechanismus genauso wichtig wie der Anschaltmechanismus. Bei der Krankheit Cholera zum Beispiel verhindert ein Protein, das von einem Bakterium produzier wird, dass sich aktivierte G-Proteine wieder deaktivieren. Dies hat durch die dadurch verstärkt weitergegebenen Signale zur Folge, dass der Körper permanent Natrium-Ionen und Wasser in den Darm verliert. Ohne schnellen Ersatz führt dies zum Tod.
Lange Rede kurzer Sinn. Wir riechen, weil Moleküle (nur die, die wir auch riechen) sogenannte Geruchsrezeptoren auf G-Proteingekoppelter-Rezeptoren-Basis aktivieren und diese Signale erzeugen, die unser Gehirn verarbeiten und mit bekannten Gerüchen vergleichen kann. Der Mensch besitzt übrigens ungefähr 350 unterschiedliche Geruchsrezeptoren. Elefanten verfügen vergleichsweise über 2000 dieser Geruchserkenner. (Notiz für mich – Trüffelelefanten ausbilden!)
2. Was riechen wir jetzt eigentlich, wenn wir ein geliebtes Buch aufschlagen?
Nachdem anzunehmen ist, dass hier weder das Blut, der Schweiß oder die Tränen der Protagonisten, noch das Parfüm der Herzdame erschnuppert wird, stellt sich doch die Frage, was hier eigentlich in der Luft herumschwirrt.
Um hier eine zumindest rudimentäre Antwort zu erhalten, müssen wir uns zuerst mit der Zusammensetzung der geliebten Freunde fürs Leben beschäftigen.
Der Geruch von Büchern, egal ob neu oder alt wird durch eine Vielzahl unterschiedlicher flüchtiger organischer Verbindungen verursacht (VOC). Studien hierzu sind rar gesät, doch gibt es welche, wie zum Beispiel diese „Material Degradomics: On the Smell of Old Books“, wobei sich diese mit alten Büchern beschäftigt.
Der Kenner kann am Geruch bereits sagen, ob es sich um ein altes oder neues Buch handelt. Die Unterschiede hierbei liegen in der Qualität des Papiers und der verwendeten Bindetechnik. Hier hat sich in den letzten hundert Jahren viel verändert. Unsere neuen Bücher werden, wenn sie alt sind auch anders riechen als die heutigen Senioren.
Alte Bücher
Betrachten wir also die beiden etwas getrennt und beginnen mit den ehrwürdigen alten Büchern. Ich selbst bin seit frühester Kindheit ein Bücherwurm und war stets Besitzer eines gut gefüllten Bücherregals. Gerne bediente ich mich aber auch bei den Sammlungen alter Bücher meiner Tante und bei Irma, unserer 80 jährigen Nachbarin. Unter anderem kam ich so zu Karl May (alle verschlungen), Lederstrumpf aber auch James Clavell. Alle hatten diesen ganz speziellen Geruch eigen. Irgendwie wie Erde und Gras, etwas säuerlich und ein Hauch Vanillepudding. Zudem hatten die Seiten alle einen erkennbaren Gelbstich.
All dies, Farbe und Geruch, sind Spuren des Zerfalls. Denn Bücher sind aus organischem Material und in Kombination mit aus der früheren Papierproduktion übrig gebliebenen Säureanteilen, kommt es zu chemischen Reaktionen.
Hauptbestandteil von Büchern ist Papier und der Hauptbestandteil von Papier ist Cellulose, ein sehr langes Molekül aus vielen einzelnen Glucose-Bausteinen (= ein Makromolekül, aus vielen einzelnen, zusammengesteckten, baugleichen Monomeren).
Ausschlaggebend für den Zerfall sind hierbei der ursprüngliche Polymerisationsgrad der Cellulosemoelüle (aus wie vielen Bausteinen das ganze Ding besteht), der Ligningehalt (komplexe Verbindung die dem Holz seine Härte gibt), pH-Wert, der Anteil an „Baumharz“ (Kolophonium) und Alaun (Kalium-Aluminiumsulfat).
Früher wurde Papier oftmals aus Lumpen, dann seit Mitte des 19.Jahrhunderts aus Holzschliff (feiner Holzstaub) und danach aus anfangs minderqualitativem Zellstoff hergestellt. Ziel war es immer die Cellulose der einzelnen Ausgangsstoffe zu nutzen. Hierfür wird der Rohstoff immer in eine Art Brei überführt (hoher Wasseranteil) und anschließend erfolgt die Blattbildung. Bereits hier werden viele zusätzliche Bestandteile zugegeben. So müssen unter anderem unterschiedliche Stoffe zugegeben werden um zu verhindern, dass das fertige Papier die Tinte aufsaugt. Man nennt diesen Vorgang Verleimung.
