Wir wissen mittlerweile viel über die Planetensysteme anderer Sterne. Vor wenig mehr als 20 Jahren haben wir den ersten Planeten entdeckt, der einen anderen Stern als unsere Sonne umkreist. Heute kennen wir mehr als 3000 davon und wissen, dass Planeten ein völlig normaler Bestandteil des Universums sind und genau so häufig wie die Sterne selbst. Mittlerweile verstehen wir aber auch die Komplexität all dieser anderen Systeme. Unser eigenes Sonnensystem haben wir schon seit Jahrhunderten erforscht. Wir wissen, dass es neben den acht Planeten auch jede Menge Monde und Kleinkörper gibt. Überall schwirren Asteroiden und Kometen durch die Gegend; Staub, Gas und anderer Kleinkram. Und alles wechselwirkt mit allem anderen und wir können die Eigenschaften unseres Sonnensystems nur verstehen, wenn wir auch diese komplexen Wechselwirkungen berücksichtigen.

Es gibt keinen Grund davon auszugehen, dass es anderswo im Universum fundamental anders ist als bei uns. Auch bei anderen Sternen muss es die gleiche Vielfalt an Himmelskörpern geben wie bei uns. Und langsam sind wir in der Lage, diese Vielfalt auch zu beobachten und zu erforschen. Amerikanische Astronomen haben auf einer Konferenz kürzlich Daten über den Stern HD 172555 veröffentlicht. Dabei handelt es sich um einen heißen und jungen Stern; gerade einmal 23 Millionen Jahre alt. Also quasi noch ein Baby, verglichen mit der 4,6 Milliarden Jahre alten Sonne.

So sieht es - vielleicht - aus bei HD 172555 (Künstlerische Darstellung: NASA, ESA, A. Feild and G. Bacon (STScI))

So sieht es – vielleicht – aus bei HD 172555 (Künstlerische Darstellung: NASA, ESA, A. Feild and G. Bacon (STScI))

Dieser Stern ist von einer großen Scheibe aus Staub und Gas umgeben und – so wie bei jungen Sternen üblich – sollten in dieser Scheibe auch Planeten entstanden sein. Entdeckt hat man solche Planeten bei HD 172555 noch nicht. Aber Carol Grady von der NASA und ihre Kollegen haben nun indirekte Hinweise entdeckt, die die Existenz eines Planeten nahelegen. Sie haben Kometen beobachtet, die auf den Stern fallen und in seiner heißen Atmosphäre verdampfen.

Das klingt auf den ersten Blick seltsam: Wenn wir es noch nicht geschafft haben einen großen Planeten bei diesem Stern zu finden, wie sollen wir dann ein paar nur wenige Kilometer große Kometen entdecken können? Es ist tatsächlich nicht einfach – aber es geht. Und zwar so, wie in der Astronomie so gut wie alle Entdeckungen gemacht werden: Durch eine sehr genaue Analyse des Sternenlichts.

Ein Stern erzeugt Licht – aber Licht ist nicht einfach nur Licht. Das Licht eines Sterns setzt sich aus vielen verschiedenen Farben zusammen; er strahlt Energie in vielen verschiedenen Wellenlängenbereichen aus. Allerdings nicht überall gleich viel Energie und genau darum geht es. Die chemische Zusammensetzung der Lichtquelle bestimmt, wie viel Licht bei bestimmten Wellenlängen abgestrahlt wird. Unterschiedliche chemische Elemente blockieren unterschiedliche Bereiche des Lichts. Man muss nun also “nur” noch das Licht des Sterns in seine Bestandteile trennen und nachsehen, wie viel Energie in den unterschiedlichen Bereichen abgestrahlt wird. So kann man auf die chemische Zusammensetzung des Sterns schließen. Und auch Kometen entdecken!

Schon früher hatten französische Astronomen genau solche Analysen mit dem Licht von HD 172555 durchgeführt und dabei Veränderungen festgestellt. Immer wieder waren im Licht des Sterns die Spuren von Kalzium gefunden worden. Spuren, die nicht konstant waren: Das Kalzium tauchte auf und verschwand nach einiger Zeit wieder. Carol Grady und ihre Kollegen haben diesen Befund nun mit dem Hubble-Weltraumteleskop überprüft und bestätigt. Auch sie fanden vergängliche Spuren chemischer Elemente; in diesem Fall von Silicium und Kohlenstoff.

Es kann sich dabei nicht um Material handeln, das vom Stern selbst stammt. Im Inneren von Sternen werden zwar durchaus solche Elemente durch Kernfusion erzeugt. Aber diese Elemente tauchen nicht plötzlich auf und verschwinden dann wieder. Und im Licht sehen wir sowieso nur die Spuren der Elemente, die sich in den äußersten Schichten der Sternatmosphäre befinden. Es muss sich also um Material handeln, das von außen auf den Stern gefallen ist. Die Astronomen konnten außerdem messen, dass sich das Material mit einer Geschwindigkeit von mehr als 500.000 km/h über die Oberfläche des Sterns bewegt.

