Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 251: Lichtgeschwindigkeit
In so gut wie jeder Folge der Sternengeschichten erwähne ich irgendwann mal die Lichtgeschwindigkeit. Kein Wunder, denn die Astronomie ist ja darauf angewiesen das Licht der fernen Himmelskörper zu beobachten, zu analysieren und nur daraus so viel Informationen wie nur irgendwie wie möglich abzuleiten. Da spielt es natürlich auch eine Rolle wie lange dieses Licht und die in ihm enthaltene Information braucht bis es bei uns ankommt. Die Lichtgeschwindigkeit ist darüber hinaus aber auch im Rest der Physik – eigentlich in der gesamten Naturwissenschaft – von absolut fundamentaler Bedeutung. Es lohnt sich daher, einmal ausführlich darüber zu reden.
Die Lichtgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit mit der sich das Licht bewegt. Klingt simpel. Aber es gibt noch sehr viel mehr, was man dazu sagen kann. Und sagen muss, wenn man die ganze Angelegenheit vernünftig verstehen will. Ich habe in Folge 163 der Sternengeschichten schon ausführlich erklärt, wie man in der vergangenen Jahrhunderten probiert hat diese Geschwindigkeit möglichst exakt zu messen. Beziehungsweise wie man erst einmal auf die Idee kommen musste, das Licht überhaupt eine Geschwindigkeit hat. Viele Forscher waren früher ja auch überzeugt, dass es sich unendlich schnell ausbreitet. Mittlerweile kennen wir aber die Geschwindigkeit und wir kennen sie sogar exakt. Sie muss nicht mehr gemessen werden; sie folgt direkt aus den fundamentalen Definitionen der Zeit- und Längeneinheiten die in den letzten Jahrzehnten eingeführt worden sind. Und demnach ist Licht exakt 299.792,458 Kilometer pro Sekunde schnell.
Und da sind wir schon beim ersten Punkt. Denn diese Zahl beschreibt eigentlich nur die sogenannte Vakuumlichtgeschwindigkeit. Also die Geschwindigkeit die das Licht hat, wenn es sich durch den leeren Raum bewegt. Tut Licht das nicht sondern bewegt sich durch irgendein anderes Medium, dann ist es langsamer. Bewegt sich das Licht beispielsweise durch Luft, dann ist es “nur” noch ungefähr 299.705 Kilometer pro Sekunde schnell. Im Wasser kann es sich mit circa 225.000 Kilometer pro Sekunde ausbreiten; in Glas mit etwa 160.000 Kilometer pro Sekunde.
Das hat wichtige Auswirkungen, auch und vor allem für die Astronomie. Denn wenn Licht sich von einem Medium in ein anderes bewegt, dann muss es seine Geschwindigkeit verändern. Es wird schneller oder langsamer und das bedeutet, das es seine Richtung ein wenig verändert. Wer möchte kann das leicht bei einem simplen Experiment zuhause ausprobieren. Man braucht dazu nur einen Laserpointer und durchsichtiges Gefäß mit Wasser. Wenn man den Laserstrahl auf das Wasser richtet dann wird man sehen, dass er die Richtung ändert sobald er die Wasseroberfläche durchdringt.
Das aber passiert nicht nur mit einem Laserpointer sondern mit allen Lichtstrahlen. Dieses Phänomen nennt sich Lichtbrechung und ist eine fundamentale Eigenschaft wenn man sich mit der Optik beschäftigen will. Die Linsen aus Glas oder Plastik die wir für Brillen oder Teleskope benutzen funktionieren nur deswegen, weil das Licht gebrochen wird wenn es auf sie trifft. Nur so kann Licht gesammelt, gebündelt und so weiter werden und nur so können Brillen dafür sorgen das wir besser sehen oder sind Teleskope in der Lage uns ferne Sterne und Galaxien zu zeigen.
Die Lichtbrechung macht den Astronomen die Arbeit aber auch schwer. Das Licht wird ja auch gebrochen wenn es aus dem Vakuum des Alls in die Lufthülle der Erde eindringt. Wie es dabei genau gebrochen wird hängt von den Eigenschaften der Luft ab. Ihrer Temperatur, dem Luftdruck, und so weiter. Man könnte sich einen riesigen Stapel verschiedener optischen Linsen vorstellen die vom Erdboden bis zum Himmel reichen und die das Sternenlicht auf seinem Weg zu uns alle durchqueren muss. Überall wird es ein klein wenig abgelenkt und überall auf eine leicht unterschiedliche Weise. Und weil die Luft der Atmosphäre ständig in Bewegung ist, würden auch all diese fiktiven Linsen ständig durcheinander wirbeln. Das Resultat ist dann kein klares und scharfes Bild des Sterns den wir beobachten, sondern ein unscharfes, flackerndes verschmiertes Objekt. Wenn wir in einer klaren Nicht die Sterne am Himmel flackern und blinken sehen, dann liegt das daran, dass das Licht auf seinem Weg zu uns ständig die Geschwindigkeit ändert.
