Dieser Artikel ist Teil eines Projekts einer Lehrveranstaltung an der Universität Graz. Studierende sollten einen Blogartikel über eine wissenschaftliche Facharbeit schreiben. Um die Vielfalt an Möglichkeiten zu demonstrieren, mit der man über Forschung schreiben kann, habe ich ebenfalls einen Artikel zum gleichen Thema verfasst. Ich würde euch bitten, auch (und vor allem) den Artikel der Studierenden zu lesen und zu kommentieren. Je mehr Feedback, desto besser! Der zu diesem Text gehörende Artikel der Studierenden ist hier zu finden.
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Im Sommer 2014 habe ich das erste Mal Insekten gegessen. Zumindest bewusst gegessen; verschluckt habe ich mit Sicherheit auch schon davor das eine oder andere Tier das ich eigentlich gar nicht verschlucken wollte (und bevor jetzt jemand damit kommt: Nein, die Story von den vielen Spinnen die wir im Schlaf verschlucken ist Unsinn). Ich war damals bei der Aufzeichnung einer Wissenschaftssendung im Publikum und zwei Designerinnen haben in der Show ein Gerät präsentiert, mit dem man schnell und einfach frische Larven für den menschlichen Konsum produzieren kann. Daraus haben sie dann eine Larven-Quiche gebacken und dem Publikum angeboten. Ich hab mich natürlich sofort darauf gestürzt und konnte feststellen: Insektenquiche schmeckt wie normale Quiche.
Das zweite Mal habe ich Insekten am zweiten Wiener Ball der Wissenschaften gegessen. Da gab es sie pur; wie Pommes Frites fritiert aus der Tüte und sie haben tatsächlich hervorragend geschmeckt. Wenn sie nicht so teuer gewesen wären, hätte ich noch viel mehr davon gegessen.
Aber normalerweise gehören Insekten nicht zum Speiseplan einer durchschnittlichen europäischen Mahlzeit. Was seltsam ist, denn wir sind ja nicht unbedingt zimperlich, was das Essen von Tieren angeht. Kaum ein Lebewesen, das wir nicht im Laufe der Zeit auf die eine oder andere Weise verzehrt haben. Aber vor Insekten graust uns; diese Tiere gehören nicht zu unserem Speiseplan. Daran sollte man etwas ändern – meinen auf jeden Fall Jiri Mlcek von der Universität Zlin in Polen und seine Kollegen. Sie haben einen wissenschaftlichen Artikel publiziert in dem sie Argumente für und gegen den Insektenkonsum in Europa sammeln (“A Comprehensive Look at the Possibilities of Edible Insects as Food in Europe – a Review”).
Denn was wir in Europa grauslich finden ist anderswo ganz normal, wie die Wissenschaftler gleich in der Einleitung feststellen. Mehr als 1500 essbare Insektenspezies werden von 300 ethnischen Gruppen in 113 Ländern verzehrt. Warum gerade wir uns so anstellen, wenn es um die Krabbelviecher am Teller geht, ist angesichts dieser Zahlen nicht sofort verständlich. Es sind vor allem kulturelle Gründe, erklären Mlcek und seine Kollegen. Wir haben schon als Kinder gelernt, dass Insekten nichts sind, was man isst. Und als Erwachsene haben wir dann eben Probleme, Dinge zu essen die wir nicht als Nahrung in Betracht ziehen. Das gilt ja nicht nur für Insekten: Wer käme schon auf die Idee, sich einen Hund oder eine Katze zu braten? Wer das ernsthaft in Betracht zieht, muss nicht nur mit dem Ekel sondern zusätzlich auch noch mit dem Hass vieler Mitmenschen rechnen. Diese Tiere sind bei uns Haustiere und keine Nahrung. Anderswo ist das anders – und genau so ist es auch mit den Insekten.
