Es kommt eigentlich so gut wie nie vor dass ich es bereue Astronom geworden zu sein. Sehr viel öfter kommt es vor dass ich mich freue mich gerade dieser Wissenschaft gewidmet zu haben. Denn was da draußen im Weltall so alles herum schwirrt ist immer wieder höchst erstaunlich. Zum Beispiel der Himmelskörper über den Eike Guenther von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg kürzlich in einem Interview mit der Europäischen Südsternwarte berichtet hat. Es handelt sich um den Planet K2-106b und er ist ein echter “Heavy-Metal-Planet”.
Im Jahr 2016 haben Astronomen zwei Planeten entdeckt die den Stern K2-106 (auch bekannt als EPIC 220674823) umkreisen. Das ist jetzt an sich keine große Neuigkeit (Was aber genau genommen ziemlich sensationell ist: Als ich vor 17 Jahren mein Diplomstudium beendet habe, war jeder neu entdeckte Planet der einen anderen Stern umkreist eine große Sensation). Solche Planeten hat vor allem das Weltraumteleskop Kepler in den letzten Jahren zu Hunderten entdeckt. Richtig interessant wurde es aber als sich die Astronomen um Guenther die beiden Planeten genau angesehen haben (“K2-106, a system containing a metal-rich planet and a planet of lower density”).
Denn genau darauf kommt es mittlerweile an. Entdecken kann man Planeten vergleichsweise einfach. Wenn Kepler zum Beispiel das Licht ferner Sterne analysiert und nach den typischen Helligkeitsschwankungen sucht die auf die Existenz eines Planeten hinweist, dann sind die Techniken heute gut genug um das recht einfach zu bewerkstelligen. Aber über die Planeten an sich weiß man da noch nicht viel. Kepler kann herausfinden wie weit ein Planet von seinem Stern entfernt ist und wie groß der Planet ist. Was man mit Kepler nicht messen kann ist zum Beispiel die Masse des Planeten. Aber die ist natürlich wichtig wenn man wissen will wie der Planet zusammengesetzt ist!
Um die Masse zu bestimmen braucht man andere Techniken und genau die haben die Astronomen um Guenther verwendet. Und sind dabei zu erstaunlichen Ergebnissen gelangt. Die Ausgangslage sah so aus: Der Stern ist circa 850 Lichtjahre von der Erde entfernt. Es handelt sich um einen sonnenähnlichen Stern der in engem Abstand von zwei Planeten umkreist wird. Wirklich eng! Der eine braucht nur knapp 13 Tage für einen Umlauf um den Stern; der andere sogar nur wenig mehr als 12 Stunden! Der äußere hat den 2,5fachen Erdradius; der innere Planet den 1,5fachen Erdradius.
Wir bleiben jetzt aber erst Mal beim inneren Planeten, K2-106b. Der hat laut den Messungen von Guenther und seinen Kollegen eine Masse die der achtfachen Erdmassen entspricht. Das ist viel! Und kennt man Masse und Größe, dann kann man daraus sehr leicht die mittlere Dichte berechnen. Die beträgt in diesem Fall 13 Gramm pro Kubikzentimeter! Zum Vergleich: Bei der Erde sind es 5,5 g/cm³ und das ist schon der Planet mit der höchsten mittleren Dichte des gesamten Sonnensystems. Ein Planet wie K2-106b mit so einer enorm hohen Dichte ist außergewöhnlich. Mehr als außergewöhnlich. So ein Planet muss im Prinzip komplett aus Metall bestehen; die Daten und Modelle der Astronomen zeigen dass sein Kern aus Eisen um die 80 Prozent des gesamten Himmelskörpers ausmachen muss.
Normalerweise nennt man Planeten mit erdähnlicher Größe und fester Oberfläche (also Planeten die keine Gasplaneten sind) “Gesteinsplaneten”. Das ist aber nun der erste “Gesteinsplanet” der im wesentlichen komplett aus Metall besteht. Und da stellt sich sofort die Frage: Wie kann so ein Himmelskörper entstehen?
Wir haben so etwas ähnliches auch im Sonnensystem: Merkur. Der kleinste Planet des Sonnensystems hat ebenfalls einen gewaltigen Metallkern der circa 70 Prozent des Planeten ausmacht. Und auch hier ist der Grund nicht ganz klar. Vielleicht hat einen riesige Kollision in der Frühzeit des Sonnensystems einen großen Teil des Gesteinmantels von Merkur entfernt und nur der Kern mit einer dünnen Felskruste ist übrig geblieben. Vielleicht haben auch die Bedingungen in unmittelbarer Nähe der Sonne dafür gesorgt dass kaum Gestein und nur Metall vorhanden war als Merkur sich aus der die junge Sonne umgebenden Gas- und Staubscheibe gebildet hat.
Merkur ist aber viel, viel kleiner als K2-106b! Auch hier könnte im Prinzip eine Kollision die Ursache für seine seltsame Zusammensetzung sein. Aber dann müsste der ursprüngliche Planet noch viel größer gewesen sein um so eine riesige Metallkugel als Kollisionsrest hinterlassen zu können. Und die Kollision selbst muss entsprechend gewaltig gewesen sein – was die Sache aber unwahrscheinlich macht. Realistischer ist es da, dass das Ding schon so entstanden ist. Zum Beispiel weil in der Materialscheibe während der Planetenentstehung (fast) nur Metall zur Verfügung stand. Das kann zum Beispiel durch Photophorese passieren: Hat man ein Gas, schmeißt da Staubteilchen hinein und bestrahlt alles mit Licht/Wärme, dann sorgt die erhöhte Bewegung der Gasteilchen dafür dass sich auch die Staubteilchen von der Lichtquelle wegbewegen. So könnte sich das Material in der Frühzeit von K2-106 entsprechend “sortiert” haben so dass im innersten Bereich um den Stern hauptsächlich Metall übrig geblieben ist.
Aber eigentlich wissen wir nicht wie so ein Planet entsteht (was trotzdem kein Anlass ist das Ding für eine Raumstation o.ä. zu halten – nicht vergessen: es ist 1,5 so groß und 8 mal so schwer wie die Erde!). Und genau deswegen sind Entdeckungen dieser Art auch so großartig. Sie zeigen uns, dass es anderswo im Universum ganz anders aussehen kann als bei uns. Dass dort ganz andere Prozesse ablaufen als hier. Dass dort ganz andere Phänomene zu beobachten sind als bei uns. Und dass man dort Dinge lernen kann die wir hier bei uns nicht lernen können!
Planeten wie K2-106b zeigen uns dass es noch sehr, sehr viel über die Entstehung von Himmelskörpern zu verstehen gibt. Mit planetaren Metallkugeln dieser Größe hat vor der Entdeckung von K2-106b niemand wirklich ernsthaft gerechnet. Aber jetzt wissen wir was dass es sie gibt. Und wer weiß was da draußen sonst noch so herum schwirrt von dem wir uns bis jetzt noch nicht vorstellen konnten dass es da herum schwirren kann. Und was wir lernen können, wenn wir es entdecken!
Übrigens: Eike Guenther hat noch eine sehr schöne “Spezial-Pressemitteilung” geschrieben um klar zu machen wie heavy metal dieser Planet wirklich ist! Ihr könnt die Pressemitteilung hier lesen – und schauen, ob ihr alle Anspielungen identifizieren könnt. Viel Spaß damit!
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