Vakuum, das ist Nichts. Wenn man aus dem Raum alles entfernt, was drin sein kann, dann bleibt nur Vakuum übrig. Das dachte man jedenfalls lange. Solange bis die moderne Physik uns gezeigt hat, dass es ein reines “Nichts” nicht gibt. Auch der “leere” Raum ist voll mit Quantenfeldern und vor allem voll mit virtuellen Teilchen. Ein Vakuum ist in der modernen Physik als der Zustand mit der niedrigsten möglichen Energie – aber es muss deswegen nicht leer sein. Ohne allzu sehr in die Details gehen zu wollen folgt zum Beispiel aus der fundamentalen Unschärfe der Quantenmechanik (der Heisenbergschen Unschärfrelation), dass es nicht möglich ist, gleichzeitig die Menge an Energie und die Änderungsrate der Energie zu kennen. Nicht weil wir die Methoden dazu nicht haben, sondern weil diese beiden Größe prinzipiell unbestimmt sind. Je genauer der eine Wert bestimmt ist, desto ungenauer der andere und umgekehrt. Je geringer also die Energie wird (und je “leerer” der Raum), desto besser ist sie bestimmt weil der Wert immer näher an Null heran rückt. Desto unbestimmter ist dann aber auch die Änderungsrate und das heißt anschaulich nichts anderes, als dass kurzfristig virtuelle Teilchen im Vakuum auftauchen und dann wieder verschwinden können. Der “leere” Raum ist also von sogenannten Quantenfluktuationen erfüllt.
Das hat Konsequenzen. Unter anderem sagt die Quantenelektrodynamik, also die Theorie mit der solche Vorgänge beschrieben werden, voraus, dass die elektrische Ladung der virtuellen Teilchen Licht beeinflusst, dass sich durch das Vakuum bewegt. Seine Polarisation soll sich verändern, also die Richtung, in der eine Lichtwelle schwingt. Normalerweise geben Lichtquellen Lichtwellen ohne Polarisation ab bzw. ist es eine Mischung aller möglichen Polarisationszustände. Im Vakuum kann es aber zu einer Quantenpolarisierung kommen. Sagt die Theorie – aber wie weißt man so etwas nach? Ganz einfach: Man betrachtet einen 400 Lichtjahre entfernten Neutronenstern!
Das Objekt um das es geht trägt den Namen RXJ1856.5-3754 und gehört zu den “Glorreichen Sieben”. Damit sind nicht die Typen aus dem alten Western gemeint, sondern eine Gruppe von sieben Neutronensternen die sich ein paar hundert Lichtjahre von der Erde entfernt befinden. Und Neutronensterne sind die Überreste größerer Sterne: Wenn einem Stern am Ende seines Lebens der Brennstoff ausgeht, kollabiert er unter seiner eigenen Masse und wird zu einem nur wenige Kilometer großen Objekt das trotzdem noch eine Masse hat die größer ist als die unserer Sonne. Es sind extrem dichte Himmelskörper (siehe hier für mehr Details) und im Fall der glorreichen Sieben auch sehr interessante. Sie rotieren vergleichsweise langsam, mit Rotationsperioden von einigen Sekunden. Normalerweise dreht sich ein Neutronenstern deutlich schneller um seine Achse – der Effekt ist der gleiche den man auch beim Eislaufen beobachten kann: Dreht man sich um seine Achse und zieht man dann die Arme an, wird man schneller. Die Drehimpulserhaltung sorgt dafür, dass man sich schneller dreht, wenn man die Körpermasse auf kleinerem Raum konzentriert. Und bei einem Neutronenstern ist sehr VIEL Masse auf sehr wenig Raum konzentriert werden. Erst im Laufe der Zeit wird ihre Rotation langsamer und um so langsam zu werden wie die glorreichen Sieben müssen mindestens ein paar hunderttausend bis Millionen Jahre vergehen. Sie strahlen auch wenig Energie in Form von Röntgen- und Radiolicht ab und vor allem sind es “nackte” Neutronensterne, werden also nicht von Begleitsternen oder anderem Material in ihre Nähe beeinflusst. Sie tun im wesentlichen nichts anderes als langsam abzukühlen und dabei thermische Strahlung abzugeben.
Das alles macht sie zu sehr interessanten Forschungsobjekten. Besonders für Roberto Mignani vom italienischen Nationalen Institut für Astrophysik und seine Kollegen. Sie haben RXJ1856.5-3754 mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte beobachtet (“Evidence for vacuum birefringence from the first optical polarimetry measurement of the isolated neutron star RX J1856.5−3754”). Das VLT registriert optisches, also “normales” Licht und normalerweise ist es schwer, nackte Neutronensterne in diesem Licht zu beobachten. Aber dank früherer Messungen von Röntgensatelliten weiß man, wohin man schauen muss und das VLT war groß genug, um ausreichend Licht zu sammeln. Und nicht nur Licht zu sammeln, sondern auch seine Polarisation zu messen. Das sieht dann so aus:
Man sieht Beobachtungsdaten für RXJ1856.5-3754 und einen Schwung normaler Sterne die ebenfalls zufällig im Blickfeld des Teleskops waren. In diesem Bild sind die Stokes-Parameter aufgetragen, also im Wesentlichen Zahlen die beschreiben, wie stark das Licht polarisiert ist. Die Daten für die anderen Sterne liegen alle in der Nähe des Punktes (0/0), beschreiben also nicht-polarisiertes Licht. Der einzelne rote Eintrag rechts unten dagegen ist der für RXJ1856.5-3754. Sein Licht ist klar erkennbar polarisiert. Da der alte und nackte Neutronenstern – so wie ein normaler Stern – auch nur thermische Strahlung abgibt sollte sein Licht ebenfalls unpolarisiert sein. Im Gegensatz zu einem normalen Stern hat ein Neutronenstern aber ein enorm starkes Magnetfeld (das liegt wieder an der hohen Konzentrierung der Materie die auch das Magnetfeld verstärkt) und dieses Magnetfeld kann die virtuellen Teilchen des Vakuums beeinflussen so dass am Ende eine messbare Quantenpolarisiation im Licht des Neutronensterns entstehen müsste.
Eine Polarisation, die Mignani und seine Kollegen nun erstmals gemessen haben! Und die auch nur von Astronomen gemessen werden konnte, denn so starke Magnetfelder lassen sich bei Laborexperimenten zum Nachweis der Quantenpolarisation nicht produzieren. Ich finde es wunderbar, wieder einmal zu sehen, wie das ganz kleine und das ganz große miteinander zusammenhängen! Das, was in der Mikrowelt der Quantenmechanik passiert kann mit einem Blick in den weit entfernten Kosmos und durch eine Untersuchung der Überreste riesiger Sterne erforscht werden. Und in Zukunft wird die Verbindung noch enger werden: Wenn die neuen Großteleskope der nächsten Generation fertig gestellt sind, könnten solche Analysen zum Standard werden. Quantenmechanik wird dann nicht nicht mehr nur in irgendwelchen Laborexperimenten überprüft werden können sondern auch von Astronomen beim Blick hinaus ins Universum!
Kommentare (23)