Der Halleysche Komet (Bild: NASA)

Der Halleysche Komet (Bild: NASA)

Das alles lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Kleine Himmelskörper fallen auf den Stern, werden durch dessen Gravitationskraft zerstört und verdampfen in der hohen Temperatur seiner Atmosphäre. Kurzfristig lebt der Komet als Wolke aus Gas weiter, die durch die Sternatmosphäre zieht bevor sich sein Material mit dem Material des Sterns vermischt. Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei diesem Objekten um Kometen handelt; es könnten aber auch Asteroiden sein (die Unterschiede sind ja nicht so groß).

Kometen die auf Sterne fallen kennen wir auch aus unserem Sonnensystem. Auch hier werden immer wieder Kleinkörper zerstört, die der Sonne zu nahe kommen. Zum Beispiel der Komet Elenin im Jahr 2011 – aber auch viele andere; vor allem in der fernen Vergangenheit des Sonnensystems als es noch mehr Kleinkörper gab als heute.

Normalerweise findet man Kometen aber nicht in der unmittelbaren Nähe von Sternen. Sie entstehen weiter draußen in den Planetensystemen und wenn sie irgendwann doch auf den Stern fallen, muss es einen Grund dafür geben. Dieser Grund sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit große Planeten. Mit ihrer Gravitationskraft können sie die Bahnen von Kometen und Asteroiden stören und so regelrecht auf den Stern schleudern. Die Existenz von auf den Stern fallenden Kometen HD 172555 ist also ein starker Hinweis, dass irgendwo dort auch mindestens ein größerer Planet existieren muss.

Das käme nicht überraschend. Kometare Kollision wie bei HD 172555 hat man früher auch schon bei zwei anderen Sternen entdeckt. Einer davon ist Beta Pictoris, der mir ganz besonders am Herzen liegt, da ich früher selbst über diesen Stern und seine Planeten geforscht habe. Bzw. damals noch über seine hypothetischen Planeten. Aus der Existenz der Kometen von Beta Pictoris und diverser anderer Auffälligkeiten habe ich damals mittels Computersimulation das Vorhandensein von mindestens drei Planeten vorhergesagt und einer davon wurde 2008 tatsächlich gefunden.

HD 172555 und Beta Pictoris gehören auch zur gleichen Gruppe junger Sterne in der Nachbarschaft der Sonne (ungefähr 100 Lichtjahre entfernt). Wenn wir nun bei beiden Sternen das gleiche Phänomen beobachten, dann ist das ein guter Hinweis darauf, dass solche Episoden kollidierender Kometen in der Jugend von Sternen häufig vorkommen. Und wenn Kometen mit ihren Sternen kollidieren, dann gibt es in diesen Systemen sicherlich auch Kometen, die auf die dort vorhandenen Planeten fallen. Und so Wasser, Kohlenstoff und andere für die Entstehung des Lebens wichtiger Elemente aus dem All auf die Oberfläche von eventuell habitablen Himmelskörpern bringen. Das, was wir gerade bei HD 172555 beobachten könnten also genau die Prozesse sein, die in jungen Planetensystemen die Entstehung von Leben fördern oder gar auslösen.

Oder auch nicht – dazu müssen wir, wie immer, noch mehr Daten sammeln. So oder so: Mit jeder Beobachtung verstehen wir die komplexen Vorgänge in anderen Planetensystemen besser. Und damit auch unsere eigene komplexe Vergangenheit!

Kommentare (6)

  1. #1 RPGNo1
    10. Januar 2017

    Chapeau! Was für ein trickreicher Weg über indirekte Methoden und Überlegungen Planeten in einem entfernten Sonnensystem nachzuweisen: Spektralanalyse mit “seltsamen” Linien => Kometen => Planet. 🙂

  2. #2 Karl
    10. Januar 2017

    Mal eine “keine Ahnung” Frage:

    Wenn die Kometen verdampfen, muss dann das entstandene Gas/die Teilchen in den Stern fallen oder koennen die mit dem sicher vorhandenen “Sonnen”wind evtl. auf die entstehenden Planeten oder dem noch vorhandenen Staub “verteilt” werden? Oder sind dafuer die Gravitationskraefte der Sterne zu gross?

  3. #3 tomtoo
    10. Januar 2017

    @Karl
    Beides. Je nach Einfallswinkel und Geschwindigkeit.

  4. #4 AmbiValent
    10. Januar 2017

    @Karl
    Gas und Teilchen verteilen sich erstmal um den alten Kometenorbit herum. Wenn der Komet selbst schon in den Stern gefallen wäre, wird es auch fast allen seiner Bestandteile so ergehen. Wenn er vorbeigeflogen wäre, würden das seine Teilchen wohl größtenteils ebenso tun – aber hier kommen Kollisionen mit der Sternatmosphäre und Staub im Sternorbit ins Spiel, die die Bestandteile des Kometen abbremsen.

    Insbesondere die Sternatmosphäre selbst umkreist das Sternzentrum so langsam, und es ist so viel davon da, dass dies viele Bestandteile des Kometen doch in den Stern fallen lässt.

  5. #5 Karl-Heinz
    10. Januar 2017
  6. #6 Karl-Heinz
    11. Januar 2017