70 Jahre lang gab es im Sonnensystem einen Planet, der “Georg” hieß. Echt jetzt! Und warum heißen die Planeten eigentlich so, wie sie heißen? Im Sternengeschichten-Podcast schlagen sich heute die Götter und die Menschen um die besten Namen! Und ich erkläre, wo die Namen der Planeten herkommen und wie heftig darüber gestritten wurde.
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Transkription
Sternengeschichten Folge 231: Ein Planet namens George
Die Namen der Planeten unseres Sonnensystems lernt jeder in der Schule: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Aber warum heißen die Planeten so, wie sie heißen? Und wieso gab es eine Zeit lang einen Planeten, der George genannt wurde? Die Namen der Himmelskörper machen deutlich, dass hier die Mythologie eine wichtige Rolle spielt. Wie genau alles angefangen hat, lässt sich nicht mit Sicherheit rekonstruieren. Aber schon die Babylonier haben den hellen, sich am Himmel bewegenden Lichtpunkten die Namen ihrer Götter gegeben und die Griechen haben dieses Konzept bei ihrer Betrachtung des Nachthimmels übernommen.
Sonne und Mond waren und sind die auffälligsten Himmelskörper und wurden in so gut wie allen frühen Kulturen direkt als Gottheiten verehrt. Bei den Griechen waren das Helios der Sonnengott und Selene, die Personifikation des Mondes. Der deutsche Name “Sonne” stammt aus der nordischen Mythologie wo die Sonnengöttin auf altnordisch Sól und auf althochdeutsch dann Sunna genannt wurde. Das Wort “Mond” stammt vom indoeuropäischen “*menes” ab, das “messen” bedeutet und zeigt, dass der Mond schon von Anfang für die Zeitmessung verwendet wurde wie man ja auch am verwandten Wort “Monat” sehen kann. Heute wissen wir, dass Sonne und Mond keine Planeten sind – aber die echten Planeten haben alle ebenfalls mythologische Namen.
Der sonnennächste Planet hieß bei den Griechen Hermes, nach dem flinken Götterboten der vermutlich ein gutes Symbol für den sich schnell bewegenden Planeten war. Der sonnennahe Nachbar der Erde war Aphrodite, die Göttin der Liebe und Ares, der Kriegsgott wurde der rot leuchtende zweite Nachbarplanet der Erde zugeordnet. Zeus bekam den großen und hellen Lichtpunkt der sich langsamer als die anderen über die Himmel bewegt und noch langsamer war Kronos, Sohn von Erde und Himmel und Vater des Zeus. Diese griechischen Namen verwenden wir heute allerdings nicht mehr; wir benutzen die Götternamen die die Römer verwendet haben, als sie sich mit den griechischen Texten beschäftigt haben. Hermes wurde zu Merkur; Aphrodite zur Venus, Ares zum Mars; Zeus zu Jupiter und Kronos zu Saturn. Und die Erde? Die erkannte man lange Zeit auch nicht als Planet und sie hat auch keinen mythologischen Namen – sonst müsste sie entweder Gaia nach der griechischen Personifikation der Erde heißen oder Tellus nach der römischen Göttin der Erde. Die Erde war das, was schon immer schon da war und das zeigt sich auch daran, dass dieses Wort in allen Sprachen der indoeuropäischen Sprachfamilie gleich klingt: Erde auf deutsch, “Aarde” auf niederländisch, “Earth” auf englisch, “jord” auf dänisch und so weiter – all diese Wort kommen von der indoeuropäischen Basis “er”, die den
Boden unter unseren Füßen beschreibt. In den romanischen Sprachen kann man die Ähnlichkeit in den französischen Begriff “terre” oder dem italienischen “terra” finden. Selbst die semitischen Sprachen klingen ähnlich, zum Beispiel “ard” in arabisch oder “arets” auf hebräisch, was darauf hindeutet, dass dieses Wort schon wirklich alt ist und die Grundform schon lange existiert hat bevor sich die modernen Sprachen herausgebildet haben. Übrigens: Es gibt keinen offiziellen, international verbindlichen Namen für Sonne, Mond und Erde. Die oft gehörte Behauptung, man würde sie “Sol”, Terra” und “Luna” nennen entstammt der Science-Fiction-Literatur. In der Astronomie tauchen diese Bezeichnungen für die Himmelskörper nicht auf – beziehungsweise höchstens dann wenn sich spanische und italienische Astronomen unterhalten…
