Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 254: Der Einfluss der Mondphasen auf den Menschen
Wenn es einen Himmelskörper gibt der uns Menschen schon von Anfang an beschäftigt, dann ist das der Mond. Zusammen mit der Sonne gehört er zu den Objekten die man am Himmel absolut nicht übersehen kann. Die Rhythmen von Sonne und Mond haben schon die Grundlage für die Zeitmessung und die Kalender der allerersten menschlichen Zivilisationen gebildet. Die Himmelskörper waren die Taktgeber für religiöse Feste, für die Aussaat und die Ernte und sie wurden immer wieder verehrt wie Götter.
Es ist kein Wunder das wir Menschen dem Mond ganz besondere Aufmerksamkeit widmen. Er steht nicht nur nachts enorm hell und deutlich sichtbar am Himmel. Er verändert sich auch ebenso sichtbar. Mal ist er eine große Scheibe, mal eine schmale Sichel und mal überhaupt nicht zu sehen. Der Mond kann tagsüber genau so am Himmel zu sehen sein wie nachts. Der Mond ist mal hoch am Himmel und mal tief über dem Horizont. Seine Bewegung ist alles andere als einfach zu beschreiben und wie kompliziert das für die Wissenschaftler war habe ich in Folge 148 der Sternengeschichten ausführlich beschrieben.
Angesichts der prominenten Rolle die der Mond an unserem Himmel spielt ist es auch verständlich wenn man ihm eine ebenso prominente Rolle in unserem Leben einräumt. Und tatsächlich kann man in jedem Buchladen eine Menge Bücher finden die uns genau erklären wie das funktioniert. In einem davon habe ich zum Beispiel das hier gelesen:
“Wenn sie Schuhe bei abnehmendem Mond putzen, bleiben sie länger sauber. Gleichzeitig wird das Leder weniger angegriffen: Der Schuh bleibt länger schön. Für das Imprägnieren mit speziellen Sprays sind Lufttage ideal.”
Ähnliche Ratschläge findet man für die Hausarbeit, die Haarpflege, die Gartenarbeit oder die Ernährung. Wenn man Blumen gießt, Bäume pflanzt, die Haare schneidet, die Fenster putzt oder eine Diät macht, dann sollte man berücksichtigen ob der Mond gerade ab- oder zunimmt und wo der Mond am Himmel steht. Das klingt seltsam. Das ist auch seltsam.
Denn der Mond verändert sich ja genau genommen nicht. Der Mond ist immer der gleiche Mond. Eine große Kugel die im Wesentlichen aus Gestein besteht, 3500 Kilometer im Durchmesser und rund 400.000 Kilometer von der Erde entfernt. Der Mond wird nicht mehr oder weniger wenn er voll oder nur eine Sichel ist. Der Mond wird nicht größer oder kleiner – er bleibt immer der Mond. Das einzige was sich verändert ist unser Blickwinkel auf die von der Sonne beleuchtete Hälfte des Mondes. Der Mond ist natürlich immer zur Hälfte von der Sonne beleuchtet – aber weil er sich um die Erde herum und mit der Erde gemeinsam um die Sonne bewegt sehen wir manchmal die komplette beleuchtete Seite, manchmal aber auch nur einen Teil davon und manchmal auch nur die ganze unbeleuchtete Nachtseite des Mondes. Und je nachdem sehen wir dann einen Vollmond, einen Sichelmond oder Neumond (bzw. sehen wir den dann eben gerade nicht).
Es ändert sich also nicht der Mond sondern nur die Menge an Mondlicht das die Erde erreicht. Aber auch das Mondlicht ist nicht außergewöhnlich. Der Mond leuchtet nicht von selbst, er reflektiert nur das Licht der Sonne. Das Mondlicht ist also Sonnenlicht; genau das gleiche Licht das wir tagsüber in viel größerer Menge direkt von der Sonne bekommen.
Was also soll am oder mit dem Mond passieren das Einfluss darauf haben könnte, wie unsere Blumen wachsen. Was soll daran die Sauberkeit unserer Schuhe beeinflussen? Wenn es das “Mondlicht” wäre, dann müsste das Sonnenlicht den gleichen Effekt haben; nur viel stärker…
Natürlich HAT der Mond einen Einfluss auf die Erde. Viele Lebewesen richten sich nach der durch die Mondphasen erzeugten unterschiedlichen Beleuchtungsbedingungen in der Nacht. Aber auch hier ist es nicht das Mondlicht an sich das den Effekt hat. Wenn Schildkröten beispielsweise bei Vollmond aus dem Meer an den Strand kommen und ihre Eier ablegen, dann tun sie das wegen der dann besseren Beleuchtung. Und ihr Rhythmus kann durch künstliche Lichter durcheinander gebracht werden – was in der Realität auch passiert.
Den Fensterscheiben in unseren Wohnungen ist es dagegen vollkommen egal ob man sie bei Vollmond oder Neumond putzt; genau so ist es vollkommen egal bei welcher Mondphase man Marmelade kocht oder was auch immer einem die “Mondkalender” noch so raten.
Viele Menschen sind der Meinung, dass der Mond einen Einfluss auf ihren Schlafrhythmus hat: Bei Vollmond schlafe man schlechter. Es kann nun natürlich tatsächlich so sein, dass das helle Licht des Vollmonds den Schlaf stört. Aber das ist vermutlich ein eher seltener Fall, dazu müssten die Position des Mondes am Himmel und die Position des Bettes im Schlafzimmer und dessen Fenster gerade so orientiert sein dass das Licht auch tatsächlich aufs Bett fallen kann. Es darf keine Vorhänge geben, keine anderen Gebäude die im Weg stehen, und so weiter. Abgesehen davon stehen heute in den meisten besiedelten Gegenden Straßenlaternen oder andere beleuchtete Gebäude herum die viel heller strahlen als der Mond.
