Ich weiß, ich hab erst gestern über extrasolare Planeten geschrieben. Aber es ist halt so enorm faszinierend, was man bei der Beobachtung der Begleiter ferner Sterne alles herausfinden kann! Beziehungsweise ist es noch viel faszinierenden, dass man etwas herausfinden kann, ohne die Planeten direkt zu beobachten. Da diese Himmelskörper selbst viel zu schwach leuchten um direkt gesehen zu werden, müssen wir alles indirekt aus dem Licht der Sterne selbst ableiten. Und trotz dieser Schwierigkeiten wächst unser Wissen ständig. Vor wenigen Tagen haben etwa Lauren Biddle von der Lowell-Sternwarte in Arizona und ihre Kollegen Ergebnisse über einen Planeten veröffentlicht, der so jung ist, dass man anfangs dachte, es könne ihn gar nicht geben.

Als im Jahr 2016 die Entdeckung eines Planeten beim Stern CI Tau verkündet wurde, war das zwar keine Sensation aber doch etwas, was die Astronomen mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen haben. Der Stern, 450 Lichtjahre von uns entfernt, befindet sich in einer Sternentstehungsregion im Sternbild Stier. Er gehört zur Gruppe der T-Tauri-Sterne: Das sind Sterne, die eigentlich noch nicht ganz fertig sind. Sie sind noch in Entstehung begriffen, noch nicht komplett aus der sie umgebenden Gaswolke kontrahiert und daher auch noch ein wenig instabil. Ihre Helligkeit schwankt oft – und man dachte, sie wären noch zu jung, um Planeten zu haben. CI Tau ist nur zwei Millionen Jahre alt – das ist quasi nichts in der Welt der Astronomie (unsere Sonne hat schon 4,5 Milliarden Jahre hinter sich!). Trotzdem fand man dort einen Planeten, circa 8 bis 10 Mal so massereich wie Jupiter in einer extrem engen Umlaufbahn auf der er 9 Tage für eine Umkreisung des Sterns braucht.

Künstlerische Darstellung eines jungen Sterns mit dem Zeug, aus dem später (oder früher!) Planeten werden (ESO/L. Calçada)

Künstlerische Darstellung eines jungen Sterns mit dem Zeug, aus dem später (oder früher!) Planeten werden (ESO/L. Calçada)

Bis dahin dachte man, dass es mindestens 10 Millionen Jahre dauert, bis sich so ein Planet bilden kann. Aber offensichtlich geht es auch schneller! So schnell, dass CI Tau nicht nur von diesem Planeten umkreist wird, sondern auch noch von der Scheibe aus Gas und Staub umgeben ist, aus der solche Planeten entstehen. Man hat hier also die Gelegenheit, nicht nur quasi direkt bei der Entstehung von Planeten zusehen zu können. Man kann auch die Interaktion zwischen den gerade entstandenen bzw. in Entstehung begriffenen Planeten und der Scheibe aus Material aus der sie entstehen, beobachten.

Genau das haben Lauren Biddle und ihre Kollegen getan (“K2 reveals pulsed accretion driven by the 2 Myr old hot Jupiter CI Tau b”). Sie haben die Daten des Kepler-Weltraumteleskops genutzt und sich die Helligkeitsschwankungen des Sterns ganz genau angesehen. Dabei haben sie entdeckt, dass es zwei hauptsächliche Perioden gibt, mit der der Stern seine Helligkeit verändert: 6,6 Tage und 9 Tage.

Aus den bekannten Daten über den Stern konnten sie die 6,6 Tage seiner Eigenrotation zuordnen. Gerade junge Sterne wie CI Tau haben viele Flecken und sind – wie schon erwähnt – generell nicht sehr stabil, so dass sich ihre Helligkeit auch im Laufe einer Rotation ändern kann. Die interessante Frage war die nach dem Ursprung der neuntägigen Helligkeitsveränderung. Man könnte meinen, die Antwort wäre klar: Wenn der Planet neun Tage für eine Umkreisung des Sterns braucht, dann verdunkelt er auch alle neun Tage ein wenig von dessen Licht. Aber das funktioniert nur, wenn der Planet von uns aus gesehen direkt vor dem Stern vorüber zieht.

