In der Serie “Fragen zur Astronomie” wird es heute ein wenig philosophisch. Wenn ich Vorträge über die Erforschung des Weltraums halte; wenn ich dann von Projekten wie dem Weltraumfahrstuhl, bemannten Missionen zum Mars, zum Mond oder noch weiter hinaus in den Kosmos spreche; wenn ich über die Möglichkeiten berichte die uns der Abbau der Rohstoffe in den Asteroiden ermöglichen würde – wenn ich also von all dem spreche was wir als Menschheit im Kosmos in Zukunft tun könnten, dann kommt aus dem Publikum mit ziemlicher Sicherheit immer ein ganz bestimmter Einwand: Müssen wir zuerst die Probleme auf der Erde lösen bevor wir uns auf den Weg in den Weltraum machen? Ist es nicht fahrlässig, von der Besiedelung des Mars zu sprechen, wenn wir nicht einmal hier auf der Erde klar kommen? Sollten wir uns nicht darum kümmern, die Probleme auf unserem Planeten zu lösen bevor wir anfangen, einen zweiten Planeten kaputt zu machen oder als “Ausweichquartier” zu benutzen?
Die Motivation hinter dieser Kritik ist nachvollziehbar. Es gibt jede Menge Probleme die wir noch zu lösen haben. Wir müssen den Klimawandel oder zumindest seine Folgen in den Griff bekommen. Wir müssen etwas gegen die Umweltverschmutzung tun und gegen die immer größere Reduzierung der Biodiversität. Wir müssen einen Weg finden ausreichend saubere Energie zu erzeugen; Armut und Hunger bekämpfen. Und so weiter – es gibt mehr als genug hier auf der Erde zu tun. Warum also unsere Ressourcen im Weltraum für irgendwelche Science-Fiction-Projekte verschwenden?
Nun, wenn wir Ressourcen tatsächlich verschwenden würden, wäre das tatsächlich keine gute Idee. Ich schlage auch absolut nicht vor, all die Probleme hier auf der Erde zu ignorieren. Aber ich bin der Meinung, dass es hier kein “Entweder/Oder” gibt. Ganz im Gegenteil! Ich bin fest davon überzeugt, dass die Lösung der irdischen Probleme untrennbar mit dem Weg ins All verbunden ist! Wir können keine großangelegten Aktivitäten im All durchführen ohne zuvor zum Beispiel eine brauchbare Lösung für das Energieproblem gefunden zu haben. Auch im Weltraum brauchen wir Energie Dort ist sie noch viel wichtiger und viel schwerer zu bekommen als auf der Erde. Wir brauchen vernünftige, effiziente und saubere Energiequellen; wir brauchen kompakte und dauerhafte Energiespeicher, und so weiter. Und ob wir dieses Energieproblem nun lösen, weil wir uns auf die Erde oder aufs All konzentrieren ist egal. Hauptsache es wird gelöst!
Gleiches gilt für die Umweltverschmutzung. In den geschlossenen Kreisläufen von Habitaten wie wir sie am Mars oder am Mond benötigen würden um dort zu leben sind Recycling, Müllvermeidung und ressourcenschonende Konstruktionen überlebenswichtig. Landwirtschaft muss dort unter extremsten Bedingungen stattfinden und alles was wir entwickeln um das irgendwie zu schaffen hilft uns auch dabei, Landwirtschaft auf der Erde zu betreiben, wo die Bedingungen dank des Klimawandels auch immer extremer werden. Und umgekehrt gilt das gleiche.
Kurz gesagt: Ich bin der Meinung, dass sich die Frage “Müssen wir zuerst die Probleme auf der Erde lösen bevor wir uns auf den Weg in den Weltraum machen?” gar nicht erst stellt. Wir müssen die Probleme lösen, ja! Aber der Weg spielt keine Rolle. Die Ressourcen die wir in eine etwaige Erforschung des Weltraums stecken sind nicht verschwendet, weil sie am Ende dabei helfen, die Probleme auf der Erde zu lösen. Und umgekehrt gilt das gleiche. Je mehr Wege wir bei der Lösung dieser Probleme verfolgen, desto besser! Und am Ende waren wir Menschen immer dann am erfolgreichsten, wenn wir unserer Neugier und unserer Faszination gefolgt sind…
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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