Mein England-Aufenthalt ist leider schon wieder vorbei (ich dachte, ich verschwinde lieber von der Insel bevor Großbritannien offiziell den EU-Austritt erklärt; wer weiß was denen noch alles einfällt). Von meinen Besuchen am Jodrell-Bank-Observatorium und dem wissenschaftlichen Manchester habe ich schon berichtet. Ein ganz besonderes Ausflugsziel habe ich mir noch für den Schluss aufgehoben. Dafür musste ich in Manchester in einen Zug steigen:
Was Eisenbahnen angeht ist das moderne England nicht unbedingt in Topform. Aber zumindest eine Stadt lässt sich von überall aus gut erreichen und die war auch das Ziel: London. Dort wollte ich zuerst das Grab des Helden meines aktuellen Buchs besuchen. Isaac Newton hält sich heute meistens in Westminster Abbey auf:
Aber es sollte wohl nicht sein…
Die restlichen Sehenswürdigkeiten des Stadtzentrums hab ich nur im Vorbeigehen registriert:
Und stattdessen ein Boot bestiegen:
Um nach Greenwich zu gelangen (Die Fahrt mit dem Boot kann ich übrigens nur empfehlen. Es ist ein normales Linienboot das mit den üblichen Öffi-Tickets benutzt werden kann. Unterwegs kriegt man ein wenig was von London zu sehen und wenn das Wetter schön ist, ist es eine äußerst angenehme Fahrt).
Greenwich ist natürlich voll mit Sehenswürdigkeiten; ein Museum für Nautik; das Segelschiff “Cutty Sark”; Kunstausstellungen, und so weiter. Aber ich wollte zum Royal Greenwich Observatory. Der ersten königlichen Sternwarte, die im 17. Jahrhundert eingerichtet wurde und an der jede Menge Astronomiegeschichte geschrieben wurde.
Das, was auch heute noch an diesem Ort so besonders ist, findet man überall in sämtlichen touristischen Souvenirvarianten. Der “Prime Meridian”, der offizielle Nullmeridian, der Längengrad, der die Welt in eine östliche und eine westliche Hemisphäre teilt und der Referenzpunkt für die “Greenwich Mean Time” bzw. die Weltzeit ist. Es gibt sogar ein eigenes Bier (über dessen Geschmack ich nichts sagen kann, weil ich keines mitbringen konnte, da ich mit dem Flugzeug und nur mit Handgepäck gereist bin wo sowas ja leider verboten ist).
Zuerst habe ich mir aber angesehen, was es auf dem Gelände sonst noch so gibt. Ein architektonisch interessantes Planetarium zum Beispiel, das an den Himmelsrichtungen ausgerichtet ist und an dessen Fassade sich unter anderem die Richtung zum Himmelspol ablesen lässt:
Und eine nette kleine Astronomie-Ausstellung mit schönen Experimenten:
Und ein tiefes Loch das heute allerdings nicht mehr so tief ist und früher ein Teleskop beherbergt hat (so etwas haben die Astronomen bei mir zuhause in Jena übrigens auch mal gegraben):
Ganz besonders habe ich mich auf den Besuch im Flamsteed House gefreut (selbst wenn man hier im Gegensatz zum Rest des Geländes Eintritt bezahlen muss). Denn John Flamsteed war nicht nur der erste königliche Astronom, sondern auch einer der vielen Lieblingsfeinde von Isaac Newton. Über den Streit zwischen den beiden und wie enorm unfreundlich Newton den armen Flamsteed behandelt hat, habe ich ausführlich in meinem neuen Buch berichtet und wollte nun gerne auch mal vor Ort nachsehen, wie Flamsteed damals gelebt hat und wo die heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihm und Newton stattgefunden haben.
Und auch wenn der gute Flamsteed schon lange tot ist, habe ich ihm natürlich trotzdem mein Buch unter die Nase gehalten. Falls er dort noch irgendwo herumspukt, freut er sich ja vielleicht ein bisschen 😉
Flamsteed House ist wirklich interessant; man sieht wie die königlichen Astronomen gelebt haben; wie ihr Alltag ausgesehen hat und unter welchen Bedingungen sie gearbeitet haben. Und man kann den “Beobachtungsanzug” des königlichen Astronoms Nevil Maskelyne betrachten. Über den hab ich ja früher schon mal berichtet. Geschneidert wie ein Pyjama; dick gefüttert und mit integrierten Füßlingen, damit es in den kalten Nächten immer schön warm bleibt. Und als Bonus ein gepolstertes Hinterteil…
In einer eigenen Ausstellung erfährt man dann aber auch alles über das Problem, zu dessen Lösung die Sternwarte gegründet wurde. Wie kann man auf hoher See herausfinden, auf welcher geografischer Länge man sich befindet? Die Breite ist leicht, dazu muss man nur ein paar astronomische Beobachtungen anstellen. Bei der Längenbestimmung geht es aber um die Zeitmessung. Man muss wissen wie spät es lokal am eigenen Beobachtungsort ist (was sich herausfinden lässt) und gleichzeitig wissen, wie spät es an einem Referenzpunkt ist. Und das war der schwierige Punkt. Transportable und genaue Uhren gab es damals nicht. Also versuchte Flamsteed eine astronomische Uhr zu erstellen; im wesentlichen einen großen Katalog in dem die relativen Positionen von Mond und Sternen vorhergesagt wurden und aufgelistet war, wann diese Konstellationen von Greenwich aus sichtbar sind. Ein Navigator auf dem Ozean kann nun schauen, wann diese Konstellationen lokal auftreten und aus dem Unterschied der Uhrzeit den Abstand zu Greenwich berechnen.
Diese Methode funktioniert und wurde auch eingesetzt; der Uhrmacher John Harrison schaffte es aber schon ein wenig früher, transportable Uhren zu bauen, die in der Ausstellung ebenfalls zu sehen sind. Aber trotzdem: Der kleine Ort Greenwich wurde zur weltweiten Referenz für alle Längenmessungen und ist es auch heute noch. Der Nullmeridian ist prominent markiert und vermutlich das beliebteste Fotomotiv in der Umgebung. Natürlich auch für mich:
Ich habe aber auch die anderen Nullmeridiane fotografiert die touristisch deutlich weniger Zuspruch erhalten haben. Um den Nullmeridian festzulegen braucht man ein Teleskop. Und deswegen verläuft er auch exakt durch das Zentrum des Teleskops, das man natürlich ebenfalls besichtigen kann:
Aber im Laufe der Zeit hat man die Teleskope immer wieder verbessert und verrückt und darum gibt es auch noch zwei andere Nullmeridiane auf dem Gelände. Einmal den, den Flamsteeds Nachfolger, der zweite königliche Astronom Edmund Halley vermessen hat:
Und den von James Bradley:
Wenn man dann alle Meridiane besichtigt hat, kann man vom Hügel der Sternwarte aus noch den tollen Blick über London genießen.
Und dann macht man das, was man in England immer macht, wenn sich der Tag dem Ende zuneigt. Man sucht sich ein Pub (von denen es in Greenwich sehr viele sehr nette gibt), trinkt ein Ale und widmet sich der lokalen Küche (in diesem Fall gab es einen weiteren englischen Klassiker: Sausage and Mash – sehr zu empfehlen!)
Nach dem Besuch in London war mein Aufenthalt in England leider vorbei. Aber ich komme wieder. Newtons Grab steht noch auf meiner Liste; die Royal Society möchte ich gerne mal sehen und Newtons Wohnhaus natürlich ebenfalls. Wenn sich die Insel nicht doch noch komplett vom Rest Europas abschottet, komme ich auf jeden Fall wieder!
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