Dem, aus den Ausgangsmaterialien hergestellten flüssigen Papierbrei, wurde Baumharz (Kolophonium) mit Aluminiumsulfat zugesetzt, um die Verleimung zu erreichen. Die beste Verleimung erreichte man bei einem pH-Wert von ca. 4 (also sauer). Hierbei bleiben aber Säurereste im Papier zurück, die sogenannten Harzsäuren. Hierzu zählen unter anderem Di-Terpene, wie die Abietinsäure oder Pimarsäure aber auch sogenannte Tri-Terpene, wie die Elemolsäure, Oleanol oder Lupeolsäuren. Also unterschiedlichste, komplexe, organische Säuren. Manche Harze enthalten zudem aromatische Säuren, wie Zimtsäure und Benzoesäure.
Durch das saure Milieu kommt es über die Jahre zum Zerfall der Cellulose-Moleküle. Die Kettenlänge verkürzt sich und das Papier wird brüchig.
Mit der Entdeckung und dem Einsatz des Holzschliffs kam es bezüglich Alterung zu einer weiteren Verschlechterung, denn im mechanisch zerkleinerten Holzschliff war nicht nur Cellulose sondern auch Lignin enthalten. Diese Verbindung ist verantwortlich für die Gelbverfärbung, besonders unter Licht. Dem wurde das Bleichen mit Chlor entgegengesetzt.
Man sieht also schon an diesem kurzen Querschnitt, welche komplexen Vorgänge in Papier ablaufen.
Aber was führt jetzt zum typischen Geruch alter Bücher?
Eine große Rolle spielen hierbei die erwähnten Harzsäuren. Durch den Einsatz von Aluminiumsulfat entstehen über die Zeit flüchtige Abbauprodukte dieser Säuren. Hierbei handelt es sich um verschiedene Aldehyde (unter anderem Benzaldehyde), Ketone, Ethylbenzene und 2-Ethylhexanol. Ein weiteres Produkt entsteht durch den Zerfall der Cellulose und zwar Furfural, das in einer Reihe von säurebedingten (säurekatalytischen) Vorgängen entsteht. Je höher der Säuregehalt, umso mehr Furfural. Auch Essigsäure, Vanillin und Hexanal entstehen hierbei als flüchtige Verbindungen
Abschließend ist nun zu sagen, dass der Gesamtgeruch eines alten Buches abhängig von der Produktion des Papiers und der Konzentration der enthaltenen Stoffe ist. Es handelt sich um einen Mix aus sehr, sehr vielen unterschiedlichen Verbindungen.
Hauptanteil am Geruch alter Bücher dürften jedoch folgende Verbindungen tragen:
Furfural (bittermandelartiger Geruch), Benzaldehyde (bittermandel), 2-Ethylhexanol (erdig, blumig, süß), Essigsäure (saurer, typischer Essiggeruch), Di-Acetyl (butterartig), lange Aldehyde wie Octanal (fruchtig-süß) und Vanillin.
Sinn der oben erwähnten Studie ist übrigens der, anhand des Geruchs (Konzentration der dafür verantwortlichen Verbindungen) alter Bücher und Dokumente, Auskunft über ihren aktuellen Zustand zu erhalten, um rechtzeitig Schutzmaßnahmen bezüglich ihres Zerfalls treffen zu können.
Neue Bücher
Soweit also zu den alten Frauen/Herren der Bücherwelt. Bei den neuen Exemplaren verringert sich die Konzentration und Vielfalt unserer Geruchs-Verbindungen, aufgrund der saubereren Rohstoffe. Dies wirkt sich auf den Geruch aus. Heutzutage wird bei der Papierherstellung mit Holzschliff, Zellstoff und Altpapier gearbeitet. Bei Holzschliff handelt es sich, wie der Name schon sagt, um geschliffenes Holz, das anschließend mit, zum Beispiel Wasserstoffperoxid gebleicht wird.
Zellstoff wird mittels Sulfat- oder Sulfit-Verfahren aus Holzchips durch Einkochen mit z. B. Säuren und anschließendem Abtrennen der gelösten Begleitstoffe wie Lignine, Harze, usw. gewonnen und ebenfalls anschließend mit Chlorverbindungen, Wasserstoffperoxid oder Ozon gebleicht.
Je nach Qualität und Anforderung wird heutzutage auch Altpapier in unterschiedlichen Mengenverhältnissen eingesetzt.
Weitere Rohstoffe zur Papierherstellung sind Hilfsstoffe wie Füllstoffe, Bindemittel, Leim und Farbstoffe.
Füllstoffe sind meist weiße, mineralische und wasserunlösliche Pigmentteilchen, die das Papier glatter und weißer machen sollen.
