Der April geht zu Ende und es ist wieder Zeit für die monatlichen Buchempfehlungen. Ich habe wieder ausgiebig gelesen und wenn auch nicht alles empfehlenswert war gab es doch ein paar Werke, bei denen ich mich freue sie euch vorstellen zu können.
Zeitreisen
Zum Beispiel die Zeitreise-Bücher von Connie Willis. Wer sich noch an die Buchempfehlungen von Dezember 2016 erinnert, erinnert sich auch noch an die Zeitreise-Serie von Jodi Taylor. Die handelt von Historikern einer englischen Uni die in der nahen Zukunft per Zeitreise die Vergangenheit erforschen. Die Bücher von Connie Willis spielen in Oxford, in einer nahen Zukunft und es geht ebenfalls um Historiker die ihre Arbeit per Zeitmaschine erledigen. Trotzdem haben die beiden Werke kaum etwas miteinander zu tun. Taylors Bücher waren auf eine karikaturhafte Weise absurd; die Bücher von Willis (die auch alle lange vor denen Taylors erschienen sind), sind ganz anders.
Auch hier findet sich ein für die Science-Fiction ungewöhnlicher Humor; aber es ist eine ganz andere Welt in der man als Leser ohne Vorwarnung geworfen wird. Und genau das ist auch schon eines der Dinge, die Willis’ Bücher so interessant machen. Es gibt keine der in der Science-Fiction üblichen Einführungen um das World-Buildung zu erklären. Man wird direkt in die Welt geworfen und muss sich Stück für Stück zusammenreimen, was da eigentlich abgeht.
Das erste Buch der Serie heißt “The Doomsday Book” (auf deutsch: “Die Jahre des schwarzen Todes”): Im Jahr 2050 gibt es anscheinend Zeitreisetechnologie, die aber hauptsächlich von Historikern genutzt wird. Die Welt ist ein wenig paranoid was Krankheiten und Seuchen angeht weil sie offensichtlich ein paar massive Epidemien mit enormen Todeszahlen überstanden hat. Die klassischen Kirchen sind den Bach runter gegangen und durch seltsame neue christliche Variationen ersetzt worden. Und eine junge Studentin macht sich auf den Weg ins frühe 14. Jahrhunderte um mehr über das Mittelalter herauszufinden.
Normalerweise reisen die Protagonisten von Zeitreiseromanen ja immer zu “spektakulären” Ereignissen; sie schauen bei Jesus’ Kreuzigung zu oder dem Brand der Bibliothek von Alexandria. Sie besuchen die Krönung von Königen, den Tod von Helden, und so weiter. Nichts davon passiert bei Willis. Die Studentin Kivrin reist in ein winziges, dreckiges Dorf in der Provinz und bleibt dort. Dort gibt es keine historische Prominenz, keine weltbewegenden Ereignisse – nur den Alltag der Menschen. Den Alltag, den Dreck, das harte Leben und den Tod durch Seuchen. Den gibt es auch in der Parallelhandlung die in der Gegenwart des Jahres 2050 spielt die ebenfalls von einer Seuche heimgesucht wird. Und während Kivrin probiert im Mittelalter zu überleben, probiert ihr Mentor an der Uni dem Pandemie-Chaos und der Quarantäne irgendwie Herr zu werden um seine Studentin wieder zurück holen zu können.
Ich fand das Buch großartig! Vor allem die intensive Darstellung des Lebens der Menschen in ihrem abgeschiedenen Dorf. So eindrücklich hab ich das in noch keinem anderen belletristischen Werk erlebt. Und es ist eines der wenigen Bücher die wirklich bis zum Schluss spannend bleiben und man keine Ahnung hat, wie es ausgehen wird!
