Begabte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler haben schlechte Chancen, eine akademische Laufbahn an einer österreichischen Forschungseinrichtung einzuschlagen. Dieser Meinung sind zumindest 60 Prozent der Professorinnen und Professoren an österreichischen Universitäten die kürzlich in einer repräsentativen Umfrage des Österreichischen UniversitätsprofessorInnenverbandes (UPV) zur Situation der Nachwuchswissenschaftler befragt wurden. Die ausführlichen Ergebnisse kann man hier (pdf) nachlesen; ein paar Ergebnisse möchte ich davon heraus greifen.

Zum Beispiel noch einmal die Aussage “Begabte NachwuchswissenschaftlerInnen haben gute Chancen eine Laufbahn als HochschullehrerInnen oder ForscherInnen einzuschlagen.” Betrachtet man die Ergebnisse differenziert nach den einzelnen Wissenschaftssparten, sind die Natur- und Ingenieurswissenschaften am pessimistischsten. 64 Prozent sind hier der Meinung, die Aussage trifft nicht oder wenig zu. Nur 8 Prozent halten es für eine sehr zutreffende Aussage. Am besten wird die Situation für den Nachwuchs in den Wirtschaftswissenschaften eingeschätzt: 50 Prozent halten die Aussage für eher bzw. sehr zutreffend. In den Geistes- und Kulturwissenschaften denken dagegen nur 5 Prozent, dass der Nachwuchs eine gute Chance auf eine Hochschulkarriere hat.

Wenn der wissenschaftliche Nachwuchs keine Aussicht auf eine akademische Karriere hat, was macht er dann? Er sucht sich einen Job in der freien Wirtschaft. Wie groß die Gefahr der Abwanderung von den Universitäten eingeschätzt wird, wurde mit dieser Aussage untersucht: “Es besteht zunehmend die Gefahr, dass hochqualifizierte ForscherInnen von der Universität in die Wirtschaft abwandern”.

Insgesamt halten nur 4 Prozent der Befragten diese Aussage für nicht zutreffend. Wieder sind die Natur- und Ingenieurswissenschaften am pessimistischten. 49 Prozent halten die Aussagen für sehr zutreffend, 35 Prozent für eher zutreffend. Die geringste Gefahr einer Abwanderung in die Wirtschaft sieht man in den Geistes- und Kulturwissenschaften (aber vermutlich nur mangels Möglichkeit, nicht weil die Bedingungen dort so super sind): “Nur” 57 Prozent halten die Aussage für sehr bzw. eher zutreffend.

UPV, 2018

UPV, 2018

Interessant fand ich die Befragung zu dieser Aussage: “Österreichische NachwuchswissenschaftlerInnen ziehen internationale (Forschungs-)Einrichtungen den heimischen vor.” Eigentlich würde man ja erwarten, dass der Nachwuchs ins Ausland strömt, wenn die Chancen auf eine heimische Karriere so schlecht sind. Aber anscheinend ist zumindest der Wunsch nach einer Karriere im Heimatland durchaus vorhanden, sagen zumindest die befragten Professorinnen und Professoren. Insgesamt denken nur 45 Prozent von ihnen, dass der Nachwuchs gerne ins Ausland will. Die höchste Zustimmungsrate zu dieser Aussage findet man mit 52 Prozent in den Sozialwissenschaften. Ich hätte die ja eher in den Natur- und Ingenieurswissenschaften vermutet; dort liegt sie aber nur bei 47 Prozent. Gar nicht ins Ausland scheint man in den Rechtswissenschaften zu wollen (28%).

UPV, 2018

UPV, 2018

Ebenfalls sehr aufschlussreich ist die Frage nach den akademischen Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchs. Der Aussage “Unsere DoktorandInnen leisten einen erheblichen Beitrag an unserem Forschungsoutput” haben 81 Prozent der Befragten zugestimmt. Extrem interessant sind die Unterschiede in den Disziplinen. In den Natur- und Ingenieurswissenschaften stimmen halten 69 Prozent die Aussagen für sehr zutreffend und weitere 27 für eher zutreffend (und niemand denkt, dass der Nachwuchs keinen erheblichen Forschungsbeitrag leistet). In den Geistes- und Kulturwissenschaften scheint der Nachwuchs eher weniger an der Forschung beteiligt zu werden: Hier stimmen dieser Aussage nur 18 Prozent sehr zu (Und ich hab keine Ahnung, was Doktorandinnen und Doktoranden in den Rechtswissenschaften machen. Keine Forschung zumindest, denn hier wird die Aussage nur von 5 Prozent als sehr zutreffend bezeichnet).

