Ich bin gerade in Bremen und halte dort an der Uni einen Workshop über Wissenschaftsbloggen. Ich haben den Studenten dort erklärt das es enorm viele verschiedene Wege gibt von Wissenschaft zu erzählen. Wege, die weit über das übliche “Wissenschaftler haben X herausgefunden und ich erkläre euch das jetzt” hinaus geht. Man kann überall etwas finden mit dem sich Geschichten über Wissenschaft erklären lassen. Ich hab mir dann spontan ein paar Prospekte gegriffen die neben dem Hörsaal lagen um das zu demonstrieren. Eines davon war eine offizielle Broschüre der Touristen-Information von Bremen. Die enthält genau das, was solche Broschüren immer enthalten: Infos über Lokale, Restaurants, Hotel, Shopping- und Ausflugsmöglichkeiten, etc und kurze Artikel darüber wie aufregend es ist, am hippen Flussufer und durch die alte Altstadt zu spazieren. Und sie enthält auch genau das nicht, was viel zu oft nirgendwo enthalten ist: Nämlich Geschichten über die Wissenschaft. Obwohl man als Stadt durchaus nicht nur auf seine Shoppingcenter, Künstler und alten Rathäuser stolz sein darf, sondern auch seine Wissenschaft. Das scheint Bremen – zumindest in der offiziellen Broschüre – allerdings nicht zu sein. Abgesehen von der Spalte mit Museumsöffnungszeiten taucht Wissenschaft dort nicht auf. Dabei könnte man das im Fall der sympathischen Hansestadt leicht ändern. Hier ist also mein PR-Text für die nächste Auflage der Broschüre denn ich der Stadt Bremen gerne zur Verfügung stelle 😉
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In Bremen wird es nachts nicht dunkel
Die ersten Strahlen der Morgensonne fallen auf die Statue der Bremer Stadtmusikanten und taucht die kunstvollen Fassaden der Gebäude in ein warmes Licht während ein neuer Tag auf Bremens Marktplatz beginnt, dem Brennpunkt der Innenstadt. Hier schlägt das Herz von Bremen. [Das ist eine Übersetzung des ersten Absatzes aus der englischsprachigen Broschüre]
Wer die Nacht in einem der vielen netten Lokale des “Viertels” verbracht hat; wer den lauen Abend bei Musik und Cocktails am Schlachte-Ufer genossen hat; wer sich von den Cafés und Bars in der Überseestadt nicht lösen konnte: Der liegt heute vielleicht noch ein wenig länger in einem Bett in einem der vielen komfortablen Bremer Hotels und lässt das besondere Licht des Nordens vorerst noch nicht zwischen den Vorhängen hindurch. Aber früher oder später wird es für alle hell in Bremen.
Im 19. Jahrhundert hätte man nun dem Bremer Arzt und Astronomen Heinrich Wilhelm Olbers dabei zusehen können wie er sich nach einer Nacht voller Himmelsbeobachtungen in sein Haus in der Sandstraße zurück zog (und wenn sie heute durch die moderne Sandstraße spazieren, dann vergessen sie auf keinen Fall dem dortigen Dom-Museum einen Besuch abzustatten). Und wer damals den vermutlich müden Doktor zu einem morgendlichen Gespräch überreden konnte, wurde von ihm vielleicht mit der Frage konfrontiert, warum es denn überhaupt hell geworden sei. Warum ist die Nacht dunkel, wo das Universum doch unendlich groß, unendlich alt und voll mit unendlich vielen Sternen ist? Überall vom Himmel müsste ein Stern auf uns herab leuchten; es dürfte keine dunklen Flecken geben und die Nacht müsste so hell wie der Tag sein.
Bei einem Spaziergang entlang der Wallanlagen kann der moderne Besucher nicht nur immer wieder wunderbare Blicke auf das alte Bremen und den früher die Stadt umgebenden Wassergraben werfen sondert trifft auch auf eine Statue von Olbers. Er blickt hinauf in den Himmel und scheint sich immer noch darüber zu wundern wieso es nachts dunkel wird. “Olbers Paradaxon” hat die Astronomen lange beschäftigt und den Namen des berühmten Bremers weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus noch bekannter gemacht als er durch seine Entdeckungen neuer Himmelskörper zuvor schon war.
Erst die moderne Physik und Astronomie konnten Olbers’ alte Frage beantworten. Erst als die Sterne und das Universum das Geheimnis ihrer Entstehung offenbarten konnte man verstehen wieso es nachts doch dunkel wird. Und wer Bremen heute besucht der findet dort nicht nur Olbers’ Statue mit seiner alten Frage sondern auch das gesamte Universum das mit der Antwort aufwarten kann. Gleich neben der Universität und direkt vom Hauptbahnhof mit der Straßenbahnlinie 6 erreichbar kann man im modernen Science Center “Universum” nicht nur einen Spaziergang durch den gesamten Kosmos unternehmen sondern auch gefahrlos ein Erdbeben erleben, in 80 Minuten um die Erde reisen oder eine Expedition durch den tropischen Dschungel unternehmen. Und währenddessen erfahren wieso es Nachts im Universum dunkel wird…
Wer nach diesem aufregenden Tag voller Welterkenntnis ein wenig Ruhe braucht kann sich in eines der vielen Cafés und Restaurants im Stadtzentrum zurück ziehen und dort bei einem Sundowner die Dämmerung genießen. Und sich einer weiteren Besonderheit der Hansestadt an der Weser bewusst werden. Zwar wird es – trotz Olbers – auch hier jede Nacht dunkel. Aber Bremen gehört zu den wenigen deutschen Großstädten in denen im Sommer die astronomische Abenddämmerung direkt in die astronomische Morgenddämmerung übergeht. Wo die Menschen im Süden der Republik des Nachts einen tiefschwarzen dunklen Himmel über sich ertragen müssen können die Bremer in den lauen Sommernächten unter einem maritim, tiefblauen Sternenzelt darauf warten dass die Stadtmusikanten erneut in das warme Licht der norddeutschen Sonne getaucht werden. [Ok, der letzte Absatz ist jetzt ein klein wenig übertrieben. Laue Sommernächte gibts in Bremen nicht 😉 Aber ist ja ein PR-Text um Touristen anzulocken]
P.S. Und natürlich: Das war jetzt nicht ernst gemeint. Aber so rein prinzipiell wäre es durchaus kein Fehler wenn man bei Stadtmarketing auch ein wenig darauf schaut was es so an interessanten wissenschaftlichen Geschichten zu erzählen gibt…
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