Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 276: Jupiters großer roter Fleck
Nicht alle Planeten haben eine feste Oberfläche wie unsere Erde. Manche Planeten sind gewaltige Kugeln aus Gas und unter den tausende Kilometern dicken Gasschichten ist nirgendwo fester Boden zu finden. Planeten wie Jupiter, der größte Planet unseres Sonnensystems. Auf Jupiter gibt es keine Geografie, nur Meteorologie. Die von außen sichtbare Atmosphäre des Himmelskörpers wird von verschiedenfarbigen Wolkenbändern dominiert. Und von gigantischen Wirbelstürmen. Einer davon ist besonders gigantisch und existiert seit Jahrhunderten: Der große rote Fleck.
Es ist nicht eindeutig geklärt, wer den großen roten Fleck zuerst entdeckt hat. Mit freiem Auge ist er nicht sichtbar, man musste also auf jeden Fall auf die Erfindung des Teleskops im 17. Jahrhundert warten. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird in der ersten Ausgabe der Zeitschrift Philosophical Transactions über eine teleskopische Beobachtung des englischen Gelehrten Robert Hooke berichtet: Am 9. Mai 1664 habe er im größten der drei den Jupiter umfassenden Wolkenbändern einen kleinen Fleck beobachtet.
War das die erste Entdeckung eines der größten Wirbelstürme die wir kennen? Und mit “groß” ist hier tatsächlich groß gemeint: Heute hat der große rote Fleck eine Länge die dem eineinhalbfachen des Erddurchmessers entspricht! Es handelt sich um ein gewaltiges Hochdruckgebiet, in dem Wolken beständig gegen den Uhrzeigernsinn rotieren; einmal herum in circa sechs Tagen.
Robert Hooke wird heute tatsächlich oft als der Entdecker dieses beeindruckenden Phänomens genannt. Eine genauere historische Analyse legt aber Zweifel nahe, dass es sich dabei wirklich um den heutigen großen roten Fleck handelt. Dazu stimmt die in Hookes Bericht beschriebene Position nicht mit der bekannten Position überein. Es besteht auch die Möglichkeit, dass den damaligen Berichterstattern ein paar Texte durcheinander gekommen sind und sie Hooke eine Entdeckung zuschrieben, die eigentlich der Franzose Giovanni Cassini gemacht hat. Denn der hatte 1665 ebenfalls von einem großen Fleck in den Wolkenschichten Jupiters berichtet. Und war in der Lage, den gleichen Fleck bis zum Jahr 1713 immer wieder zu beobachten. Jupiter mit einem Fleck ist auch auf einem Gemälde von Donato Creti aus dem Jahr 1711 zu sehen, wo der italienische Maler die damals bekannten Planeten des Sonnensystems aufgrund astronomischer Beobachtungen dargestellt hat.
Definitiv nachgewiesen ist die Existenz des heutigen großen roten Flecks seit dem Jahr 1830. Ob es sich bei dem von Cassini mehr als 100 Jahre zuvor beobachteten Fleck um das gleiche Phänomen handelt, lässt sich heute nicht mehr sagen. So oder so: Seit fast 200 Jahren existiert ein Wirbelsturm in der Atmosphäre von Jupiter der größer als die Erde ist. Das ist beeindruckend genug. Und man fragt sich: Wie kann das sein?
Wirbelstürme gibt es auch auf der Erde. Sie können auch durchaus groß werden – unter Umständen bedecken sie Flächen mit einem Durchmesser von mehr als 1000 Kilometern. Aber sie halten sich höchstens ein paar Wochen in der Atmosphäre der Erde, bevor sie sich wieder auflösen. Der Jupiter ist aber eben nicht die Erde. Hier bei uns entstehen Hurrikane über dem Ozean und lösen sich meistens ziemlich bald auf, wenn sie auf ihrem Weg festes Land erreichen. Dort werden sie abgebremst und die Energie reicht nicht mehr aus, um die gewaltigen Luftwirbel aufrecht zu erhalten. Auf Gasplaneten wie Jupiter gibt es aber kein festes Land. Hier gibt es nur Atmosphäre und da ist nichts, dass einen Wirbelsturm so stark abbremsen könnte. In den Atmosphärenschichten des Jupiters können sich Stürme auch verbinden und so immer größer werden.
