Warum ist die Sonne kein roter Zwerg? Sterne wie unsere Sonne sind selten; viel häufiger sind rote Zwerge – sie machen mehr als drei Viertel aller Sterne aus. Und wir wissen, dass es dort erdähnliche Planeten gibt. Warum leben wir dann nicht dort, wo es statistisch zu erwarten wäre sondern auf einem Planeten, der einen Minderheitenstern wie die Sonne umkreist? Die Antwort könnten die seltsamen Eigenschaften der kleinen Sterne liefern.
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Transkription
Sternengeschichten Folge 230: Rote Zwerge und ihre Planeten
Die Sonne ist das größte Objekt in unserem Sonnensystem aber im Vergleich mit all den anderen Sternen ziemlich klein. Sie ist ein gelber Zwergstern; vom Typ G wie die Spektralklasse (über die ich in Folge 132 mehr erzählt habe) offiziell genannt wird. Solche sonnenähnliche Sterne sind allerdings relativ selten; nur wenig mehr als 7 Prozent aller Sterne gehören dazu. Die noch massereicheren und heißeren blau und weiß leuchtende Sterne der Spektraltypen O, B und A sind noch seltern und machen zusammen nicht mal ein Prozent aller Sterne aus. Die meisten Sterne im Universum sind noch kleiner und kühler als unsere Sonne und von keiner Gruppe gibt es mehr als von den roten Zwergen. Mehr als drei Viertel der gesamten Sterne sind solche kosmischen Winzlinge und es ist daher mehr als angebracht sich mit ihnen zu beschäftigen.
Die Masse eines roten Zwerges beträgt maximal ungefähr 60 Prozent der Sonnenmasse; minimal ungefähr 7 Prozent. Noch weniger Masse darf ein roter Zwerg allerdings nicht haben. Ist er noch kleiner, dann reicht seine Masse nicht mehr aus um dauerhaft Kernfusion in seinem Inneren zu erzeugen und das ist unbedingt nötig um als Stern zu gelten. Am unteren Ende der Massenskala findet man hinter den roten Zwergen die braunen Zwerge, die aber schon keine Sterne mehr sind, wie ich in Folge 91 der Sternengeschichten erklärt habe.
Da die roten Zwerge so wenig Masse haben, leuchten sie auch deutlich schwächer als andere Sterne. Die Masse bestimmt ja maßgeblich, wie heiß ein Stern ist. Sein ganze Masse drückt mit ihrem Gewicht auf das Innere des Sterns und dieser Druck erzeugt hohe Temperaturen. Je höher die Temperaturen dort sind, desto schneller und effektiver kann die Fusion von Wasserstoffatomen stattfinden und die ist es ja, die die Energie eines Sternes erzeugt. Massereiche Sterne sind daher enorm heiß und leuchten enorm hell; einige 10.000 Male heller als unsere Sonne. Die, als relativ kleiner Stern, bringt es immerhin noch auf etwa 13 Millionen Grad in ihrem Zentrum und ungefähr 6000 Grad an der Oberfläche.
Ein roter Zwerg dagegen hat eine Oberflächentemperatur die nur zwischen circa 2000 und 4000 Grad liegt und leuchtet 100 Mal schwächer als unsere Sonne. Deswegen kann man mit freiem Auge auch keinen einzigen roten Zwerg am Nachthimmel der Erde sehen und das obwohl der sonnennächste Stern – Proxima Centauri – selbst ein roter Zwerg ist. Auch von den 17 anderen roten Zwerge die man unter den 30 der der Sonne am nächsten gelegenen Sterne findet kann keiner mit freiem Auge beobachtet werden.
Mit Teleskopen aber durchaus und dabei hat man in den letzten Jahren viele äußerst interessante Entdeckungen gemacht. Nicht nur was die Sterne selbst angeht sondern auch zu ihren Planeten. Denn für die Suche nach Planeten sind rote Zwerge ein gutes Ziel. Gut, sie leuchten schwach aber wenn sie nicht zu weit weg sind dann reichen die modernen Teleskope durchaus aus, sie zu beobachten. Und so gut wie alle extrasolaren Planeten werden durch indirekte Methoden entdeckt. Das heißt, man kann sie nicht selbst im Teleskop beobachten sondern nur die Auswirkungen die ihre Anwesenheit auf die Sterne selbst hat. Ein Planet bringt mit seiner Gravitationskraft den Stern den er umkreist ein wenig zum Wackeln und wenn er von der Erde aus gesehen direkt vor dem Stern vorbei zieht, dann verdunkelt er dessen Licht ein wenig. Wenn der Stern sehr hell und sehr massereich ist, dann sind diese Phänomene nur schwach und schwer zu beobachten. Ein kleiner roter Zwerg wird von einem Planet aber vergleichsweise stark zum Wackeln gebraucht und auch die Verdunkelungen fallen stärker aus.