Trotzdem ist der Gedanke das man bei Vollmond schlechter schläft nicht unbedingt nur reine Fantasie – sondern das Resultat eines psychologischen Prozesses der alle Menschen betrifft und dem man sich nur schwer erwehren kann: Der selektiven Wahrnehmung. Jeder von uns schläft manchmal besser und manchmal schlechter; dafür gibt es jede Menge verschiedene Ursachen. Stress, Anstrengung, Probleme, Alkoholkonsum, und so weiter. In manchen solcher Fälle schläft man dann eben einfach schlecht, macht sich aber weiter keine großen Gedanken darüber. In manchen Fällen schläft man aber auch schlecht – und steht dann zum Beispiel aus dem Bett auf. Blickt aus dem Fenster und sieht dort einen Vollmond am Himmel stehen. Das ist ein Erlebnis das wesentlich beeindruckender ist als wenn man sich einfach nur ein paar Mal im Bett hin und her wälzt. Oder aus dem Fenster auf eine dunkle Straße blickt. Dieses beeindruckende Ereignis bleibt uns viel deutlicher im Gedächtnis. Wir erinnern uns auch lange später noch daran dass da ein Vollmond war als wir schlecht geschlafen haben. Und erinnern uns nicht daran, als wir schlecht schliefen und nicht aus dem Fenster gesehen haben.
Am Ende ist es dann nicht schwer aus dieser selektiven Wahrnehmung einen Zusammenhang zu konstruieren: Wir haben schlecht geschlafen WEIL da ein Vollmond am Himmel war. Oder, wenn uns dieser Gedanke schon früher bekannt ist, dann denken wir uns vielleicht direkt: Heute Nacht werde ich wohl wieder schlecht schlafen, denn es scheint der Vollmond. Und wenn wir dann tatsächlich schlecht schlafen, bestätigt das unsere Meinung und wir erinnern uns daran besser als wenn wir einfach so schlecht schlafen oder vielleicht auch zur Abwechslung mal bei Vollmond gut schlafen.
Wirkliche Klarheit bringt hier nur eine Statistik: Wer lückenlos und objektiv aufzeichnet wann der Schlaf gut und wann der Schlaf schlecht ist wird dabei keinen Zusammenhang mit den Mondphasen finden. Das gleiche gilt für die anderen Vollmond-Mythen. Auch wenn es uns wegen der selektiven Wahrnehmung so vorkommen mag als würden bei Vollmond mehr Kinder geboren; mehr Autounfälle oder mehr Verbrechen stattfinden: Die entsprechenden objektiven Statistiken zeigen keinen solchen Zusammenhang.
Und was ist mit den Gezeiten? Die existieren natürlich zweifellos und ihr Einfluss auf die Erde sind unbestritten. Der Mond sorgt für Ebbe und Flut in den Gewässern der Erde und wie er das tut habe ich in Folge 161 der Sternengeschichten sehr ausführlich erklärt. Die Gezeiten entstehen – ganz vereinfacht gesagt – weil unterschiedliche Punkte der Erde unterschiedlich weit vom Mond entfernt sind und deswegen auch von seiner Gravitationskraft unterschiedlich stark angezogen werden. Das gilt im Prinzip auch für uns Menschen. Teile unseres Körpers sind dem Mond immer näher als andere und auch dieser Unterschied verursacht eine Gezeitenkraft in unserem Körper.
Dieser Unterschied ist aber WINZIG. Bei einer Entfernung zum Mond von etwa 400.000 Kilometer spielen die weniger als zwei Meter die ein typischer Mensch groß ist keine Rolle. Damit ein relevanter Gezeiteneffekt entstehen kann braucht es eben ausgedehnte Objekte wie einen Ozean. Beim Menschen ist das komplett vernachlässigbar. Das lässt sich sogar ausrechnen. Die Stärke der Kraft mit der wir vom Mond angezogen werden ändert sich auch wenn sich die Masse unseres Körpers ändert. Wenn wir ein Haar von unserem Kopf verlieren, verringert sich unsere Masse ein ganz klein wenig. Der Mond zieht uns deswegen auch ein ganz klein wenig schwächer an. Der Verlust eines Haares erzeugt also einen Unterschied in der Anziehungskraft des Mondes; so wie es auch bei den Gezeiten der Fall ist. Aber der Gezeiteneffekt ist viel, viel geringer! Was auch immer die Gezeiten des Mondes in unserem Körper angeblich verursachen sollten, müsste beim Verlust eines Haares oder einer Hautschuppe noch viel, viel stärker passieren…
Der Mond ist ein beeindruckender Himmelskörper und er kann unser Leben auf vielfältige Weise beeinflussen. Wenn wir ihn betrachten kann er uns inspirieren. Er kann uns zu künstlerischen Leistungen anregen oder den Wunsch verursachen ihn zu erforschen. Manche Menschen werden vom Anblick des Mondes beeinflusst ein Gedicht zu schreiben; andere wurden inspiriert eine Rakete zu bauen und Menschen dorthin zu schicken. Der Mond kann uns in romantische Stimmung versetzen oder uns melancholisch machen. Sein Licht kann nächtlichen Wanderern helfen den Weg zu finden; seine Gezeitenkraft kann Schiffe zum Sinken bringen.
Unser Alltagsleben, die Gartenarbeit, den Wohnungsputz oder die Sommerdiät müssen wir allerdings selbst auf die Reihe kriegen. Hier hat der Mond absolut keinen Einfluss auf uns Menschen…
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