Schwarze Löcher. Man könnte ganze Bücher über die Dinger schreiben. Man hat ganze Bücher über die Dinger geschrieben! Und wir mit Sicherheit noch jede Menge mehr Bücher schreiben. Schwarze Löcher gehören nicht nur zu den astronomischen Objekten an denen die Öffentlichkeit am meisten interessiert ist, es sind auch diejenigen Himmelskörper die Wissenschaftler immer noch vor haufenweise ungelöste Rätsel stellen. Und dabei meine ich jetzt gar nicht mal die ganzen quantenmechanisch-kosmologischen Fragen die so lange unbeantwortet bleiben werden bis wir eine Theorie der Quantengravitation haben. Sondern auch so simple Fragen wie: “Wie entstehen die schwarzen Löcher eigentlich?”.
Bei den kleineren schwarzen Löcher wissen wir das mittlerweile recht gut. Sie entstehen wenn ein großer Stern am Ende seines Lebens keinen Brennstoff mehr hat und unter seinem eigenen Gewicht immer weiter in sich zusammenfällt. So weit bis seine gesamte Masse auf so kleinem Raum zusammengedrängt ist, dass ein schwarzes Loch entsteht (siehe dazu u.a. hier). So ein schwarzes Loch hat dann logischerweise in etwa die Masse die zuvor der Stern gehabt hat aus dem es entstanden ist.
Es gibt aber auch schwarze Löcher die viel, viel mehr Masse haben. Millionen bis Milliarden mal mehr als unsere Sonne und solche supermassereichen schwarzen Löcher findet man in den Zentren aller Galaxien. Wir wissen das sie dort sind – aber wir wissen immer noch nicht wie sie entstehen.
Wir wissen aus den Beobachtungen allerdings dass die ältesten dieser Riesenlöcher circa 12,8 Milliarden Jahre alt. Das Universum selbst entstand vor 13,8 Milliarden Jahren – und man muss kein großer Mathematiker sein um ausrechnen zu können das diese supermassereichen schwarzen Löcher irgendwann während der ersten Milliarde Jahre unseres Universums entstanden sein müssen.
Die ersten Sterne gab es schon ziemlich bald nach dem Urknall, ein paar hundert Millionen Jahre später. Und diese ersten Sterne waren vergleichsweise riesig und lebten daher nur kurz. Nach ihrem Kollaps könnten aus ihnen schwarze Löcher mit ungefähr der 100fachen Sonnenmasse entstehen. Bis zu den Millionen Sonnenmassen der supermassereichen Löcher fehlt da aber noch einiges. Diese ganze restliche Materie müssen die Löcher also ziemlich schnell und ziemlich früh in der Geschichte des Universums eingesammelt haben. Die Frage die sich nun stellt lautet: Warum sehen wir nichts davon?
Blöde Frage, könnte man meinen. Immerhin sind es schwarze Löcher. Also Objekte die per Definition kein Licht abstrahlen und absolut gar nichts entkommen lassen. Das ist zwar richtig – heißt aber nicht dass die Dinger unsichtbar sind. Also eigentlich schon – aber ihre Umgebung sollte es nicht sein. Wenn Material auf ein schwarzes Loch fällt, dann tut es da so schnell dass es sich enorm stark aufheizt. Außerdem tut es das nicht in direkter Linie sondern auf spiralförmigen Bahnen. Es bildet sich also eine schnell rotierende Scheibe um das Loch die enorm hell leuchtet weil das Material dort entsprechend stark aufgeheizt wird.
Wenn da also im jungen Universum jede Menge schwarze Löcher Materie fressen dann sollten wir etwas davon sehen. Auf jeden Fall im Röntgenlicht, das dort besonders gerne erzeugt wird und das auch über weite Distanzen gut sichtbar ist. Nur sehen wir nix und das ist eines der vielen Probleme mit den schwarzen Löchern die Wissenschaftler gerne gelöst hätten. Unter anderem Edwige Pezzulli von der Universität Rom und ihre Kollegen. Sie haben zu diesem Zweck einen Fachartikel veröffentlicht (“Faint progenitors of luminous z∼6 quasars: why don’t we see them?”) und sich die Sache mal angesehen.