Der zweite Band der Serie heißt “To say nothing of the dog” (auf deutsch: “Die Farben der Zeit” und ist ebenso großartig. Obwohl es von der Stimmung her ganz anders ist: nicht mehr depressiv-düster wie die Seuchenwelt von “Doomsday Book” sondern eher behaglich-absurd, was natürlich auch mit den unterschiedlichen Schauplätzen zu tun hat. Es geht nicht mehr um die Rettung vor Krankheit und Tod sondern um die Sache nach einer “Bird stump vase” (ich empfehle eine Google-Bildersuche um das ganze Ausmaß der keramischen Schauerlichkeit dieser Objekte erfassen zu können) und die Rettung einer verschwundenen Katze. Und anstatt des winterlichen Mittelalters spielt die Geschichte an der sommerlichen Themse des viktorianischen Zeitalters. Eine stinkreiche Milliardärin hat es sich in den Kopf gesetzt, die im 2. Weltkrieg zerstörte Kathedrale von Coventry wieder aufzubauen. Originalgetreu. Extrem originalgetreu. Mit umfangreichen Spenden hat sie sämtliche Historiker von Oxford rekrutiert und hetzt sie durch die Weltgeschichte um jedes Detail der Kathedrale in der Vergangenheit aufzuzeichnen. Unter anderem eben auch die Details zur Blumenvase des Bischofs, um die sich der junge Ned kümmern soll. Durch die vielen Zeitreisen extrem “time lagged” und kaum noch eines klaren Gedankens fähig landet er mit einem Spezialauftrag auf einmal im viktorianischen Zeitalter, um eine Katze zurück zu bringen die eine andere Historikern dort aus der Vergangenheit in die Gegenwart gebracht hat. Etwas, das laut Zeitreisephysik eigentlich nicht möglich sein sollte…
Beim Versuch, die Geschichte vor Paradoxien zu schützen erlebt Ned entlang der Themse Abenteuer die sich wie eine Mischung aus Downton Abbey, Per Anhalter durch die Galaxis, P.G. Wodehouse und Monty Python lesen. Großartig!
Zu der Serie gehört eigentlich auch noch die Kurzgeschichte “Fire Watch” (in diesem Band zu finden), die vor den beiden anderen Büchern erschienen ist und während des 2. Weltkriegs in London spielt. Die beiden folgenden Bände “Blackout und “All clear” (auf deutsch: “Dunkelheit” und “Licht”) haben ich im April nicht mehr geschafft, werden dann aber auf jeden Fall in den Buchempfehlungen für Mai auftauchen.
Alien-Entführung mal anders
Ganz anders ist die Geschichte in “The Return” von Josef Helmreich und ich bin nicht ganz sicher was ich davon halten soll.
Die Ausgangslage ist originell: Man kennt ja die Geschichten von UFO-Sichtungen und Alien-Entführungen. Es gibt immer nur verwackelte Bilder, anekdotische Geschichten, und absolut keine brauchbaren Belege. In “The Return” dagegen ist es anders. Der Astronom Andrew Leland, früher ziemlich genial und heute hauptsächlich als Wissenschaftserklärer in den Medien prominent steht in der Wüste und kommentiert fürs Fernsehen eine Mondfinsternis. Bis er dann plötzlich von einem hellen Punkt am Himmel per Lichtstrahl emporgehoben wird und verschwindet. Alles live per HD-Fernsehen in alle Welt ausgestrahlt; es gibt also keinen Zweifel am Ereignis und an der Existenz von Aliens. Nur: Die lassen nix mehr von sich hören und auch Leland bleibt verschwunden. Bis der junge Physik-Student Shawn Ferris auf einmal von einer mysteriösen Geheimorganisation rekrutiert wird – und erfährt was wirklich hinter der Sache steckt. Oder zumindest glaubt, es erfahren zu haben…
Wie gesagt: Die Idee hinter dem Buch ist originell. Das Buch ist flott und gut geschrieben. Aber irgendwie bin ich doch unbefriedigt zurück geblieben. Man hätte viel mehr aus der Geschichte machen müssen! Ich fand zwar die Idee mit der Darstellung der Aliens (bzw. deren Nicht-Darstellung – mehr will ich nicht sagen um nicht zu spoilern) sehr gut. Aber am Ende blieb das alles ein wenig zu vage. Ich hab das Gefühl, da hätte man mehr rausholen können; das Ende des Buchs wirkt irgendwie so als hätte Helmreich die Lust verloren. Aber lest es am besten selber und bildet euch eure eigene Meinung!