Das tut er aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht. Denn da ist ja noch die Scheibe aus Gas und Staub. Aus deren Beobachtung wissen wir, dass sie (uns gegenüber) um 45 Grad geneigt ist. Und da ein Planet, der in so einer Scheibe entsteht normalerweise sich auch in dieser Scheibe bewegt, wird der Planet von uns aus gesehen nie direkt vor dem Stern vorüber ziehen. Es kann natürlich sein, dass der Planet durch seltsame Umstände (Kollisionen o.ä.) seine Bahnneigung so geändert hat, dass diese nicht mehr mit der Neigung der Scheibe übereinstimmt. Aber das ist unwahrscheinlich und deswegen haben sich Biddle und ihre Kollegen Gedanken über einen anderen Mechanismus gemacht.

Der Planet und der innere Bereich der Scheibe befinden sich beide sehr nahe am Stern. Mit seiner Gravitationskraft kann der Planet Material aus der Scheibe beeinflussen und quasi in Richtung des Sterns umleiten. Er kann also für einen Fluss von Gas und Staub sorgen, dass aus der Scheibe auf den Stern strömt. Die Bewegung des Planeten und seine neuntägige Umlaufdauer moduliert also den Strom von Material auf den Stern und damit auch die Helligkeitsschwankungen, die durch das Auftreffen dieses Materials auf den Stern entstehen.

Dieses Phänomen wurde, laut Biddle und ihren Kollegen, noch nie ausführlich per Computersimulationen untersucht. Aber legt man ähnliche Untersuchungen zugrunde, die bei der Interaktion zwischen zwei schwarzen Löchern und dem dort stattfindenden Materialfluss gemacht wurde, dann passt das ziemlich gut zu dem, was man bei CI Tau beobachtet. Es ist also – wie so oft – noch mehr Forschung notwendig. Aber ich finde es faszinierend, dass wir diese extrem frühe Phase in der Entwicklung eines Planetensystems beobachten können! Wir sehen quasi live dabei zu, was alles passieren muss, damit am Ende ein fertiger Stern mit einem fertigen Planetensystem vorhanden ist!

Kommentare (12)

  1. #1 Fluffy
    23. Januar 2018

    Wie groß /klein sind denn die relativen Helligkeitsänderungen, die man hier vermessen hat?

  2. #2 Alderamin
    23. Januar 2018

    Interessant, dass sich ein Riesenplanet so nahe am Stern bildet – gemäß der üblichen Theorie zur Entstehung von heißen Jupitern sollen die ja eigentlich nur jenseits der Schneelinie entstehen können und dann später erst nach innen wandern. Demnach müsste der Planet so schnell entstanden sein, dass ihm die Strahlung des Sterns noch nichts anhaben konnte (d.h. die flüchtigen Stoffe, die zu seiner Entstehung noch nicht wegblasen).

  3. #3 Montafoner
    Merseburg
    23. Januar 2018

    Schön, daß es immer wieder was völlig Überraschendes gibt! Bin auch verwundert, wie riesig der Planet ist und wo er sich befindet und das bei dem Alter. Da kann man sich gleich mal einige andere heiße Jupiter rückwirkend anschauen, bei denen wir bislang “sicher” waren, daß sie nach innen gewandert waren.
    So macht Astronomie Spaß !!!

  4. #4 Wolfgang Stutz
    Mülheim an der Ruhr
    23. Januar 2018

    Je mehr wir von hier aus über ferne Sternensysteme von hier aus in Erfahrung bringen können, desto sinnloser erscheinen mir (unbemannte) Missionen zu diesen. Bis wir technisch so weit wären, so etwas tatsächlich zu starten, werden sich ja auch die Beobachtungstechniken weiter entwickelt haben. Es könnte also auch so kommen, daß wir nicht einfach so zu den Sternen fliegen werden, weil wir es können, sondern möglicherweise nur, wenn wir in unserer unmittelbaren Umgebung etwas derart interessantes finden, daß sich der Aufwand einer Untersuchung vor Ort lohnt. Wäre dieser Gedanke nicht einen eigenen Beitrag wert?

  5. #5 Alderamin
    23. Januar 2018

    @Wolfgang Stutz

    Je mehr wir von hier aus über ferne Sternensysteme von hier aus in Erfahrung bringen können, desto sinnloser erscheinen mir (unbemannte) Missionen zu diesen.

    Der betreffende Stern ist 450 Lichtjahre entfernt, d.h. eine unbemannte Mission dorthin würde frühestens nach 900 Jahren ein Ergebnis bei uns liefern. Falls wir jemals annähernd Lichtgeschwindigkeit erreichen würden. Derzeit träumt das “Breakthrough Starshot” davon, briefmarkengroße Sonden mit Lastkraft auf 20% der Lichtgeschwindigkeit zum allernächsten Stern, Proxima Centauri, 4,2 Lichtjahre, zu senden. Flugzeit also ca. 21 Jahre. Wenn es funktioniert. Ohne die Möglichkeit, dort anzuhalten oder große Optiken mitzunehmen, um Nahaufnahmen des dort gefundenen Exoplaneten machen zu können.