Aber selbst dort existieren sie nicht für immer. Beim großen roten Fleck sehen wir Veränderungen. Im 19. Jahrhundert zeigen die Beobachtungen noch eine Länge des Flecks von ungefähr 40.000 Kilometer und eine Breite von 12.000 Kilometer. Als die Voyager-Raumsonde im Jahr 1979 an Jupiter vorbei flog, war der Sturm immer noch knapp 12.000 Kilometer breit aber nur noch ungefähr 25.000 Kilometer lang. Seitdem ist er weiter geschrumpft, auf eine Länge von circa 16.000 Kilometer.
Man hat auch eine leichte Erhöhung der Windgeschwindigkeit beobachtet, die mittlerweile bei etwa 430 Kilometer pro Stunde liegt. Die Position des roten Flecks ist aber in all der Zeit ziemlich gleich geblieben. Er befindet sich stabil zwischen zwei Wolkenbändern auf etwa 22. Grad südlicher Breite.
Wie lange es den großen roten Fleck noch geben wird, lässt sich kaum voraus sagen. Aber noch ist er da und noch kann er erforscht werden. Denn es gibt immer noch viele offene Fragen. Zum Beispiel: Warum ist das Ding rot?
Auf diese Frage gibt es tatsächlich bis jetzt noch keine Antwort. Offensichtlich stammt die Farbe von irgendwas, was sich in der Atmosphäre befindet. Manche Hypothesen gehen davon aus, dass es sich um komplexe organische Moleküle handelt oder um roten Phosphor. Experimente die im Labor durchgeführt werden, untersuchen auch den Einfluss, den hochenergetische UV-Strahlung von der Sonne beziehungsweise kosmische Strahlung auf die Atmosphäre des Jupiters haben. Dadurch könnten chemische Reaktionen stattfinden, die zu einer Rötung der Atmosphäre führen. So ein Sturm wie der große rote Fleck produziert auch jede Menge Wärme, wenn die Luftschichten aufeinander treffen. Aber was die rote Farbe verursacht, ist immer noch unklar – und auch hier gibt es im Laufe der Zeit Veränderungen. Der Sturm ist schon seit einiger Zeit nicht mehr wirklich rot, sondern eher bräunlich/lachsfarben.
Im Juli 2017 ist die Raumsonde Juno der NASA in nur 3400 Kilometer Entfernung von Jupiters Atmosphäre am großen roten Fleck vorbei geflogen. Die dabei gewonnenen Daten haben uns einen ganz neuen Blick auf das Phänomen eröffnet. Dass die Wolkenschichten des Wirbelsturms bis zu acht Kilometer über die umliegenden Atmosphärenschichten hinauf reichen, war schon bekannt. Die Messungen von Juno haben aber auch gezeigt, dass der große rote Fleck tiefreichende “Wurzeln” hat. Der Sturm reicht bis zu 300 Kilometer hinab in die Atmosphäre des Jupiters (also mehr als 100 mal tiefer als die Ozeane der Erde hinab reichen). In den unteren Bereichen ist der große rote Fleck auch viel wärmer als weiter oben.
Wenn man mit dem Teleskop den Jupiter betrachtet, dann sieht der große rote Fleck eher ruhig und behäbig aus. In Wahrheit ist es aber eines der turbulentesten und gewaltigsten Wetterphänomene, das wir kennen. Die Atmosphäre des Riesenplaneten ist dort beständig in Bewegung und es sollte uns nicht wundern, dass auch der gesamte Wirbelsturm in Veränderung begriffen ist. Wie die Zukunft des Sturms aussehen wird, wissen wir nicht. Aber es ist nicht damit zu rechnen, dass alles so bleibt wie es ist. In den letzten Jahrzehnten haben Astronomen immer wieder ähnliche Wirbelstürme in der Atmosphäre des Jupiters auftauchen und verschwinden sehen. Gleiches hat man auch bei den anderen Gasplaneten des Sonnensystems beobachtet. Irgendwann wird auch der große rote Fleck sein Ende finden. Bis dahin gehört er aber mit Sicherheit zu den vielen faszinierenden Sehenswürdigkeiten, die unser Sonnensystem zu bieten hat!
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