Dabei würde es sich lohnen, sie für unseren europäischen Speisezettel in Betracht zu ziehen. Mlcek und seine Kollegen haben sich angesehen, was bei uns für Möglichkeiten bestehen. Sie haben all die essbaren Insekten untersucht, die in Europa heimisch sind. Natürlich könnten wir auch Insekten aus anderen Ländern importieren, aber es geht ja gerade darum, eine Alternative zur bisherigen Nahrungsmittelproduktion zu finden. Wenn wir dann erst wieder Essen von weit her nach Europa schaffen und für unsere Nahrung fremde Ökologien durcheinanderbringen und die Energiebilanz durch komplexe Transportwege verpfuschen, dann bringt uns das auch nicht weiter.
Es ist teilweise sehr überraschend zu lesen, was in den Insekten so an Nährwert steckt. Wenn wir eine ganze (getrocknete) Biene essen, dann können wir 94,3 Prozent der in ihr enthaltenen Proteine verdauen; das ist nur minimal weniger als beispielsweise bei Eiern. Der Fettgehalt von Insekten kann bis zu 50 Prozent betragen – was natürlich blöd ist, wenn man gerade auf Diät ist aber hervorragend, wenn es darum geht viele Kalorien zu sich zu nehmen. Der Anteil von Kohlenhydraten kann stark variieren bis zu knapp 16 Prozent bei Zikaden – was jetzt aber verglichen mit anderen “normalen” Lebensmitteln trotzdem nicht so wahnsinnig viel ist: Wer also meint sich low carb ernähren zu müssen, der liegt mit Insekten richtig!
Vitamine und Spurenelemente findet man natürlich auch. Wer Zink braucht, sollte sich ein paar Grillenlarven übers Morgenmüsli streuen; wer Mangan braucht, ist mit den erwachsenen Grillen besser dran. Und was die Vitamine der B-Gruppe angeht, liegt man bei Insekten auch nicht schlecht.
Natürlich kann man jetzt nicht einfach auf die Wiese gehen und sich mit den dortgefundenen Krabbeltieren den Bauch vollschlagen. Insekten können giftig sein; selbst essbare Insekten können ungesunde Mengen an durch deren Nahrung aufgenommenen Schadstoffen enthalten; man kann Allergien gegen Insekten haben. Insekten muss man genau so wenig roh (oder gar lebendig) essen wie wir das mit dem Großteil unserer Nahrung machen. Eine entsprechende Zubereitung verbessert den Geschmack und kann auch helfen den Ekel zu überkommen, den manche haben. Man kann die Insekten auch einfach nur als Grundstoff für weitere Nahrungsmittel leben, in dem man zum Beispiel die Proteine extrahiert und dann weiter verarbeitet.
Auf jeden Fall aber gilt: Es gibt – abgesehen von kulturellen Traditionen – keinen zwingenden Grund Insekten nicht so zu behandeln wie wir es mit dem Rest der uns theoretisch zur Verfügung stehenden Nahrungsmittelpalette tun. Klar, es gibt die gleichen ethischen und ökologischen Bedenken, die es immer gibt, wenn man Tiere isst. Aber wenn man bereit ist, Säugetiere wie Kühe oder Schweine aufzuessen, dann gibt es keinen Grund, warum nicht auch Insekten essen sollte. Und aus ökologischer Sicht – zu dem Schluss kommen auch Mlcek und seine Kollegen – sind Insekten durchaus besser als der Rest unserer Nahrung. Um Insekten zu züchten braucht man weniger Wasser, weniger Energie und generell weniger Aufwand.
Ich persönlich habe kein Problem, was den Konsum von Insekten angeht und würde mir wünschen, dass man sie auch hier bei uns nicht nur als exotische Kuriosität ab und zu mal bekommt sondern
standardmäßig kaufen und konsumieren kann. Und würde mich über eure Erfahrungen freuen: Wo kann man Insekten vernünftig beziehen? Und welche Rezepte kennt ihr?
P.S. Ja, ok – ich entschuldige mich für die Überschrift
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