In den letzten Jahren hat man daher einige Planeten entdeckt, die rote Zwerge umkreisen. Darunter zum Beispiel einen Planeten des sonnennächsten Stern Proxima Centauri. Oder die gleich sieben Planeten die den nur 40 Lichtjahre entfernten roten Zwergstern TRAPPIST-1 umkreisen. In beiden Fällen handelt es sich um kleine Planeten deren Größe und Masse der der Erde ähneln. Solche erdähnlichen Planeten scheinen nach allem was wir wissen im Universum durchaus häufig zu sein. Man schätzt das bis zu 45 Prozent aller roten Zwerge erdähnliche Planeten haben. Und da stellt sich eine interessante Frage: Wenn erdähnliche Planeten überall zu finden sind und wenn die allermeisten Sterne im Universum rote Zwergsterne sind: Warum leben WIR dann nicht auf einem Planeten der einen roten Zwergstern umkreist?
Nochmal zur Erinnerung: Sonnenähnliche Sterne sind in der Minderheit und machen nur 7 Prozent aller Sterne aus; rote Zwerge dagegen mehr als 75 Prozent. Wenn wir von der Gültigkeit des kopernikanischen Prinzips (über das ich in Folge 113 mehr erzählt habe) ausgehen, also davon das wir nichts besonderes sind und keinen speziellen Ort im Universum bewohnen: Dann wäre es rein statistisch viel wahrscheinlicher das wir auf dem Planeten eines roten Zwergsterns leben und nicht auf dem eines relativ seltenen gelben Sterns wie unsere Sonne. Betrachten wir für einen Vergleich die Erde: 71 Prozent ihrer Oberfläche sind von Ozeanen bedeckt. Die Seen, Flüsse und anderen Binnengewässer machen nur wenig mehr als 3 Prozent aus. Wenn wir jetzt irgendeinen beliebigen Fisch aus all dem Wasser heraus greifen, ist es viel wahrscheinlicher, dass er aus dem Meer kommt und nicht aus einem Binnengewässer.
Wieso also ist die Sonne kein roter Zwerg? Ist das nur ein seltsamer Zufall? Ist unsere Ecke des Universums vielleicht doch irgendwie speziell? Oder hat es andere Gründe? Um das beantworten zu können müssten wir eigentlich wissen, wie häufig Planeten sind, auf denen Leben existiert. Das wissen wir nicht und wir können derzeit auch nichts darüber sagen da uns die Daten fehlen. Wir wissen zwar, dass es überall im Universum Planeten gibt aber das alleine sagt noch gar nichts. Wir haben keine Ahnung, wie wahrscheinlich es ist, das auf einem Planeten Leben entsteht und auch keine Ahnung, ob es anderswo überhaupt Planeten gibt auf denen die Bedingungen die Entstehung von Leben ermöglichen beziehungsweise wie häufig solche Planeten sind.
Die “erdähnlichen” Planeten die man bisher bei anderen Sternen entdeckt hat sind nur insofern der Erde wirklich ähnlich als das sie ihr in Masse und Größe ähnlich sind. Über den ganzen Rest, die Zusammensetzung der Atmosphäre – sofern es die dort überhaupt gibt – über die Temperaturen und all die anderen für die Entstehung von Leben wichtigen Parameter wissen wir nichts. Aber wir können zumindest auf wissenschaftlichen Grundlagen spekulieren und dann schaut es nicht mehr ganz so gut für die Planeten roter Zwerge aus.
