Es ist wieder einmal Zeit für “Schlechte Schlagzeilen” und Clickbait-Asteroidenpanik. Und zur Abwechslung sind diesmal nicht nur die üblichen Verdächtigen mit dabei, sondern auch das österreichische Magazin Futurezone, das ich bisher nicht auf meiner Liste der Medien hatte, die sich mit Panikmache abgeben. Aber genau dort findet man seit heute einen Artikel mit der Schlagzeile “Riesiger Asteroid rast auf Erde zu, NASA plant Abwehrrakete” (WebCite). Die Huffington Post will da natürlich nicht nachstehen und titelt “Asteroid Bennu bedroht die Erde: Wie die Nasa die Menschheit retten will” (WebCite). Und macht gleich entsprechend weiter, wenn sie im ersten Absatz schreibt: “Der riesige Asteroid Bennu droht im nächsten Jahrhundert auf unseren Planeten zu prallen – und so die Menschheit auszulöschen. Für Forscher bei der Nasa beginnt ein Wettlauf mit der Zeit: Sie wollen Bennu mit einem “Hammer” aus dem Himmel schießen”. Und bei Sputnik Deutschland legt man noch eine Schaufel Panik nach und schreibt “Exaktes Datum für Apokalypse bekannt: Asteroideneinschlag stärker als alle Atombomben” (WebCite). Vermutlich gibt es noch jede Menge andere Schlagzeilen dieser Art. Allen gemeinsam ist: Sie sind Quatsch!
Weder “rast” ein Asteroid “auf die Erde zu”. Noch “bedroht” er uns und schon gar nicht gibt es ein “exaktes Datum” für die “Apokalypse”. Was es dagegen gibt, ist der Asteroid Bennu. Wer regelmäßig mein Blog liest, der weiß, dass dieser Asteroid das Ziel der coolen OSIRIS-REx-Mission ist, bei der die NASA von dort Proben zur Erde bringen will. Die Sonde ist 2016 gestartet und wird dieses Jahr im Sommer dort ankommen. Der Asteroid hat schon damals beim Start der Raumsonde jede Menge schlechte Schlagzeilen und unbegründete Panikmache verursacht. Und diese unbegründete Panikmache gibt es auch jetzt wieder, wenn in den Artikeln behauptet wird, dass der Asteroid am 25. September 2135 mit der Erde kollidieren wird.
Ausgangspunkt ist ein wissenschaftlicher Fachartikel des NASA-Wissenschaftlers Brent Barbee und seiner Kollegen (“Options and uncertainties in planetary defense: Mission planning and vehicle design for flexible response” – unfreundlicherweise NICHT frei verfügbar!). Darin geht es um eine Untersuchung zum Thema “Asteroidenabwehr”. Das ist nicht nur sehr interessant sondern auch durchaus wichtig. Denn es kann ja tatsächlich vorkommen, dass Asteroiden mit der Erde kollidieren und dann wäre es gut, wenn wir Methoden hätten, um etwas dagegen zu tun. Ich habe über die Gefahren von Asteroideneinschlägen und die möglichen Abwehrmaßnahmen schon sehr viel geschrieben – hier gibt es eine Übersicht über alle Artikel. In diesem Fall geht es um die Untersuchung eines “kinetischen Impakts”. Kurz gesagt: Man rammt den Asteroid mit einem möglichst schnellen und schweren Raumschiff, um ihn so zu bremsen (oder zu beschleunigen) und von der Kollisionsbahn abzubringen. Diese Methode ist technisch vergleichsweise einfach und – wenn man sie lang genug vor einem potentiellen Einschlag durchführt – auch effektiv.
Wie genau so etwas funktionieren könnte, haben sich Barbee und seine Kollegen angesehen und das ganze am Beispiel des Asteroiden Bennu durchgerechnet. Dieser spezielle Himmelskörper ist dafür eine gute Wahl. Denn wenn erst Mal die Daten von OSIRIS-REx da sind, wird man sehr viel mehr über ihn wissen als all die anderen Asteroiden da draußen. Mit diesem Wissen kann man dann auch Modellrechnungen zu einem kinetischen Impakt verbessern. Und außerdem gehört Bennu tatsächlich zu den Asteroiden, bei denen rein theoretisch die Gefahr einer Kollision mit der Erde besteht.
Aber – und dieses “Aber!” wird von den hysterischen Medienberichten leider immer ignoriert – dass Bennu definitiv mit der Erde kollidieren wird, ist kompletter Unsinn. Man kennt die Bahnen von Asteroiden nie mit absolut exakter Genauigkeit. Und deswegen kann es vorkommen, dass man in manchen Fällen eine Kollision nicht komplett ausschließen kann. “Nicht komplett ausschließen” bedeutet aber nicht “Schlägt mit Sicherheit auf der Erde ein”. Wenn also die Huffington Post schreibt “Am 25. September 2135 droht der Weltuntergang wegen Bennu”, dann ist das Unfug. Ein wenig realistischer ist die Beschreibung bei Futurezone, wo man “Er wird der Erde am 25. September 2135 sehr nahekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Bennu die Erde trifft, liegt bei 1:2700” lesen kann. Das ist nicht ganz falsch, es ist aber auch definitiv nicht richtig; zumindest nicht in dieser Form. Liest man, was Barbee und seine Kollegen schreiben, dann findet man im Fachartikel folgenden Absatz über Bennu:
“It is listed in the JPL Sentry System Risk Table as one of the objects most likely to impact the Earth in the future though the cumulative impact probability is still small (…) 1 chance in 2700.”