In Folge 106 der Sternengeschichten habe ich erklärt wie die Astronomen dieses Problem mit der sogenannten “adaptiven Optik” in den Griff bekommen haben. In anderen Bereichen haben sich Wissenschaftler ebenfalls mit der Lichtbrechung beschäftigt und dabei interessante Dinge heraus gefunden. Was für die Luft gilt, gilt für das Wasser natürlich genau so. Licht wird langsamer, wenn es aus der Luft ins Wasser eindringt. Und auch hier hängt es von den Eigenschaften des Wassers ab; von seiner Temperatur und den Stoffen die darin gelöst sind.
Wer sich mit der Produktion von Wein beschäftigt, hat zum Beispiel sicher schon mal den Begriff “Grad Oechsle” gehört. Dabei geht es nicht um kleine Ochsen, sondern um eine Maßeinheit die nach dem deutschen Mechaniker Ferdinand Oechsle benannt ist und bei Traubensaft das sogenannte “Mostgewicht” misst. Dabei handelt es sich um ein Maß für die Menge der Stoffe die im Traubensaft gelöst sind und das ist vor allem Zucker. Und die Qualität des Weins der aus dem vergorenen Traubensaft entsteht hängt ganz stark von dieser Zuckermenge ab – es ist also verständlich das Weinbauern sehr genau darüber Bescheid wissen wollen. Dazu benutzen sie ein Refraktometer, also ein Gerät mit dem sie messen können wie stark das Licht beim Durchgang durch den Traubenmost abgelenkt wird. Und das hängt direkt mit der Menge am im Saft gelösten Zucker zusammen.
Zu messen beziehungsweise zu beeinflusse wie sich die Geschwindigkeit des Lichts in verschiedenen Medien verändert hat unzählige technische Anwendungen. Aus der Tatsache dass das Licht je nach Medium seine Geschwindigkeit verändern kann, folgen aber noch ein paar andere interessante Phänomene.
Albert Einstein hat ja in seiner speziellen Relativitätstheorie aus dem Jahr 1905 festgestellt, dass die Lichtgeschwindigkeit die absolute Obergrenze für die Bewegung durch den Raum ist. Nichts kann sich schneller als das Licht bewegen. Aber auch hier ist eigentlich die Vakuumlichtgeschwindigkeit gemeint. Also: Nichts kann sich schneller als mit 299.792,458 Kilometer pro Sekunde durch den Raum bewegen. Wenn es nicht um das Vakuum geht sondern ein anderes Medium, dann kann man das Licht durchaus überholen. Und das kann man sogar beobachten! In Kernkraftwerken werden zum Beispiel Brennelemente oft in mit Wasser gefüllten Ausklingbecken gelagert. Durch die Radioaktivität geben diese Brennelemente unter anderem Elektronen ab, die sich sehr schnell bewegen. Die Elektronen sind elektrisch geladen; das Wasser durch das sie sich bewegen nicht. Wenn sich nun diese geladenen Teilchen durch das Wasser bewegen, dann geben sie dabei elektromagnetische Wellen ab. Normalerweise löschen sich die Wellen der verschiedenen Teilchen gegenseitig aus und man kriegt davon nichts mit. In diesem Fall bewegen sich die Elektronen im Wasser aber schneller als sich das Licht dort ausbreiten kann. Und Licht ist ja auch nichts anderes als elektromagnetische Strahlung. Die Elektronen sind also schneller als das Licht das sie abstrahlen und die Wellen können sich dann nicht mehr auslöschen. Sie erzeugen ein bläuliches Leuchten, die sogenannte “Tscherenkow-Strahlung”. Sie ist das optische Gegenstück zu einem Überschnallknall der entsteht wenn sich irgendetwas schneller als der Schall bewegt.
Man kann diese Tscherenkow-Strahlung aber nicht nur einfach beobachten; die Astronomen benutzen sie auch um mehr über das Universum herauszufinden. Tscherenkow-Licht gibt es nicht nur in den Abklingbecken von Kernkraftwerken sondern auch wenn sich sehr schnelle Teilchen der kosmischen Strahlung aus dem Weltall in die Lufthülle der Erde bewegen. Im Vakuum des Alls sind diese Teilchen natürlich langsamer als das Licht unterwegs; kaum treffen sie auf die Atmosphäre der Erde sind sie aber plötzlich überlichtschnell, da das Licht hier stärker abgebremst wird als die Teilchen. Es gibt einen kurzen Tscherenkow-Blitz den man mit speziellen Teleskopen beobachten kann. Auch die Teilchenphysiker nutzen das Prinzip wenn sie nach Elementarteilchen wie den Neutrinos suchen und ich habe in Folge 103 der Sternengeschichten mehr davon erzählt.
Überlichtgeschwindigkeit existiert also wirklich. Man kann sie beobachten und man kann die daraus resultierenden Phänomene nutzen. Aber es handelt sich eben immer nur um Überlichtgeschwindigkeit außerhalb des Vakuums. Die 299.792,458 Kilometer pro Sekunde mit denen sich das Licht im Vakuum ausbreitet bleiben weiterhin die absolute Obergrenze für jede Bewegung durch den Raum. Warum das so ist und warum wir uns von den Science-Fiction-Filmen mit ihren überlichtschnellen Raumschiffen keine allzugroße Hoffnung für schnelles Reisen durchs Universum machen sollten: Das erfahrt ihr in der nächsten Folge der Sternengeschichten.
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