Ich könnte diesen Artikel mit einem beeindruckenden Bild beginnen. Ein Bild, das zeigt, was ich in der Überschrift angekündigt habe: Einen planetenverschlingenden Stern. Nur wäre dieses Bild dann kein “echtes” Bild sondern nur eine künstlerische Darstellung davon, wie man sich so etwas vorstellt. Der Job der Astronomen ist es zwar, möglichst viel im Universum zu beobachten. Aber dieses “Beobachten” hat meistens nur wenig mit dem “Sehen” zu tun, das wir normalerweise meinen. Alles was sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft der Erde befindet, ist für uns auch in den größten Teleskopen wenig mehr als ein Lichtpunkt. Und vieles von dem, was Astronomen beobachten können unsere Augen überhaupt nicht sehen. Die Astronomie macht immer wieder beeindruckende Bilder. Aber man muss sie auch auf die richtige Weise betrachten.

Hier ist ein Bild eines planetenverschlingenden Sterns:

Nicht beeindruckend? Wie gesagt: Man muss es auf die richtige Weise betrachten. Das Bild zeigt, was der 450 Lichtjahre entfernte Stern RW Aur A treibt. Es handelt sich um einen veränderlichen Stern; das weiß man schon seit einigen Jahrzehnten. Der Stern verändert also seine Helligkeit; allerdings nicht regelmäßig. Außerdem ist der Stern noch recht jung; nur ungefähr 10 Millionen Jahre alt. Solche jungen Sternen sind im Allgemeinen von einer Scheibe aus Material umgeben, aus denen Planeten entstehen können. Wenn dann Planeten entstehen, läuft das ziemlich chaotisch ab. Aus kleinen Trümmern werden große Trümmer und die werden noch größere Trümmer und alles kollidiert immer wieder miteinander. Manchmal verschmelzen Trümmer zu größeren Objekten, manchmal werden sie auch wieder zerstört. Und manchmal landen die in Entstehung begriffenen Planeten auch im Stern.

Die Scheiben in denen Planeten entstehen hat man schon bei vielen Sternen beobachtet (das erste Mal 1984). Was bei der Planetenentstehung abläuft, weiß man aus Computersimulationen. Gesehen hat man einen Stern der Planeten zerstört allerdings noch nie.

Bis jetzt. Bis zu dem Bild, das ich euch gerade gezeigt habe und das Hans-Moritz Günther vom MIT und seine Kollegen gemacht haben (“Optical dimming of RW Aur associated with an iron rich corona and exceptionally high absorbing column density”). Es zeigt Röntgenspektren von RW Aur A, eines aus dem Jahr 2013 und von 2017. Mit “Röntgenspektren” hat man es im Alltag eher selten zu tun, aber eigentlich sind die Dinger nicht kompliziert. Man nimmt ein Teleskop, das Röntgenstrahlung nachweisen kann (in dem Fall das Weltraumteleskop Chandra), richtet es auf einen Stern und schaut nach, wie viel Röntgenstrahlung mit einer bestimmten Energie von dort abgestrahlt wird. Genau das sieht im Bild: Die x-Achse zeigt die Energie der Röntgenstrahlung und die y-Achse die “Helligkeit” also die Menge der Strahlung bei dieser Energie (angegeben in der Einheit Kilo-Elektronenvolt, was in der Grafik leider nicht dazu geschrieben wurde).

Röntgenstrahlung gibt jeder Stern ab. Röntgenstrahlung ist ganz normale elektromagnetische Strahlung; genau so wie das Licht, das wir mit unseren Augen sehen. Nur das unsere Augen sie eben nicht sehen können. Aber Sterne strahlen alles ab: Licht, Röntgenstrahlung und den ganzen Rest des elektromagnetischen Spektrums. RW Aur A tut das aber nicht gleichmäßig. Man erkennt sofort, dass die Kurven aus dem Jahr 2013 sich von denen im Jahr 2017 unterscheiden. 2013 war der Stern hell; 2017 eher dunkel, weil die blaue Kurve bei den niedrigen Energien unter der weißen liegt.