Reisen in die Provinz
Bald ist ja wieder Urlaubszeit und wenn ihr noch auf der Suche nach Reisezielen seid, kann ich euch das Buch “Ab vom Schuss: Reisen in die internationale Provinz” von Andrea Diener empfehlen. Sie ist Reisejournalistin bei der FAZ und einigen vielleicht auch aus der Podcast-Serie “Frau Diener verreist” mit Holger Klein bekannt. In “Ab vom Schuss” tut sie das, was ich selbst auch sehr gerne tue und besucht die Provinz. Es ist ein Trugschluss, dass es nur in Metropolen und touristischen Zentren beeindruckende Dinge zu sehen gibt. Auf meinen vielen Fahrradtouren und Wanderungen habe ich die Provinz von allen Seiten betrachtet und wenn man sich nur ausreichend Zeit nimmt, findet man dort immer was über das es sich zu berichten lohnt. Andrea Diener auf jeden Fall hat jede Menge Berichtenswertes entdeckt. Und die Provinz findet man überall: In China (und wer glaubt das sich chinesische Touristen in Europa seltsam benehmen sollte unbedingt lesen was Andrea Diener über die Ausflüge der Chinesen in China berichtet!), in Sibirien, in Japan oder in Burundi. Aber genau so in Deutschland: Allein für den Bericht über Dieners mehrtägigen (!!) Urlaub im “Tropical Islands”-Freizeitpark in Brandenburg lohnt sich der Kauf des Buches! Ich als Wahl-Thüringer war natürlich besonders begeistert von Andrea Dieners Liebeserklärung an den Thüringer Wald – und das ist ein Punkt, den man auf jeden Fall erwähnen sollt. Nicht den Thüringer Wald (obwohl sich dessen Erwähnung immer lohnt), sondern die Tatsache, dass Andrea Diener sich nie über die Provinz lustig macht (ok, fast nie 😉 ) und nie abwertend über ihre Reiseziele schreibt. Sie behandelt die Provinz mit dem Respekt der ihr zusteht. Der Arsch der Welt ist oft genug wirklich ein Arsch – aber stellt euch vor, ihr müsstet ohne euer Hinterteil auskommen. Die Provinz ist in ihrer Irrelevanz doch immer relevant und diesen Widerspruch hat Andrea Diener in ihrem Buch wunderbar dargestellt. Mit ihren Worten und vor allem auch mit den sehr schönen Fotos.
“Ab vom Schuss” ist ein großartiges Buch um sich auf den kommenden Urlaub einzustimmen. Man muss ja nicht unbedingt in die Provinz verreisen – aber man sollte auf jeden Fall lesen was Andrea Diener über sie schreibt.
Krimis
Und dann waren da noch jede Menge Krimis. Ich hatte ja im März wieder mal angefangen einen Schwung Krimis zu lesen, war von den meisten enttäuscht – habe aber auch ein paar sehr gute entdeckt. Ein paar waren noch übrig und die habe ich im April hinter mich gebracht. Aber nicht alle waren schlecht! Besonders gefallen haben mir die Bücher von Lisa Gallauner. Ihre Krimis spielen in meiner alten Heimat; in Krems und der niederösterreichischen Wachau. Es handelt sich um die sechs Bände: “Teufelsstimmen”, “Teufelsmahl”, “Teufelssturz”, “Teufelsmauer”, “Teufelsstrand” und “Teufelsbotschaft”. Gut, das “Teufel” im Titel ist ein wenig erzwungen, aber ansonsten hatte ich nichts auszusetzen. Krems und die Wachau sind in den Büchern wirklich gut getroffen. Chefinspektor Hans Meierhofer und sein Kollege Stefano Staudinger sind ein äußerst sympathisches Ermittlerduo und die Geschichten erzählen gerade so viel vom persönlichen Leben der Polizisten das es nicht aufdringlich wirkt. Die Fälle und Verbrechen sind originell und man weiß nicht schon von Anfang an, wie die Sache ausgeht. Wer Regionalkrimis mag sollte Gallauners Bücher auf jeden Fall lesen.