Will man den Nachwuchs an den Unis halten, muss es entsprechende Perspektiven geben. Zum Beispiel die international üblichen “Tenure Track”-Stellen, also befristete Stellen, die bei Erfüllung bestimmter Kriterien in unbefristete Anstellungen umgewandelt werden. Die Einführung solcher Stellen hält die Mehrheit der Befragten ebenfalls für eine gute Idee. Der Aussage “Die Einführung von Tenure-Track-Stellen (Laufbahnstellen mit Qualifizierungsmöglichkeit) war eine gute Maßnahme, um den Nachwuchs zu fördern” stimmen insgesamt 73 Prozent sehr bzw. eher zu. Bei der detaillierten Betrachtung stechen vor allem die Sozialwissenschaften heraus. Hier sind es schon allein 46 Prozent die die Aussage für sehr zutreffend halten und weitere 40 halten sie für eher zutreffend. So ein Bild hätte ich mir persönlich eigentlich von allen Disziplinen erwartet, aber in den Natur- und Ingenieurswissenschaften halten das nur 30 Prozent für eine sehr zutreffende Aussage und in den Geistes- und Kulturwissenschaften sind es mit 22 Prozent noch weniger (von den 11 Prozent der Rechtswissenschaften rede ich gar nicht). Da wäre es vielleicht interessant gewesen, den Nachwuchs auch direkt zu befragen. Ich vermute mal, die Ergebnisse wären anders ausgefallen als bei der Befragung der Leute, die eh schon eine permanente Stelle haben…

Ich selbst habe ja meine akademische Laufbahn schon vor sechs Jahren aufgegeben; unter anderem weil ich eben keine guten Chancen gesehen habe. Und wenn ich meinen Bekanntenkreis ansehe, dann haben dort die meisten eine ähnliche Biografie. Von all denen, mit denen ich damals mein Studium begonnen habe und die alle auch noch ihr Doktoratsstudium abgeschlossen und danach als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gearbeitet haben, ist heute noch genau eine als Wissenschaftlerin an einer Universität tätig. Die anderen sind natürlich auch nicht unter der Brücke gelandet; alle machen Jobs die sie sehr gerne machen – sie arbeiten an Schulen, in der Wirtschaft oder sind selbstständig, so wie ich. Aber irgendwie ist es schon auch ein wenig Verschwendung. Meine Ausbildung zum Wissenschaftler hat lange gedauert. Ein Diplomstudium, danach ein Doktoratsstudium. Ich hab dafür 9 Jahre gebraucht (circa ein Jahr länger als die kürzestmögliche Studienzeit). In der Zeit haben ich und der Staat sehr viel Geld und Zeit in diese Ausbildung investiert. Da ist es irgendwie seltsam, dass man es den Leuten nach dem Ende dieser Ausbildung unnötig schwer macht, diese Ausbildung auch in einen dieser Ausbildung entsprechenden Job umzusetzen. Stattdessen wandern die Leute ins Ausland ab oder verlassen die akademische Welt ganz (ich hab sogar beides gemacht).

Meine offizielle Sponsionsfeier - damals hatte ich noch Hoffnung für die Zukunft. Und Haare!

Meine offizielle Sponsionsfeier – damals hatte ich noch Hoffnung für die Zukunft. Und Haare!

Ich sag ja nicht, dass alle mit einem abgeschlossenen Doktorratsstudium einen Fixposten an einer Uni bekommen müssen. Das wäre absurd und auch nicht zielführend. Aber wenn es nach Ende der Ausbildung dann keine vernünftige Perspektive gibt, sondern nur Unsicherheit muss sich auch niemand wundern, wenn der Nachwuchs verschwindet. Wenn man immer nur befristete Verträge bekommt; Verträge die oft nur sechs bis zwölf Monate dauern und niemand weiß, ob man im nächsten Jahr noch nen Job hat oder nicht (und wenn ja, wo und in welchem Land man diesen Job haben wird), dann darf man sich nicht wundern, wenn die Leute dieses unsichere Leben mit nicht vorhandener Zukunftsplanung verlassen. Wenn man nach so einer extrem langen Ausbildung am Ende immer noch deutlich weniger verdient, als Leute in der freien Wirtschaft (mit einer viel kürzeren Ausbildungszeit), dann ist die Versuchung groß, den Job zu wechseln.

Es ist nicht einfach, ein Doktoratsstudium erfolgreich abzuschließen. Das macht man nicht mal eben so nebenbei. Diejenigen die das tun, tun das, weil sie in der Wissenschaft arbeiten wollen. Sie sind motiviert; vielleicht sogar motivierter als Menschen in anderen Berufen (wer selbst ein Doktoratsstudium absolviert hat, weiß was ich meine). Und all diese Motivation lässt man einfach verpuffen, in dem man dem Nachwuchs keine Chancen bietet. Noch schlimmer: Man ignoriert auch all das Wissen und die daraus eventuell erwachsenden Erkenntnisse. Ich bin mir nicht sicher, wie man die Lage ändern könnte (abgesehen vom offensichtlichen Vorschlag, den Universitäten mehr Geld zu geben). Ich bin mir aber sehr sicher, dass es langfristig nicht gut ist, wenn man den wissenschaftlichen Nachwuchs ignoriert! Ich würde mir wünschen, die österreichische Politik würde sich viel intensiver mit diesem Problem beschäftigen als sie es tut. Beziehungsweise würde ich mir wünschen, dass sie sich überhaupt mit diesem Problem beschäftigt, anstatt den Unsinn zu treiben (Rauchverbote in Lokalen abschaffen, Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Straßen abschaffen, rechtsextreme Burschenschaftler in Ministerien installieren, etc), den sie jetzt treibt. Aber ich fürchte, das wird nur ein Wunsch bleiben…