Aber richtig interessant wird die Namensgebung der Planeten bei denen, die nicht schon immer bekannt war. Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sind ja diejenigen der Himmelskörper, die man mit freien Auge sehen kann. Für den Rest des Sonnensystems brauchte man Teleskope die gut genug sind und die gab es erst im 18. Jahrhundert. Da entdeckte der britische Astronom Wilhelm Herschel im Jahr 1781 einen bis dahin unbekannten Planeten. Das war etwas, mit dem man nicht wirklich gerechnet hatte – man ging davon aus, dass das Sonnensystem hinter dem Saturn zu Ende sei. Dass da jetzt noch weiter noch ein Planet seine Runden zieht war überraschend – aber trotzdem brauchte der neue Himmelskörper einen Namen. Es gab natürlich jede Menge Vorschläge. “Hypercronius” zum Beispiel, was so viel heißt wie “über Saturn” und beschreiben sollte, dass der Planet sich hinter Saturn befindet. Der damalige königliche Astronom in England, Nevil Maskelyne bat Herschel, er solle selbst einen Namen aussuchen und Herschel tat genau das. Er nannte Himmelskörper “Georgium Sidus” was soviel wie “Georges Stern” bzw. “Georges Planet” bedeutet. “George” war dabei der König George III der Herschel nach der Entdeckung des Planeten finanziell unterstütze. Herschels Namenswahl war also dazu gedacht, seinen Geldgeber zu ehren; er führte aber auch ideologische Gründe an. Ja, die restlichen Planeten wurden nach Göttern benannt, aber jetzt würde man in einem aufgeklärteren, wissenschaftlichern Zeitalter leben und sollte das auch in der Wahl der Planetennamen berücksichtigten. Also entschied er sich gegen die Götter und für die Monarchie (der Text der “Internationalen” war damals noch nicht geschrieben…) – und wies noch darauf hin, dass mit diesem Namen jeder sofort wissen würde, wann der neue Planet entdeckt wurde: Während der Regierungszeit von George, dem Dritten.
In England war man durchaus nicht unzufrieden, den neuen Planeten George zu nennen. Die anderen Länder, allen voran die Franzosen fanden es dagegen nicht so berauschend, den König von Großbritannien für alle Zeiten am Himmel verewigt zu sehen. Der französische Astronom Jérôme Lalande schlug daher vor, den Planeten doch einfach nach seinem Entdecker “Herschel” zu nennen. Andere Vorschläge griffen wieder auf die Mythologie zurück; der Name des Meeresgottes “Neptun” wurde ins Spiel gebracht – was den Engländer auch gefiel, aber gleich in “Neptun Great Britain” abwandelt wurde um die Siege der britischen Marine im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu feiern.
Während Engländer und Franzosen sich stritten, schlug derweil der deutsche Astronom Johan Elert Bode den Namen “Uranus” vor. Er war der Ansicht, man sollte vom mythologischen Konzept der Namensgebung nicht abweichen und was wäre besser, als die Verwandtschaftsbeziehungen am Himmel einfach fortzusetzen. Saturn ist der Vater von Jupiter – und Uranus, die Verkörperung des Himmels, der Vater des Saturn. Dabei brachte er allerdings die römischen und griechischen Götter ein wenig durcheinander. Uranus bzw. eigentlich “Uranos” ist in der griechischen Mythologie der Vater von Kronos; die korrekte römische Entsprechung wäre Caelus gewesen. Aber egal – der Name nahm Fahrt auf. Als der Chemiker Martin Klaproth 1789 ein neues Element entdeckte, nannte er es in Unterstützung von Bode “Uran” und immer mehr Astronomen verwendeten es. Am längsten dauerte es natürlich in England, bis sich der neue Name durchsetze. Dort hat man noch bis 1850, also fast 70 Jahre lang, “Georgium Sidus” anstatt “Uranus” verwendet.