    Missionen zu den Exoplaneten sind also, bis auf solche Minimalmissionen (bei denen noch nicht klar ist, ob sie überhaupt gelingen können), praktischen ausgeschlossen.

    Wir schicken unsere Sonden nur durch das Sonnensystem. Und da gilt, je näher dran, desto mehr lernt man. Beispiel: von der Erde aus sah man auf dem Mars Kanäle und dunkle Gebiete, die sich im Lauf der Jahreszeiten manchmal veränderten, und mutmaßte Vegetation (die Oberfläche eines Exoplaneten hat übrigens noch niemand gesehen). Beim ersten Vorbeiflug einer Mariner-Sonde sah man sofort, dass es dort nur Krater, Felsen, Sand und Eis zu sehen sind, aber keine Kanäle und keine Pflanzen. Mars-Orbiter fanden Olivin, das auf Wasservorkommen hinweisen könnte, vom Orbit aus. Der Spirit-Rover fand dann kleine Olivinkugeln auf der Oberfläche, die im flüssigen Wasser entstanden sein müssen. Die Viking-Sonde suchte nach Leben und fand keines, ein mögliches positives Ergebnis eines der drei Bio-Experimente war auch anders erklärbar, durch einen reaktiven Boden. Der Mars Phoenix Lander fand später genau solchen Boden. Der Rover Curiosity fand geschichtetes Gestein, das in einem stehenden Gewässer entstanden war, und gelegentliche Methanausgasungen, die biologischen Ursprungs sein könnten. Usw.

    Man lernt als umso mehr, je näher man am Objekt dran ist. Noch mehr lernen werden wir im kommenden Jahrzehnt, da ist eine Probenrückholung vom Mars zur Erde geplant, und man kann das volle Potenzial irdischer Labore auf die Proben ansetzen. Vielleicht findet man so fossile Mikroben.

    Die Beobachtung von der Erde ist kein Ersatz für Raumsonden. Nur bei Exoplaneten, weil es dort keine andere Möglichkeit zur Erforschung gibt.

  6. #6 Wolfgang Stutz
    Mülheim an der Ruhr
    23. Januar 2018

    Okay, das hatte ich vergessen zu sagen: Vorausgesetzt, durchschnittlich 10 – 20% wären eines Tages machbar, wären wir ohnehin auf einen Radius von sagen wir 10 Lichtjahren beschränkt. Kein Wunder, dass in der Science Fiction (mit Ausnahmen) Warpantrieb oder Hyperraumsprünge fester Bestandteil sind.

  7. #7 Artur57
    24. Januar 2018

    Ein Planet schmeißt Zeug auf seine Sonne? Unerhört, aber aus unserem Sonnensytem durchaus nicht unbekannt. Jupiter tut das ebenfalls, indem er Lücken in den Asteroidengürtel reißt. Das passiert an Stellen, deren Umlaufzeiten ganzzahlige Brüche der Umlaufzeit des Jupiters sind. Hier findet eine resonante Aufschaukelung von Bahnstörungen statt, die dann damit endet, dass der Asteroid eine stark elliptische Bahn einnimmt, die nicht selten bewirkt, dass der Asteroid in die Sonnen fällt. Zurück bleibt auf der Kreisbahn die sogenannte Kirkwood-Lücke.

  8. #8 Cornelia S. Gliem
    29. Januar 2018

    “Überraschendes” ist oft am faszinierendsten – heißt das doch, dass viel mehr möglich ist als gedacht. Unabhängig davon: könnte dieser “frühe” planet außerhalb des Sonnensystems entstanden und eingefangen worden sein? (Oder ist dieses Sonnensystem zu weit entfernt von älteren Bereichen des Universums?)

    Zusatz: wenn ich die typischen häufigen Sätze höre ala “das ist so weit weg dass wir da nie hinkommen werden” etc., erinnert mich das doch sehr an die felsenfesten Überzeugungen früherer Zeiten: Menschen können Geschwindigkeiten über 30km nicht überleben; im jahr 1950 wird eine Stadt wie Wien unter pferde-Mist des DroschkenVerkehrs versinken; Menschheit verhungert jenseits der 3 Milliarden-grenze :-).

