Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass neue Methoden der Gentechnik wie Crispr/Cas unter die bestehenden Gentechnik-Richtlinien fallen. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht ein wenig absurd, den andere Methoden wie zum Beispiel die radioaktive Bestrahlung von Organismen zur Auslösung von Mutationen werden aus dieser Regelung ausgenommen, weil sie “bewährt und sicher” sind. Und das, obwohl die neuen Methoden (sehr vereinfacht gesagt) nichts anderes machen als diese alten Methoden, nur gezielter und besser. Da ich aber kein Biologe bin, will ich auf die Details gar nicht eingehen, sondern verweise da zum Beispiel auf den sehr guten Text von Lars Fischer, der das Problem mit diesem Urteil gut erklärt hat.
Ich möchte ein anderes Problem ansprechen. Und auch das hat Lars in seinem Artikel schon erwähnt:
“Ich halte es für entscheidend, dass sich gerade die Wissenschaft diesen Umstand klar macht. So richtig die Einwände sind, dass aus fachlicher Sicht gentechnische Mutagenese nichts prinzipiell anderes ist als jene mit Radioaktivität oder Chemikalien, in einer weltanschaulichen Diskussion laufen solche Argumente schlicht ins Leere.”
Das ist meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Punkt. Es reicht ja nicht, wenn man feststellt, das etwas aus wissenschaftlicher Sicht zweifelsfrei unsinnig ist. Man muss diese Erkenntnis auch irgendwie vermitteln. Das ist im Fall des EuGH-Urteils ebenso wichtig wie in anderen Fällen. Wenn man zum Beispiel erklären will, das Homöopathie Quatsch ist; das Impfgegner gefährlich Unsinn verbreiten oder Astrologie ganz definitiv nicht funktioniert. All das (und noch viel mehr) sind keine strittigen Fragen; hier hat die Wissenschaft überall schon seit langer Zeit ganz eindeutige Erkenntnisse erarbeitet. Homöopathie funktioniert nicht. Astrologie ist Aberglaube. Und so weiter. Nur: Wie vermittelt man das?
Oder im konkreten Fall: Wie macht man der Öffentlichkeit klar, dass das Urteil des EuGH aus wissenschaftlicher Sicht nicht sonderlich zielführend ist und das man die neuen Methoden der Gentechnik anders behandeln muss als “Die Gentechnik” allgemein? In einer idealen Welt würde man einfach die wissenschaftlichen Fakten präsentieren und die Menschen würden sie prüfen, bewerten und entsprechend akzeptieren. Aber die Welt ist nicht ideal und die Popularität von Esoterik, Pseudowissenschaft und Co demonstriert ja wunderbar, dass man noch so viele wissenschaftliche Fakten ansammeln kann: Wer keine Lust hat sie zu akzeptieren, der tut das nicht und glaubt einfach weiter. Man kann den Menschen noch so viele Studien über Homöopathie oder Fakten über die Unsinnigkeit der Astrologie präsentieren: Wer an die Esoterik glaubt, wird sich davon nicht beirren lassen. Denn Glauben zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass er nicht auf Fakten basiert! Glauben lässt sich nicht weg argumentieren.
Imm Fall der Wissenschaftskommunikation über das EuGH-Urteil hat man meiner Meinung nach folgendes Problem: Ein gewisser Teil der Öffentlichkeit hat sich, was die Gentechnik angeht, schon ein abschließendes Urteil gebildet und lehnt alles, was damit zu tun hat, ab. “Gentechnik” und alle verwandten Begriffe sind für sie negativ besetzt. Und wenn man diesen Leuten nun erklärt, dass die neuen Methoden wie Crispr/Cas etc aber ganz anders sind und überhaupt die ganze Sache mit der Gentechnik nicht so schlimm und schädlich ist wie sie sich das vorstellen, dann erreicht man damit nichts. Die wissenschaftliche Argumente laufen, wie Lars in seinem Text festgestellt hat, ins Leere.