Rote Zwerge sind, wie schon gesagt, sehr viel kühler als unsere Sonne. Damit auf einem Planeten Temperaturen herrschen die die Entstehung von Leben so wie wir es kennen ermöglichen, muss der Planet dem Stern also sehr viel näher sein als unsere Erde der Sonne. Wenn der Abstand zwischen Planet und Stern schrumpft werden aber auch die Gezeiteneffekten stärker. Bei uns auf der Erde wird der Hauptteil der Gezeiten durch den nahen Mond hervor gerufen. Aber selbst hier ist die Sonne für ungefähr ein Drittel der Stärke von Ebbe und Flut verantwortlich. Bei den Planeten die sich in der habitablen Zone roter Zwerge befinden, also dem Bereich lebensfreundlicher Temperaturen, sind die Gezeitenkräfte enorm. So stark, dass sie auch die Rotation der Planeten beeinflussen. Die Gezeitenkraft die die Erde auf den Mond ausübt hat ja im Laufe der Zeit dafür gesorgt, dass dessen Rotation sich der Umlaufzeit um die Erde angeglichen hat so dass man von der Erde aus immer die gleiche Seite des Mondes sieht. Einem Planet in der habitablen Zone eines roten Zwerges würde es genau so gehen: Er hätte eine sogenannte gebundene Rotation. Eine Hälfte des Planeten würde immer in Richtung des Sterns zeigen, die andere immer von ihm weg. In der hellen Hälfte wäre es enorm heiß; in der anderen Hälfte würde eine ewige und dunkle Nacht herrschen. Das sind nicht unbedingt optimale Bedingungen für die Entstehung des Lebens. Es wäre nicht unmöglich: In der Übergangszone wo ewige Dämmerung herrscht könnten die Temperaturen gerade angenehm sein. Und je nachdem ob und welche Atmosphäre der Planet besitzt könnte sie für einen gewissen Temperaturausgleich sorgen.
Aber das ist noch nicht das einzige Problem. Das Leben auf dem Planeten eines roten Zwerges müsste sich auf dunkle Zeiten einstellen. So ein Stern leuchtet vor allem mit Infrarotlicht, das für unsere Augen nicht sichtbar ist. Auch die Pflanzen auf der Erde können diesen Teil des Lichts nicht für ihre Photosynthese verwenden. Wenn sich auf dem Planet eines roten Zwerges Leben entwickelt hat, dann muss es einen anderen Weg finden das Sternenlicht zu verwerten als das Leben auf der Erde.
Und dann macht der Stern auch noch selbst Probleme. Rote Zwerge sind zwar klein, aber viel aktiver als andere Sterne. In der Sonne, so wie bei allen anderen Sternen auch, entsteht die Energie durch Kernfusion nur im Kern. Von dort wird sie als Strahlung nach außen transportiert. Erst kurz unter der Oberfläche setzt die Konvektion ein: Die Energie wärmt das Material aus dem die Sonne besteht auf, das warme Material steigt bis an die Oberfläche, gibt die Energie dort ab, wird kühl und sinkt wieder nach unten. Bei sehr kleinen Sternen setzt die Konvektion aber schon viel früher ein und kleine rote Zwerge sind vermutlich sogar vollständig konvektiv. Das heißt, das Material des Sterns wird direkt im Kern aufgeheizt und steigt von dort bis zur Oberfläche bevor es wieder absinkt. Das ganze Material des Sterns wird ständig durchmischt. Die Bewegung des Gases in Sternen ist aber auch für deren magnetische Aktivität verantwortlich, wie ich in Folge 10 der Sternengeschichten erklärt habe. Bei den komplett konvektiven roten Zwergen kann sich so eine enorm starke Aktivität entwickeln. Während die Sonnenflecken bei unserer Sonne zum Beispiel nur einen kleinen Bruchteil ihrer Oberfläche bedecken kann ein roter Zwerg Flecken haben, die ihn fast zur Hälfte bedecken. Und entsprechend stark sind dann auch die Sternstürme und Protuberanzen die jede Menge Strahlung und Teilchen ins All schleudern. Die Planeten roter Zwerge sind also nicht nur sehr viel näher an ihren aktiven Sternen sondern auch noch einer wesentlich stärkeren Aktivität ausgesetzt. Diese sehr viel stärker kosmische Strahlung könnte die Entwicklung des Lebens dort ebenfalls be- oder sogar verhindern.
Der einzige Vorteil den rote Zwerge ihren Planeten bieten können ist ihre lange Lebensdauer. Durch die starke Konvektion gelangt ständig Material aus ihren äußeren Schichten in den Kern wo es als Brennstoff für die Kernfusion dienen kann. Während die Sonne schon nach etwa 10 Milliarden Jahren aufhört zu leuchten weil sie den ganzen Brennstoff in ihrem Kern verbraucht hat und von den äußeren Schichten nichts mehr nachkommt, können rote Zwerge viele 100 Milliarden oder gar Billionen Jahre lang leuchten. Das nützt dann aber auch nicht viel, wenn auf den Planeten des roten Zwergs kein Leben existieren kann, weil die Bedingungen dort so mies sind.
Rote Zwerge sind die häufigsten Sterne und sehr viele von ihnen haben Planeten. Dass wir auf der Erde trotzdem einen gelben Stern umkreisen liegt aber vielleicht daran, dass all diese Planeten nicht geeignet für die Entwicklung von Leben sind. Das Universum wäre in dem Fall eine große, lebensfeindliche rote Wüste mit ein paar winzigen gelben Oasen auf denen Leben existieren kann…
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