Dass RW Aur A seine Helligkeit verändert, war aber schon bekannt. Richtig interessant ist aber der rechte Bereich des Bildes, dort wo die große weiße Spitze im Spektrum auftaucht. Sowas kann entstehen, wenn Röntgenlicht auf größere Mengen von Eisenatomen trifft. In dem Fall muss es 2017 ungefähr zehnmal mehr Eisen gegeben haben als 2013. Wo aber kommt da auf einmal Eisen her? Junge heiße Sterne haben eher wenig Eisen. Eisen findet man aber, so wie die meisten anderen Atomsorten, auch in der Scheibe, die einen jungen Stern umgibt. Bei der Entstehung von großen Planeten sammelt es sich in deren Zentrum an (weil es schwerer ist als die anderen Atomen). Ein Himmelskörper der groß genug ist – so wie etwa die Erde – hat also einen Kern aus Eisen. Und wenn so ein riesiges Objekt auf eines trifft, das genau so groß ist, dann reicht die Kollision aus, dass beide Planeten komplett zertrümmert werden. Findet die Kollision nahe genug am Stern statt, dann werden diese Trümmerwolken zuerst den Stern umkreisen und irgendwann vom Stern verschluckt werden.

Wir haben also einen Stern, der im Jahr 2013 hell war. Einen Stern, der 2017 deutlich dunkler wurde. Weil dieser Stern offensichtlich aus einer Wolke von Material umgeben ist, das einen Teil seines Lichts blockiert. Eine Wolke aus Material, die jede Menge Eisen enthält. Eine Wolke, die 2017 da war; 2013 aber noch nicht. Oder anders gesagt: Zwischen 2013 und 2017 sind dort zwei Planeten aufeinander gekracht und die Trümmer dieser planetaren Kollision fallen seitdem auf RW Aur A.

So betrachtet ist das Bild also tatsächlich ziemlich beeindruckend! Natürlich wäre es schön, das ganze “in echt” sehen zu können. Einerseits, um herausfinden zu können ob das alles auch wirklich stimmt oder ob vielleicht doch was anderes abgelaufen ist (gravitative Störungen eines nahen Sterns, der Klumpen aus Material in der Scheibe erzeugt zum Beispiel). Und andererseits, weil es extrem cool wäre, so etwas “in echt” zu sehen!

Mindestens ebenso cool sind aber die wissenschaftlichen Bilder. Weil sie uns Phänomene zeigen, die wir eben nicht einfach so “sehen” können. Und bevor jemand doch noch meckert – Hier ist die künstlerische Darstellung:


Kommentare (17)

  1. #1 Gelegenheitsposter
    6. August 2018

    Ein Stern verschlingt einen Planeten und Astronomen sehen zu

    … die schauen einfach nur zu und machen nichts dagegen! Unerhört.

    Spaß beiseite: Gute Sache einmal die „wissenschaftlichen Bilder“ in den Vordergrund zu rücken.

    Ich erzählte mal einem Freund voller Begeisterung daß man die Quarks als drei getrennte Streuzentren „buchstäblich sehen“ könne, er war dann enttäuscht daß ich mit „sehen“ ein Peak in einem Historgramm meinte statt einem optisch zugänglicherem Bild.

  2. #2 schorsch
    6. August 2018

    Ich kapier die Grafik nicht. Was ist denn mit ‘Energie der Röntgenstrahlung’ gemeint? Hat ein Photon rechts auf der Skala eine 16fach (8 / 0,5) höhere Energie als ein Photon links auf der Skala?

  3. #3 Florian Freistetter
    6. August 2018

    @schorsch: Du hast recht; die Grafik ist schlecht. Da fehlt die Einheit. Die Energie der Photonen ist in keV angegeben; das steht aber nicht in der Legende der Grafik.

  4. #4 rolak
    6. August 2018

    die Grafik ist schlecht

    Zum Ausgleich immerhin doppeltlogarithmisch, ist doch auch was.

    Da fehlt die Einheit

    Tangiert Schorschens Abschätzung aber gar nicht, da sich dort die Einheit rauskürzt.
    ~ • ~
    Jedoch eine ganz andere Frage, Florian: 8keV kommt mir ein wenig mickrig vor, da sollen ja schon ganz andere Pegel in der heranrauschenden Brandung gemessen worden sein – ist dieser MaxLevel prozeßtypisch (falls ‘typisch’ bei dem Prozeß überhaupt schon existiert)?