Die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags in der Zukunft ist also vorhanden, aber gering. Es handelt sich um eine Wahrscheinlichkeit von 0,037 Prozent. Oder anders gesagt: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,963 Prozent trifft er die Erde NICHT. Außerdem handelt es sich dabei um eine kumulative Einschlagswahrscheinlichkeit. Da wurden also ALLE möglichen Einschläge zukünftiger Vorbeiflüge berücksichtigt. Und deswegen folgt daraus NICHT, dass der Asteroid am 25. September 2135 mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:2700 die Erde treffen wird. Tatsächlich listen sowohl Sentry als auch NEODyS (die beiden Datenbanken in denen potentiell gefährliche Asteroiden gesammelt werden) mögliche Einschläge erst für die Zeit ab dem September 2175 auf. Und da beträgt die Wahrscheinlichkeit 1:24000 oder noch weniger (Außerdem ist damit zu rechnen, dass diese Wahrscheinlichkeiten geringer werden, je mehr Daten wir haben. Dann werden auch die Prognosen so weit in die Zukunft genauer).
Barbee und seine Kollegen schreiben selbst:
“While there is no immediate concern, impact energy of a collision with Bennu is ~1.15 Gigatons, suggesting it as an interesting case study.
Es besteht also kein Grund für akute Sorge – aber da der Einschlag des circa 500 Meter großen Brockens potentiell ziemlich heftig wäre, ist es ein interessanter Fall für die Untersuchung. Übrigens: Von einer “Apokalypse” wäre selbst bei einem echten Treffer keine Rede. Von einer großen Naturkatastrophe sicherlich – aber ein 500 Meter Asteroid ist zu klein, um globale Auswirkungen zu haben. Es wäre also kein Ereignis, das man zB mit dem Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren vergleichen kann (Damals war der Asteroid 10 Kilometer groß!).
Wo kommt jetzt dieses ominöse Datum vom 25. September 2135 her? Da hat wahrscheinlich die PR-Abteilung des Lawrence Livermore National Laboratory geschlampt. Von dort waren auch Wissenschaftler an der Studie beteiligt und in einer Pressemitteilung kann man dort lesen: “Bennu has a 1 in 2,700-chance of striking Earth on Sept. 25, 2135”. Was, wie gerade gesagt, falsch ist – aber alle Medien brav abgeschrieben (und je nach Grad der Skrupellosigkeit übertrieben) haben. Vermutlich ist es zu viel verlangt, dass man so etwas noch einmal überprüft oder gar einen Blick in den Fachartikel wirft. Aber wenn man das getan hätte, dann hätte der Fehler eigentlich auffallen müssen.
Den September 2135 haben die Wissenschaftler als Modellfall für ihre Studie verwendet. Sie schreiben dort:
“Bennu makes a very close approach to the Earth on September 25th, 2135, and we modify Bennu’s ephemeris in our dynamics model slightly such that it instead hits the center of the Earth on that date”
Sie haben also in ihren Rechnungen die Bahn des Asteroiden absichtlich so verändert, damit er am 25. September 2135 auf der Erde einschlägt. Und dann geschaut, was nötig wäre, um ihn rechtzeitig abzulenken. Sie gehen dabei davon aus, das sie dafür ein Raumschiff zur Verfügung haben, das neun Meter lang und 8,8 Tonnen schwer ist. Das Ding haben sie HAMMER (“Hypervelocity Asteroid Mitigation Mission for Emergency Response vehicle”) genannt und es soll mit einer Delta-IV-Heavy-Rakete ins All gebracht werden. Die gibt es aber in der nötigen und verfügbaren Form derzeit noch gar nicht. Auch HAMMER gibt es nicht – und die Forscher schätzen, dass es mindestens 7,4 Jahre dauert, alles startbereit zu machen und zum Asteroid zu schicken, wenn es denn nötig wäre. Und mit einem Schubs wäre es dann auch nicht getan. Fängt man 25 Jahre vor einem möglichen Einschlag an, dann bräuchte man mindestens 7 HAMMER-Missionen, um eine ausreichende Ablenkung zu erreichen. Wartet man bis der Einschlag nur noch 10 Jahre entfernt ist, muss man bis zu 54 HAMMER ins All schicken. Mit einem einzelnen HAMMER erreicht man bei Bennu jedenfalls nichts, so Barbee und seine Kollegen.
Die Studie zu Bennu und HAMMER ist interessant. Sie ist auch wichtig – denn wenn wir wirklich mal einen Asteroiden bewegen wollen, wäre es gut, möglichst früh zu wissen, was man tun soll. Genau das hat die Arbeit von Barbee & Co ja gezeigt: Wenn wir bis zu 54 Weltraummissionen starten müssen, um einen Einschlag zu verhindern, wäre es gut, vorher schon so viel Arbeit zu erledigen wie nur möglich!
Es handelt ein interessantes Stück Wissenschaft das es verdient hätte, korrekt und im richtigen Kontext präsentiert zu werden. Dazu braucht es halt ein bisschen Recherche, ein bisschen Fachwissen (oder halt das Engagement, mit Fachleuten zu reden) und den Wunsch, wissenschaftliche Forschung korrekt zu präsentieren. Oder man schreibt einfach eine Pressemitteilung ab, übertreibt alles schamlos und produziert so eine panikmachende Clickbait-Hysterie wie in diesem Fall…
Mehr schlechte Schlagzeilen gibt es hier.
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