    Und ja, auch deswegen erfinden sf-Autoren immer hyperraumantriebe warp-Geschwindigkeit u.ä.

  9. #9 Captain E.
    29. Januar 2018

    Sicher tun die das. Andernfalls müssten sie ja auf Generationen- oder Kälteschlafraumschiffe zurück greifen. Nur ist eben der Stand der Physik, dass nichts mit einer Ruhemasse ungleich Null auch nur Lichtgeschwindigkeit erreichen kann, geschweige denn mehr als dies.

  10. #10 Alderamin
    29. Januar 2018

    @Cornelia S. Gliem

    könnte dieser “frühe” planet außerhalb des Sonnensystems entstanden und eingefangen worden sein?

    Nein, ohne einen dritten Körper (Planet) sollte so etwas nicht möglich sein. Was aus großer Entfernung auf den Stern zugefallen ist, wurde durch dessen Schwerkraft so stark beschleunigt, dass es ihn auch wieder in die gleiche Entfernung verlässt (wie bei einem Pendel, das stets wieder die gleiche Höhe erreicht, aus der es losgelassen wurde). Genau so erging es dem Asteroiden ‘Oumuamua, der gerade durchs Sonnensystem saust, und von dem wir genau deshalb wissen, dass er nicht aus dem Sonnensystem stammt, weil er schnell genug ist, es wieder zu verlassen. Ankunft und Wegflug sind symmetrisch.

    Nur wenn bei einem Swing-By an einen dritten Körper Energie abgegeben wird, kann der Planet abgegbremst werden und in einer (typischerweise zunächst stark elliptischen) Umlaufbahn enden. Dann hätte man allerdings das Problem, wo dieser Planet wieder hergekommen sein soll (und wo er sich dann befindet). Nein, dieses Szenario kann man ausschließen.

    wenn ich die typischen häufigen Sätze höre ala “das ist so weit weg dass wir da nie hinkommen werden” etc., erinnert mich das doch sehr an die felsenfesten Überzeugungen früherer Zeiten: Menschen können Geschwindigkeiten über 30km nicht überleben; im jahr 1950 wird eine Stadt wie Wien unter pferde-Mist des DroschkenVerkehrs versinken; Menschheit verhungert jenseits der 3 Milliarden-grenze :-).

    Ist aber etwas anderes, weil diese Beispiele alle keine Naturgesetze beschrieben, sondern Abschätzungen bzw. war das erste eine unüberprüfte Befürchtung (in der Art wie: “Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend”).

    Dazu habe ich schon früher mal etwas hier geschrieben. Und die Lichtgeschwindigkeit als Obergrenze ist dabei nicht einmal das Hauptproblem.

    Und ja, auch deswegen erfinden sf-Autoren immer hyperraumantriebe warp-Geschwindigkeit u.ä.

    Die allerdings keinen Anspruch auf Realisierbarkeit stellen können (selbst wenn mancher Ansatz von der ART gedeckt zu sein scheint – solche Konzepte sind dann doch sehr spekulativ und keineswegs gesichert).

  11. #11 Cornelia S. Gliem
    31. Januar 2018

    Ad Alderamin.
    Danke für die ausführliche Antwort. Ja an den “dritten Körper” hatte ich nicht gedacht.
    Das mit den “unmöglichkeiten” – das stimmt natürlich. Ich habe nur Beispiele genannt die keine Naturgesetze (bzw. Theorien dazu) betrafen; außer dem mit der 30kmH-Theorie die tatsächlich von Medizinern behauptet wurden. (Gehören Mediziner zu den Naturwissenschaftlern? :-)).
    Allerdings kann ich auch beispiele naturgesetzlicher art liefern:
    * die Erde ist flach
    * sonne dreht sich um die erde
    * im Weltall ist Äther
    * Vakuum ist völlig leer
    * die newtonsche Gesetze stimmen überall 🙂

    Ok. aus heutiger Sicht sind geozentrisches weltbild u.dergleichen prä/proto-wissenschaftlich (das mit der flachen erde sogar kompletter blödsinn), aber das könnte uns auch mal passieren: das überholt werden.

    Und – natürlich sind hyperraumantriebe und Warp spekulativ :-). Das ist ein recht der Fiktion und (!) der science…

  12. #12 Ulrike
    4. Februar 2018

    Ist nicht anzunehmen, dass der Planet der Materie, die er in die Sonne befördert, kinetische Energie entnimmt und damit seinen Orbit langsam vergrössert? Die Umlaufzeit würde sich allmählich verlängern.