  5. #5 Florian Freistetter
    6. August 2018

    @rolak: ” ist dieser MaxLevel prozeßtypisch”

    Gute Frage. Ich bin kein Experte für Röntgenastronomie… Die Autoren schreiben im paper “We limit our analysis to the energy band 0.3-9.0 keV. We measure the background flux from a large, source-free region on the same detector and find that the expected background flux in each source region is < 0,2 counts in any one observation.". Es geht anscheinend also noch mehr... Aber vielleicht liest auch ein Experte mit?

  6. #6 tomW
    6. August 2018

    Florian, vielleicht kannst Du mir eine Frage beantworten:

    Das Sonnensystem hat sich m.W.n. aus einer großen Gas/Staubwolke geformt.

    Wie kommt es dann im Laufe der Entstehung dazu, dass sich schwerere Elemente in der Scheibe und leichte Elemente (primär eigentlich Wasserstoff, oder?) in der Mitte – und damit die Sonne bildeten – gesammelt haben? Sollte die Verteilung nicht überall ähnlich sein?

  7. #7 Florian Freistetter
    6. August 2018

    @tomW: Vereinfacht gesagt: Alles war überall. Die schweren Elemente sind auch in der Sonne. Und der Wasserstoff war auch in der Scheibe. Nur dort war nix massereich genug, um den Wasserstoff festzuhalten. Bis auf die paar Protoplaneten die schnell genug groß genug wurde. Wie Jupiter und Saturn, die ja auch hauptsächlich aus H und He bestehen. Der restliche leichte Kram ist dann ziemlich bald durch Sonnenwind etc aus der Scheibe gepustet worden.

  8. #8 rolak
    6. August 2018

    Es geht anscheinend also noch mehr

    Generell wohl schon, Florian; wenn ich den betreffenden Part des papers richtig verstanden habe (jaja, erst jetzt quergelesen), ist allerdings speziell für fluoreszierendes Eisen schon der gemessene Level ein Zeichen für ‘sehr angeregt’, womit sich dann die Korona als Aufenthaltsort anbietet.

    Bei einem hinreichend starken VorabVerdacht scheint die spektrale Limitierung recht naheliegend.

  9. #9 tomW
    6. August 2018

    Hat die Sonne dann also auch einen Kern aus schweren Elementen? Oder wird das Plasma einfach zu sehr vermischt, als dass sich so etwas bilden könnte? Bei Wikipedia steht dazu anscheinend gar nichts…

  10. #10 schorsch
    7. August 2018

    Ich gehe jetzt mal davon aus, dass die Grafik nicht dem Muster https://xkcd.com/2023/ entspricht, sondern dass die Skalierung in der x- und y-Achse logarithmisch ist.

    Und die Helligkeit 2013 und 2017 entspricht dem jeweiligen Integral unter den beiden Kurven.

    Das Integral entspricht aber aufgrund der logarithmischen Darstellung nicht den sichtbaren Flächen unter den Kurven. Vielmehr hat das Integral der 2017-Kurve einen deutlich größeren Wert, als anhand der dargestellten Fläche ablesbar.

    Ist das soweit richtig, oder habe ich da einen Denkfehler gemacht?

    Denn wenn kein Denkfehler würde ich die Grafik völlig anders interpretieren: Der Stern strahlt 2017 deutlich heisser als 2013 und der Peak der Röntgenstrahlung hat sich in einen höherfrequenten Bereich verschoben. Da der Stern 2017 aber von neugebildeten Staubwolken verdeckt wird, wird ein großer Teil der niederfrequenten Röntgenstrahlung blockiert. Daher scheint der Stern in 2017 zwar ungefähr gleich hell wie 2013, aber in deutlich energiereicher Strahlung.

  11. #11 Norbert
    7. August 2018

    Zu den schweren Elementen in der Sonne – wie es aussieht ist da tatsächlich ein Topf voller Gold am Ende des Regenbogens: https://xkcd.com/1944/

  12. #12 tomW
    7. August 2018

    Die schweren Elemente sind also im Plasma vermischt?