Im 19. Jahrhundert stand dann auch gleich die nächste Planetentaufe auf dem Programm. Der Franzose Urbain Le Verrier sagte die Existenz eines weiteren Planeten voraus der dann vom deutschen Johann Gottfried Galle gefunden wurde. Galle wollte ihn dann auch benennen und schlug “Janus” vor. In England war man für “Okeanus”, dem griechischen Verkörperung der Meere. Le Verrier, der Hauptverantwortliche für die Entdeckung war eher für die griechische Entsprechung, nämlich “Neptun”, änderte dann aber schnell seine Meinung und wollte den Planeten lieber nach sich selbst, also “Le Verrier” benennen. Dafür fand er Unterstützung in Frankreich, aber – wenig überraschend – nicht in England. Um Le Verrier zu unterstützen änderte man in den französischen Nachschlagewerken sogar den Namen von Uranus wieder auf “Herschel” um so klar zu machen, dass Planeten nach ihren Entdeckern benannt werden sollten. Damit kamen sie aber nicht durch und Le Verriers ursprünglicher Name “Neptun” setzte sich international durch.
Bleibt noch Pluto. Der ist zwar seit 2006 kein Planet mehr – und warum das gut so ist habe ich unter anderem in Folge 90 der Sternengeschichten erzählt – wurde aber 1930 im Jahr seiner Entdeckung so bezeichnet. Auch hier hat es ein wenig gedauert, bis er zu seinem Namen kam. Entdeckt hat ihn der amerikanische Astronom Clyde Tombaugh an der vom Astronomen Percival Lowell gegründeten Sternwarte. Lowell war selbst lange auf der Suche nach einem weiteren Planeten gewesen, starb aber ohne Erfolg gehabt zu haben. Lowells Witwe war eine der ersten die Vorschläge für einen Namen machte. Sie probierte es mit “Zeus”, dann mit “Percival” und schließlich sogar mit “Constance”, ihrem eigenen Vornamen. Am Ende gab es drei Vorschläge unter denen die Mitarbeiter der Lowell-Sternwarte abstimmten. “Minerva”, nach der römischen Göttin der Weisheit, was eigentlich ein recht schöner Name gewesen wäre – wenn da nicht ein schon zuvor entdeckter Asteroid mit genau diesem Name existieren würde. Der zweite Vorschlag lautete “Kronos”. Das wäre einerseits verwirrend gewesen, weil es ja die griechische Entsprechung des römischen Saturn ist und den gab es ja schon. Außerdem stammt der Vorschlag von Astronom Thomas Jefferson Jackson See, der aufgrund seiner vielen spektakulären Entdeckungen die sich alle als Einbildung erwiesen haben relativ unbeliebt war. Blieb der dritte Vorschlag: “Pluto”. Dieser Vorschlag stammte von einem elfjährigen Mädchen, Venetia Burney, die am 14. März (übrigens dem Geburtstag von Albert Einstein und dem internationalen Pi-Tag) 1930 in einer Zeitung einen Artikel über die Entdeckung des Planeten las. Sie interessierte sich für die Mythologie der Römer und Griechen und kam auf die Idee, den Planeten “Pluto” zu nennen. So heißt in der römischen Mythologie der Gott der Unterwelt und das ist durchaus passend für einen Planeten der sich so weit von der Sonne entfernt im dunklen All befindet. Der Großvater von Venetia hatte glücklicherweise ein paar Astronomen in der Bekanntschaft und so gelangte der Vorschlag an die Lowell-Sternwarte, wo er dann auch angenommen wurde.
Ganz aus dem Nichts kam der Name aber nicht. Schon vor der Entdeckung des Pluto hatten Astronomen über die Existenz von Planeten außerhalb der Neptunbahn spekuliert und diesen damals noch hypothetischen Planeten auch Namen gegeben. Vor allem in deutschen Büchern taucht da oft der – mythologisch naheliegende – Name “Pluto” auf. Davon wird Venetia aber vermutlich nichts gewusst haben und ob die amerikanischen Astronomen die alten Texte ihrer deutschen Kollegen kannten ist unklar.
Ohne Zweifel dagegen steht aber fest, dass der Planet NICHT nach dem berühmten Hund von Mickey Mouse benannt wurde. Der bekam seinen Namen erst nach der Entdeckung des Planeten.
Nach Pluto hat man keinen weiteren Planeten im Sonnensystem mehr entdeckt. Es kann durchaus sein, dass wir irgendwann in der Zukunft noch ganz weit außen in den fernsten Region des Sonnensystems einen größeren Himmelskörper identifizieren und ihm einen Namen geben müssen. Wie der lauten wird, weiß jetzt natürlich keiner. Aber es würde mich überraschen, wenn der Name dann nicht aus der griechisch-römischen Mythologie stammen würde. Manche Traditionen kann man eben nicht so einfach ändern…
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