Bevor wir das auch tun sollten wir uns aber noch kurz dem “Eddington-Limit” widmen. Denn die Strahlung die aus der Scheibe nach außen dringt erzeugt einen ebenso nach außen gerichteten Druck der der nach innen drückenden Gravitationskraft entgegen wirkt. Wird die Umgebung des schwarzen Lochs zu hell und heiß, dann wird dieser Strahlungsdruck so groß, dass das Material nach außen wegfliegt anstatt ins schwarze Loch zu fallen (was kein Widerspruch zur Definition eines schwarzen Lochs ist – es geht hier ja um Zeug das sich außerhalb des Lochs befindet). Ein schwarzes Loch kann also nicht beliebig viel Materie fressen; und die Menge an Material wird durch das Eddington-Limit begrenzt. Zumindest in einem idealisierten Fall bei dem alles schön sphärisch symmetrisch ist, was zwar eine gute Näherung für einen Stern ist (bei dem das Gleichgewicht von Gravitation und Strahlungsdruck ebenfalls wichtig ist) aber nicht für eine Scheibe um ein schwarzes Loch herum. Hier kann die Menge an Material das ins schwarze Loch fällt das Eddington-Limit also auch überschreiten. In dem Fall spricht man von einer “Super-Eddington-Akkretion”.
Warum also könnten wir die wachsenden schwarzen Löcher nicht sehen? Weil irgendwas – zum Beispiel jede Menge kosmische Staubwolken – uns den Blick verstellt. Oder weil es weniger schwarze Löcher gibt als wir denken und wir bis jetzt noch nicht genug Glück bei der Suche hatten. Das sind zwei der vielen Hypothesen die Pezzulli und ihre Kollegen mit theoretischen Modellen untersucht haben und die zumindest prinzipiell wahrscheinlich sein könnten. Allerdings bräuchte man schon viel Pech, wenn wir selbst mit Röntgen-Weltraumteleskopen wie Chandra nix sehen. Und auch die Hypothese das nur ein kleiner Teil der jungen Galaxien supermassereiche schwarze Löcher in ihrem Zentrum hatten stellte sich als eher wenig favorisiert heraus. Stattdessen haben Pezzulli und ihre Kollegen bei ihren Computersimulationen eine andere Hypothese entdeckt.
Und die hat mit dem Eddington-Limit zu tun (was jetzt nicht überraschend kommt da ich ja vorhin schon so ausführlich davon erzählt habe). Die jungen schwarzen Löcher wachsen nicht kontinuierlich sondern nur in vergleichsweise kurzen Phasen in denen eine Super-Eddington-Akkretion stattfindet. Anders gesaht: Die schwarzen Löcher hauen sich während kurzer Fress-Flashes den Wanst so richtig voll und verhalten sich dazwischen ruhig und unauffällig. Und wenn die Dinger nicht kontinuierlich leuchten sondern nur zwischendurch immer mal wieder kurze Helligkeitsausbrüche zeigen, dann ist es kein Wunder wenn wir so große Schwierigkeiten haben, das zu beobachten.
Wie gesagt: Das sind nur Hypothesen die aus Computersimulationen stammen. Am Ende zählt dann doch die Beobachtung. Pezzulli und ihre Kollegen schlussfolgern das wir mehr Beobachtungen brauchen und viel größere Bereiche des Himmels mit Röntgen-Weltraumteleskopen absuchen müssen. Auch wenn die schwarzen Löcher sich nur kurz beim Wachsen beobachten lassen müssten wir zumindest ein paar davon entdecken. Und dann lässt sich auch anhand echter Daten überprüfen ob die Hypothese der kurzzeitig fressenden schwarzen Löcher korrekt ist.
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