Dieses schöne Bild hat man in den letzten Wochen in den einschlägigen Medien immer wieder gesehen. Und es ist wirklich schön:
Es ist allerdings “nur” eine künstlerische Darstellung. Sie zeigt eine “Mega-Kollision” zwischen 14 Galaxien, die gerade dabei sind, einen gewaltigen Galaxienhaufen und – am Ende – eine riesige “Supergalaxie” zu bilden. Hinter den bunten Farben der künstlerischen Darstellung stecken konkrete astronomische Daten und die sehen so aus:
Bei weitem nicht so spektakulär wie die künstlerische Darstellung. Aber der Wert der Wissenschaft bemisst sich nicht in der Ästhetik von Bildern sondern in den Geschichten und Informationen, die in den Daten zu finden sind. Und hinter diesen 14 verwaschenen Fleckchen steckt eine wunderbare Geschichte!
Sie beginnt – zumindest aus der menschlich-wissenschaftlichen Sicht – im Jahr 2010 am Südpol. Dort steht das Südpolteleskop: Eine 10 Meter große Antenne, die Radio- und Millimeterwellen detektieren kann. Damit erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Universum und haben bei ihrer Arbeit einen verwaschenen Fleck registriert. Von denen gibt es am (Radio)Himmel natürlich jede Menge weil jede Menge kosmische Objekte Radiowellen aussenden. In diesem Fall haben nachfolgende Untersuchungen gezeigt, dass es sich um eine sehr weit entfernte Radioquelle außerhalb unserer Milchstraße handelt. Und weil so etwas aus jeder Menge Gründen sehr interessant ist, hat man die große ALMA-Antennenanlange der Europäischen Südsternwarte in Chile benutzt, um sich die Sache mal genauer anzusehen.
Aus dem einem Fleck wurden vierzehn. Und aus den Flecken wurden Galaxien. Ok, das war eigentlich schon vorher klar. Außerhalb unserer Milchstraße können wir keine individuellen Objekte sehen sondern nur die großen Ansammlungen von Milliarden Sternen anderer Galaxien. Dank ALMA konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun aber auch die Eigenschaften der Galaxien untersuchen (“A massive core for a cluster of galaxies at a redshift of 4.3”). Zum Beispiel die Entfernung (obwohl das Wort “Entfernung” bei solchen kosmischen Distanzen nicht mehr eindeutig definiert ist). Das, was wir auf diesem Bild sehen, ist der Zustand dieser Galaxien, als das Universum 1,4 Milliarden Jahre alt war. Es stammt aus einer Zeit, als der Kosmos gerade einmal ein Zehntel des heutigen Alters hatte und das Licht hat 12,4 Milliarden Jahren gebraucht bis es von unseren Teleskopen aufgefangen wurde.
Die Analyse der Radiowellen hat außerdem gezeigt, dass es sich bei diesen Galaxien im jungen Universum um sogenannte “Starburst”-Galaxien handelt. Also Galaxien, in denen extrem viele Sterne entstehen (typischerweise tausend Mal mehr als heute in der Milchstraße, wo die Sternentstehungsrate bei ungefähr einem neuen Stern pro Jahr liegt). Das ist das, was man erwarten würde. In jungen Galaxien entstehen die Sterne wesentlich schneller als in alten Galaxien wie unserer Milchstraße. Vor allem, weil in den alten Galaxien das ganze Material dafür (also die großen Gaswolken zwischen den Sternen) schon aufgebraucht ist. Die Galaxien von SPT2349-56 (wie der ganze Haufen bezeichnet wird) können aber nur jung sein, weil das ganze Universum damals jung war.
Ein paar Millionen Jahre nach dem Urknall gab es noch gar keine Galaxien (und Sterne). Es gab nur heißes Gas und dunkle Materie, die sich zu immer größeren Wolken zusammenfanden. Bis die Materie irgendwann dicht genug gedrängt war, um daraus Sterne entstehen zu lassen. Beziehungsweise Sterne, die sich in Galaxien befinden, die sich in Galaxienhaufen befinden. Was ALMA uns zeigt ist genau so ein in Entstehung begriffener Galaxienhaufen. Das wäre an sich schon beeindruckend genug. Auf den Bildern des Radioteleskops kann man die einzelnen Komponenten des Haufens wunderbar getrennt beobachten und so die Entstehung und Entwicklung eines Galaxienhaufens im ganz frühen Universum auf eine Art untersuchen, wie man es bisher nicht konnte.
Wirklich beeindruckend ist die Tatsache, dass dieser Proto-Galaxienhaufen enorm groß und kompakt ist. Die Computermodelle die wir haben, sagen uns eigentlich, dass so ein Ding länger als 1,4 Milliarden Jahre braucht, um entstehen zu können. SPT2349-56 hat das aber offensichtlich viel schneller geschafft und wir haben keine Ahnung, wie das abgelaufen ist. Wir haben also nicht nur Informationen aus dem frühen Universum, die wir in dieser Form bisher noch nicht hatten sondern gleichzeitig auch eine neue, unerwartete Frage, an deren Beantwortung wir uns mit diesen Informationen machen können. Und einen Anlass, um weitere Informationen über dieses Phänomen zu sammeln (als würden die Wissenschaftler für so etwas einen Anlass brauchen…).
Die Vergangenheit des Galaxienhaufens muss also noch erforscht werden. Die Zukunft können wir uns dagegen ein wenig besser vorstellen. Nimmt man die vorhandenen Daten und berechnet mit einer Computersimulation, wie sich die Galaxien im Laufe der Zeit durch ihrer Gravitationskraft gegenseitig beeinflussen, dann können wir sehen, was aus ihnen werden wird.
(Es gibt sogar ein Video, in dem man das tatsächlich sehen kann. Aber aus einem mir unerfindlichen Grund ist es unmöglich, es hier einzubinden. Ich kann nicht einmal vernünftig darauf verlinken. Man muss diese Pressmitteilung, danach nach unten scrollen und rechts in der Seitenleiste das Video anklicken. Eine höchst absurde Art der “Öffentlichkeitsarbeit”…)
Am Ende wird aus den 14 Galaxien eine einzige, gewaltige Supergalaxie in der sich mehr als eine Billion Sterne versammeln. Diese riesige Galaxie wird das Zentrum eines neuen Galaxienhaufens werden und den Kosmos um sich herum gravitativ dominieren. Aber bis es so weit ist, müssen noch ein paar Milliarden Jahre vergehen…
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