  13. #13 tohuwabohu
    Berlin
    7. August 2018

    Zur “künstlerischen Darstellung”:

    Immer, wenn ich solche Bilder (oder wenn ich in SF-Filmen mal wieder ein Raumschiff durch eine Art Steinschlag kurven) sehe, frage ich mich, ob eine derart dichte Ansammlung so großer Brocken überhaupt langfristig möglich wäre und (bei dem Bild) ob aus dieser Perspektive die Staubscheibe nicht die Sonne verdecken müsste?. Müssten die dargestellten Asteroiden bei diesen geringen Abständen sich nicht gegenseitig so anziehen, dass es sehr schnell zu Zusammenballungen kommt?

    Wie muss das Verhältnis zwischen Größe und Abstand sein, damit das Ganze über längere Zeit stabil bleibt bzw. wie lange dauert es, bis die Gravitation dieses Wirrwarr aufgeräumt hat?

  14. #14 Florian Freistetter
    7. August 2018

    @tohuwabohu: Das Bild zeigt einen auseinanderbrechenden Planeten, keinen Asteroidengürtel. So eine Trümmerwolke kann dicht sein und ist in dem Fall nicht stabil. Bei nem echten Asteroidengürtel siehts anders aus. Siehe hier: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/07/21/die-grosse-der-asteroiden/

  15. #15 tohuwabohu
    Berlin
    8. August 2018

    Huch. Das war wohl die falsche Deutung des Bildes (vielleicht weil RW Aur A auch von einer protoplanetare Scheibe aus Gas, Staub, Planetesimalen, etc. umgeben ist).

    Wenn zwei Planeten zusammenstoßen, dann entstehen natürlich eine Menge Trümmer, die in alle möglichen Richtungen auseinander fliegen (jedes Stück aber auf seiner eigenen elliptischen Bahn um den Stern). In den Stern fallen können aber nur diejenigen Teile, die dabei direkt auf ihn zufliegen, bzw. die durch weitere Kollisionen oder beim Durchfliegen seiner Atmosphäre abgebremst werden. Der Rest wird wohl, soweit es nicht zur Neubildung eines Planeten und Mond(en) (wie bei der Erde) kommt, in der protoplanetaren Scheibe aufgehen.

    Im Bild werden neben einigem Staub gleichzeitig größere Brocken in Entfernungen von wenigen Vielfachen ihres Durchmessers dargestellt, während anscheinend andere (zwar kleiner dargestellte, aber tatsächlich wohl, weil dem Stern viel näher, viel größere) Teilstücke in die Sternatmosphäre fallen oder ihm doch so nahe kommen, dass sie aufgrund seiner Strahlung helle Gaswolken ausstoßen (kann gasförmiges Eisen, das durch die Strahlung eines Sterns erhitzt wird, heller leuchten als der Stern selbst?).
    D.h. ich bezweifle, dass dieses Bild eine mögliche Realität von RW Aur A zeigt.

  16. #16 StReiter
    8. August 2018

    mal anders gefragt, wenn der Stern 450 Lichtjahre entfernt ist, kann die Staubwolke doch eigentlich nicht zwischen 2013 und 2017 entstanden sein? sollte doch eher so vor 450 Jahren stattgefunden haben

  17. #17 Florian Freistetter
    8. August 2018

    @StReiter: Ja, natürlich braucht das Licht Zeit bis es bei uns ist. Aber da NICHTS schneller als das Licht sein kann, ist es recht irrelevant zu unterscheiden ob das jetzt vor 5 oder vor 450+5 Jahren passiert ist. Das war ja gerade der Clou an der Relativitätstheorie: Das, was wir als “gleichzeitig” verstehen lässt sich nicht eindeutig definieren. Wir erfahren von den Dingen in der Welt, wenn Licht von dort bis zu uns gelangt. Erst dann ist “es passiert”; vorher kann kein Ereignis irgendeinen Einfluss auf uns haben. Wer möchte kann gerne sagen, dass das “in Wahrheit” schon vor 450 Jahren passiert ist. Es hat aber keinerlei praktischen Zweck das zu tun, weil wir dieses “in Wahrheit” erst feststellen können, wenn das Licht da ist. Was in dem Fall eben erst 2013/2017 war.