In gewissen Sinn ist das verständlich. Wer will sich schon erklären lassen, dass man Unsinn glaubt? Wer hört gerne, dass er falsch liegt? Und noch dazu von den Leuten, die man als “Gegner” ansieht? Niemand. Wer Gentechnikgegner erklärt, das Gentechnik eh super und ungefährlich ist, widerspricht der Weltsicht und Erwartungshaltung dieser Leute. Vereinfacht gesagt: Man erzählt ihnen genau das, was sie nicht hören wollen. Und deswegen hören sie es auch nicht!
Ich hab mir schon oft überlegt, wie man so etwas umgehen kann. Vor einiger Zeit hab ich das Buch “Houston, we have a narrative” von Randy Olson gelesen und da ging es um ein ähnliches Problem (Klimwandel) und Olsons Auseinandersetzung damit war sehr interessant und hat mich dazu gebracht, mir ein paar neue Methoden zu überlegen: Wenn einem die Leute nicht zuhören, weil man ihnen etwas sagt das sie nicht hören wollen: Dann muss man ihnen etwas sagen, DAS sie hören wollen!
Im Fall des EuGH-Urteils würde das in etwa so aussehen: Die Menschen sind überzeugt, das Gentechnik schlecht und schädlich ist. Wenn man will, das einem diese Leute zuhören, dann muss man sich mit dieser Erwartungshaltung auseinandersetzen und darf sie nicht einfach beiseite wischen und eine Kommunikation mit “Das ist alles Unsinn! In Wirklichkeit ist alles ganz anders und du liegst falsch” beginnen. Stattdessen sollte man sich auf das konzentrieren, was der Erwartungshaltung dieser Leute auch wirklich entspricht. Denn es gibt ja Risiken und Gefahren bei der Gentechnik. So wie das bei jeder neuen Technologie der Fall ist; das zu leugnen wäre weder moralisch redlich noch wissenschaftlich korrekt. Mit diesen realen Risiken sollte man eine Kommunikation beginnen – aber natürlich nicht damit aufhören. Man kann den Leuten vernünftig und seriös erklären, wo die Risiken der Gentechnik liegen (und was die Wissenschaft unternimmt um sie zu verstehen und abzusichern!) – und dann ausführlich erläutern warum Crispr/Cas eben NICHT das Risiko ist, als das es dargestellt wird!.
Oder anders gesagt: Wenn man die Angst der Leute ernst nimmt (ich weiß, das ist eine Phrase, aber in dem Fall ist sie relevant) und ihnen erklärt wo man tatsächlich kritisch hinschauen muss, dann entspricht man vorerst ihren Erwartungshaltungen und sie hören zu. Und DANN kann man die Aufmerksamkeit nutzen und ihnen erklären, wovor sie KEINE Angst zu haben brauchen.
In der Wissenschaftskommunikation geht es ja nicht nur um die Fakten und die verständlichen Erklärungen. Sondern vor allem erst einmal darum, das einem jemand zuhört. Sonst nützen die besten Argumente und die besten Erklärungen nichts. Wenn die ganze Debatte aber so ideologisch aufgeladen ist, wie in diesem Fall, dann laufen Argumente und Erklärungen ins Leere, wenn es keine gemeinsame Gesprächsbasis gibt. Die muss man erst schaffen.
Ich weiß nicht, wie gut so etwas tatsächlich funktioniert. Ich bin kein Experte für Gentechnik und kann daher zu diesem Fall keinen Artikel schreiben, wie ich ihn mir gerade vorgestellt habe. Aber das Konzept lässt sich sicher auch auf andere Themen anwenden und ich werde probieren, das an passender Stelle einmal umzusetzen und auszuprobieren. Bis dahin findet sich ja vielleicht jemand aus der Biologie, der das für das EuGH-Urteil ausprobieren will. Und hoffentlich auch viel Feedback aus der Leserschaft! Ich würde gerne lesen, was ihr davon haltet (und würde mich freuen, wenn wir tatsächlich über Wissenschaftskommunikation reden könnten und sich keine Gentechnik-Debatte entwickelt).
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