Gallauners aktuelles Buch heißt “Mörderisch & Fesch” und wieder muss ich den etwas erzwungenen Titel kritisieren. Das ist aber auch das einzige was man an diesem “Dorfkrimi” bemängeln kann. Der Dorfpolizist Friedrich Fesch und die junge Kommissarin Michaela Mörderisch sind ein cooles Team. Es geht um dörfliche Idylle, um Schönheitswettbewerbe in der Provinz und wenn der Ort in dem sich alles abspielt auch fiktiv ist, ist er doch ein glaubwürdigs Abbild eines niederösterreichischen Dorfes und seiner Bewohner.
Ebenfalls sehr gerne habe ich die in München spielenden Krimis von Andreas Schröfl gelesen: “Brauerehre”, “Altherrenjagd” und “Schlachtsaison”. Alfred Sanktjohanser, genannt “Sanktus” ist Ex-Polizist, Ex-Weltenbummler, Ex-Bierbrauer, Ur-Münchner und Lebenskünstler. Immer wieder gerät er in polizeiliche Ermittlungen und hilft mit seinen Ex-Kollegen von der Brauerei bei den Ex-Kollegen von der Polizei aus. Es gibt Tote im Braukessel; Tote in Studentenverbindungen und am Ende einen waschechten Münchner “Jack the Ripper”. Auch die Bücher kann ich nur empfehlen.
NICHT empfehlen kann ich dagegen den Krimi “Donauabwärts” von Carsten Klemann. Ich hab keine Ahnung was das sein soll. Ein “Weinkrimi”, steht auf dem Cover. Dafür wäre die Wachau auch ein wirklich guter Schauplatz, aber davon merkt man nichts. Das Buch spielt zwar dort – aber Klemann kann sich nicht wirklich gut mit der Gegend beschäftigt haben. Dafür macht er zu viele Fehler was die Geografie angeht. Ok, es mag jetzt nur mich als Kremser stören wenn die fiktiven Kremser in Klemanns Buch das “Steiner Tor” andauernd “Steinernes Tor” nennen – aber ein lieblos recherchiertes Buch liest sich eben auch dann lieblos wenn man die Fehler nicht bemerkt. Und vor allem ist es komplett wirr und unglaubwürdig was die Handlung angeht. Irgendwelche Leute klauen seltene Weinflaschen aus Weinkellern. Irgendwelche Leute bringen einander um; irgendwelche Weinfreaks wollen die Morde selbst aufklären – aber nichts von dem was die Typen in dem Buch treiben ist auch nur ansatzweise nachvollziehbar.
Bedingt empfehlen kann ich “Im Namen der Venus” von Natalie Mesensky. Grundlage der Handlung ist die reale Geschichte des Funds der “Venus vom Galgenberg” in der Nähe von Krems, mit 36.000 Jahren die älteste Venusfigur der Welt. Es geht um Ritualmorde und eine junge Archäologin ist in beratender Funktion bei der Polizei eine der Hauptermittlerinnen. Die Geschichte ist originell – besonders das Nachwort das von der echten Archäologin die die echte Venus gefunden hat geschrieben wurde – aber ein klein wenig verworren und nicht ganz so flott geschrieben wie man sich das gewünscht hätte.
Und dann war da noch “Klosterbräu” von Silke Porath und Andreas Braun. Ein Krimi der in einer baden-württembergischen Kleinstadt spielt; mit Kloster und Brauerei. Der Chef von letzterer wurde in der Kirche von ersterem gefunden und zwar tot. Die Polizei ermittelt – und auch Pater Pius, der für meinen Geschmack zu sehr an Pater Brown erinnert. Trotzdem wäre es ein ganz netter Krimi – wenn da nicht die unnötig nervigen Zwischenkapitel von “Radio Donauwelle” wären. Keine Ahnung was das soll, aber alle paar Seiten wird der Krimi durch ein Transkript einer fiktiven Radiosendung unterbrochen in der sich die schlimmste Kategorie von Dudelfunk-Moderatoren über Zeug unterhalten das nix mit der Handlung zu tun.
Das war der April. Jetzt kommt der Mai und mit ihm langsam die Saison für die Urlaubsbücher. Welche Bücher nehmt ihr mit auf eure Reise? Welche sollte man unbedingt gelesen haben, wenn man sich so richtig schön entspannen will? Ich bin wie immer dankbar für eure Tipps!
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