Leimstoffe sollen nach wie vor die Saugwirkung herabsetzen und das Papier so beschreibbar machen. Auch heute noch spielt hier Kolophonium eine große Rolle, dessen Hauptbestandteil die bereits erwähnte Abietinsäure ist. Diese wird in ihr Salz umgewandelt. Dieses Salz nennt man Harzseife. Diese Harzseife wird mit Aluminium auf den Zellstofffasern fixiert. Hierbei tritt nach wie vor das Problem der Umwandlung einzelner Stoffe zu Säuren auf. Und schon haben wir wieder den leicht säuerlichen Teil des Buch-Geruchs.
Allerdings gibt es auch Neulinge in der Geruchswelt.
Diketene, die jetzt ebenfalls zur Verleimung verwendet werden, allen voran beispielweise Alkyl-keten-di-mer, das einen stechenden Geruch sein eigen nennt.
Lignin wird heute übrigens weitestgehend entfernt. Es wird daher auch nur mehr selten oder in sehr geringem Ausmaß, abgesehen von akutem Kaffeekontakt , dazu kommen, dass neue Bücher vergilben. Bezogen auf das Papier findet auch bei neuen Büchern ein Zerfall der Zellulosemoleküle statt, wenn auch in stark verringerter Form, was zur Konsequenz hat, dass einige Verbindungen alter Bücher auch bei Neuen wiederzufinden sind, wenn auch in viel niedriger Konzentration.
Damit haben wir schon einige alte Verdächtige, aber auch neue Geruchsmoleküle lokalisiert. Doch Papier alleine macht noch kein Buch. Es fehlt auf alle Fälle noch die Schrift. Und hierfür benötigen wir Druckfarbe.
Druckfarbe besteht aus Farbmittel (die visuell wahrgenommene Farbe), Bindemittel (verbinden Farbe und Papier), Lösemittel (darin schwimmen die unterschiedlichen Bestandteile und es macht die Farbe flüssig und übertragbar) sowie diversen Hilfsmitteln. Während die Farbe selbst meist aus Pigmenten besteht, enthält das Bindemittel Harze, welche die Pigmente umhüllen und am Papier binden sollen. Hier treffen wir wieder auf unseren alten Freund, dass Baumharz mit all seinen Verbindungen, die mitunter wieder für einen Teil des Geruchs verantwortlich sein könnten. Aber auch viele andere Verbindungen finden hier Anwendung, die von natürlichen Ölen (Leinöl, Holzöl, …) bis zu Kunstharzen aus Erdöl reichen. Oft wird als Lösungsmittel auch Toluol verwendet. Dieser Bestandteil wäre wohl der Hauptverdächtige, der für eventuelle Gerüche in Bezug auf die Druckfarbe verantwortlich sein könnte. Toluol hat einen angenehmen, aber auch leicht stechenden Geruch (konzentrationsabhängig).
Zum Abschluss muss das ganze Buch noch zusammenhalten und dafür werden Kleber benötigt. Häufig wird auf Schmelzklebstoff oder Polyurethane zurückgegriffen. Schmelzklebstoffe, die hier Anwendung finden sind vielfältig in ihrem Aufbau und reichen von Polyamiden über Polyethylen bis zum in der Buchbranche ebenfalls verwendeten Ethylen-vinyl-acetat. Diese Verbindungen üben zwar grundsätzlich nur geringe Gerüche aus, dies ist bei so manchem Kleber jedoch stark temperaturabhängig. Bei dem bereits erwähnten PUR (Polyurethan), kommt es bei Temperaturen ab 40-50°C (wenn das Buch mal im Sommer draußen liegen bleibt) zur Bildung von Amino-Verbindungen, die wiederum ein fischartiger Geruch auszeichnet.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir bei neuen Büchern, wenn auch in geringerem Ausmaß, alte Verdächtige gepaart mit neuen Freunden vorfinden. Wir kennen bereits einige Zerfallsprodukte des Zellstoffs, die wir auch hier wieder finden werden, wie Furfural (bittermandel) und wahrscheinlich 2-Ethylhexanol (fruchtig-süß). Neu und erwähnenswert wäre beispielweise Alkyl-Keten-di-mer (stechend) aus der Verleimungsecke, Toluol (blumig, stechend) von Seiten der Farbenpracht und schlussendlich einige Amine (fischartig) des verwendeten Klebers, welche das Bouquet abrunden.
Nicht zu vergessen seien hierbei die mitunter sehr geringen Konzentrationen, die uns nur eine Vermutung anstellen lassen bzw. keine eindeutige Zuordnung ermöglichen, ohne chemische Analyseverfahren anzuwenden. Der Rest des Geruchs ist Wohl oder Übel der Magie der enthaltenen Geschichte geschuldet.
Wer übrigens nicht genug vom Geruch der Bücher bekommt, kann sich ein Parfum mit eben diesem Geruch ordern. Denn inzwischen hat sich schon jemand die Mühe gemacht und ein Parfum mit Buchgeruch entwickelt. Für mich, als inzwischen ebenso begeisterter E-Book-Leser wäre dies eine Option, doch noch zu meinem Schuss zu kommen und den Reader einfach damit einzusprühen.
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