Kommentare (5)

  1. #1 Spunk123
    8. März 2018

    Also bezüglich der Doktorandinnen und Doktoranden in der Rechtswissenschaft kann ich als promovierter Jurist aufklären, dass diese sich natürlich vertieft mit bestimmten rechtlichen Fragestellungen befassen. Und in diesem Sinne auch forschen, bei mir ging es um die rechtliche Bewertung neuer Geschäftsmodelle vor dem Hintergrund der damaligen Rechtslage. Aber häufig geht es bei Juristen nicht unbedingt um eine wissenschaftliche Karriere, denn ein Doktortitel eröffnet einem weitere Karrieremöglichkeiten, z.B. bei großen Kanzleien. Von meinen damaligen Mitdoktoranden ist auch keiner mehr an einer Uni tätig. Mir persöhnlich hätte es schon Spaß gemacht, weiter an der Uni zu arbeiten (ich war wiss. MiA mit einer halben Stelle), aber dazu waren die Bedingungen, die ich da kennengelernt habe einfach zu schlecht.

  2. #2 Ben
    8. März 2018

    Das sieht vielerorts auch in Deutschland nicht viel besser aus. Einige meiner damaligen Mit-Abiturienten haben studiert, eigentlich so ziemlich alle, ich selbst habe mich nach einer Ausbildung umgeschaut und bin da auch ganz zufrieden.

    Meine Freunde von damals haben teilweise viele viele Jahre studiert, einer davon auch den Doktor gemacht, arbeiten tun aber ausnahmslos alle heute in der freien Wirtschaft. Frau und Kind daheim, da sind befristete Stellen einfach Murks und dann auch wenig verwunderlich, wenn das keiner will. Das mag ja für manche Leute toll sein, dauernd woanders irgendwo zu sein, aber ich glaube, so ein Leben ist für den Großteil nicht attraktiv – zumindest nicht auf Dauer.

    Ist mir schon auch klar, dass man nicht jedem beliebigen Studenten eine Daueranstellung in der Forschung bieten kann. Aber jene, die sich reinhängen, sollten halt eben doch eine reale Chance darauf haben. Stattdessen gibt es starre Vergaben und immer weiter gekürzte Budgets. Unzählige Förderanträge, die gefühlt im Wochenrhytmus ausgefüllt werden müssen, viel Zeit für Forschung bleibt da eh schon nicht mehr. Ich kann jeden verstehen, der sich aus diesem “Betrieb” verabschiedet.

  3. #3 Christian Berger
    8. März 2018

    Es ist halt nunmal so, dass die Politik und Industrie gelernt hat, dass man mit innovativen Produkten nicht weiter kommt. Deshalb hat man in Deutschland zum Beispiel auch das BIGFON Projekt zum Glasfaserausbau (280MBit down, 140 MBit up) eingestellt.

    Innovative Technik scheint heute nur noch Ballast zu sein, denn sie verschlingt Investitionen ohne sofort viel Geld zu erwirtschaften.

    Deshalb gibts auch kaum Ingenieursstellen für die man wirklich einen Ingenieur braucht.

  4. #4 Nixzulesen
    Berlin
    8. März 2018

    Danke für diesen Beitrag! Wie oben schon jemand geschrieben hat, sieht es in Deutschland genauso aus. Ich selber stehe auch gerade (als Naturwissenschaftlerin mit einem Master) vor dem Problem, dass ich eigentlich meine ursprüngliche Motivation eine Geowissenschaftlerin zu werden nicht verlieren will. Das würde ich in der Wirtschaft zu einem großen Teil (finde ich). Aber teilweise wird es einem ja sogar schon bei Doktorandenstellen schwer gemacht. Die Bewerbungsverfahren dauern ewig, es gibt nur begrenzte Gelder, obwohl die Institute durchaus auch interessiert sind. Häufig erreicht man nur etwas über Kontakte.
    Gleichzeitig befürchte ich auch, wenn ich jetzt nicht promoviere, dann kann ich die wissenschaftliche Karriere vermutlich gleich ganz an den Nagel hängen. Es ist verzwickt und nicht schön.

  5. #5 kmehl
    wien
    9. März 2018

    richtig! ich habe mein naturwissenschaftliches studium abgebrochen, weil es mehr oder minder sinnlos ist, auf eine fair bezahlte stelle in der universitären forschung zu hoffen, zumindest in österreich. (post-doc stelle um 1350 € brutto?!? und das bei 60 – 80h pro woche… das ist nicht mal ein schlechter scherz, das ist gezielte beleidigung). klar kann man viel erreichen, wenn man die probleme in kauf nimmt, aber das ist mir ehrlich gesagt meine geistige und körperliche gesundheit nicht wert.
    österreich, land der bildungsfeinde und ignoranten (bald faschisten).

    [sorry wenn das wie ein rant rüberkommt, ich bin halt sehr frustriert. und da bin ich bei weitem nicht der einzige.]