Vor einigen Tagen haben Astronomen die potentielle Entdeckung eines Exomonds verkündet. Also eines Mondes, der den Planeten eines anderen Sterns umkreist. Über die Geschichte dieser Entdeckung kann man sich nebenan bei Alderamin informieren; hier ist nochmal die Kurzfassung der Exomond-Suche (gefolgt von ein paar neuen Forschungsergebnissen zum aktuellen Fall).
Da müssen Monde sein!
Als 1995 der erste Planet der einen anderen Stern als die Sonne umkreist entdeckt wurde und als man in den folgenden Jahren noch jede Menge andere solcher Exoplaneten entdeckte war eines klar: Es muss auch Monde geben, die einige dieser Planeten umkreisen. Alles andere wäre höchst absurd. Wir wissen, dass alle Planeten des Sonnensystems – mit Ausnahme der Venus und des Merkurs – von Monden umkreist werden und wir wissen, dass solche Monde im Zuge der Planetenentstehung quasi zwangsläufig mitentstehen. Es wäre höchst überraschend, wenn es Monde nur in unserem Sonnensystem geben würde.
Schon vor langer Zeit haben sich Wissenschaftler daher auch überlegt, wie man diese Monde finden kann. Das ist nicht einfach. Planeten anderer Sterne entdecken wir indirekt. Das heißt, wir sehen nicht den Planeten selbst, sondern wir sehen zum Beispiel wie der Stern in periodischen Abständen ein wenig dunkler wird, weil der Planet von uns aus gesehen vor dem Stern vorüber zieht. Hat der Planet einen Mond, dann kann er zusätzlich noch ein klein wenig mehr Licht blockieren und das kann man theoretisch beobachten. Es gibt auch andere Methoden, zum Beispiel unter dem Einsatz von Radioteleskopen – aber allen war klar, dass die Exomonde wenn überhaupt mit der aktuellen Technik nur sehr schwer nachweisbar wären.
Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder potentielle Entdeckungen, die aber immer ein wenig unklar waren. Da war zum Beispiel ein Stern, der von einem braunen Zwerg umkreist wird, der – vermutlich – von einem erdmondgroßen Himmelskörper umkreist wird. Ist das nun der Mond eines braunen Zwergs? Aber ein brauner Zwerg ist kein Planet sondern eher ein Mittelding zwischen Riesenplanet und Stern; kann etwas das so ein Objekt umkreist überhaupt “Mond” genannt werden oder ist es doch eher ein kleiner Planet der den braunen Zwerg umkreist?
Die Entdeckung des Supermondes?
Wie gesagt: Es gab nix definitives und das gibt es immer noch. Das, was vor einigen Tagen verkündet wurde (“Evidence for a large exomoon orbiting Kepler-1625b”) ist noch nicht letztgültig bestätigt. Und wenn es bestätigt wird, handelt es sich um einen sehr seltsamen Mond. Es geht um den sonnenähnlichen Stern Kepler-1625, der sich circa 8000 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Schwan befindet. Dieser Stern wird von einem jupiterähnlichen Gasriesen umkreist und dieser Planet – Kepler-1625b – wiederum von einem Objekt, das so groß wie der Neptun ist. Und der Neptun ist wirklich groß! Neptun hat 17 Mal mehr Masse als die Erde und ist vier Mal größer. Der “Mond” der Kepler-1625b umkreist (und der die Bezeichnung “Kepler-1625b-I” trägt) ist also selbst ein Gas”planet” und kein felsiger Himmelskörper wie all die Monde die wir aus dem Sonnensystem kennen.
Wir haben auch keine Ahnung, wie so ein Gasmond entstehen könnte. Er kann nicht durch eine Kollision entstanden sein, wie unser Mond. Er kann sich nicht gemeinsam mit dem Planet gebildet haben, denn ein Gasriese würde nicht genug Gas in seiner Umgebung übrig lassen, das es für einen Gasmond reicht. Dass er eingefangen wurde ist zwar nicht unmöglich, aber extrem unwahrscheinlich.
Aber auch wenn wir keine Ahnung haben, wie so ein riesiger Gasmond entsteht, haben sich Wissenschaftler natürlich Gedanken darüber gemacht, was man sonst noch so über dieses Ding wissen könnte. Und eine Frage die sich in diesem Kontext sofort stellt ist: Kann denn dieser Gasmond vielleicht selbst noch einen “richtigen” Mond haben?
Hat der Mond einen Mond?
Es spricht rein theoretisch nichts dagegen, dass ein Mond selbst wiederum von einem Mond umkreist wird. Ich habe das Thema früher schon mal ausführlich betrachtet. Wenn der “Unter-Mond” sich ausreichend nahe am Mond und ausreichend weit entfernt vom gravitativen Einfluss des Planeten befindet, dann kann er problemlos existieren – auch für lange Zeiten. Juna Kollmeier von der Carnegie Institution of Washington und Sean Reymond von der Universität Bordeaux nennen solche Mond-Monde “submoons” und haben sich in einer aktuellen Arbeit (“Can Moons Have Moons?”) das Thema nochmal genauer angesehen. Sie haben die relevanten Faktoren – gravitative Störungen, Gezeitenkräfte, etc – in einer Formel zusammengefasst mit der sich berechnen lässt, unter welchen Umständen ein Mond einen submoon auf stabiler Umlaufbahn haben kann. Ihr Ergebnis: Das klappt nur bei vergleichsweise großen Monde die vergleichsweise weit von ihrem Planet entfernt sind. Geht man von einem 10 Kilometer großen submoon aus, dann könnten in unserem Sonnensystem der Jupitermond Callisto, die Saturnmonde Titan und Iaeptus und auch der Mond der Erde jeweils einen eigenen Mond besitzen. Tun sie aber alle nicht, wie wir wissen.
Kollmeier und Raymonds haben sich aber auch den Mond von Kepler-1625b angesehen. Und tatsächlich kann auch der submoons in stabilen Bahnen beherbergen. Vermutlich. Denn die Umlaufbahn des Mondes ist stark gegenüber der Bahnebene des Planeten geneigt und zwar um 45 Grad. Das ist eher ungewöhnlich – die Bahn des Erdmons ist zum Beispiel nur um 5 Grad gegenüber der Erdbahn geneigt – und kann Auswirkungen auf die Stabilität von submoons haben. Die sind aber in der Arbeit von Kollmeier und Raymonds nicht berücksichtigt und entsprechende detaillierte Computersimulationen müssen erst durchgeführt werden.
Kann man auf dem Mond-Mond von Kepler-1625b leben?
Jetzt mal abgesehen von der Frage ob es den Exomond wirklich gibt und abgesehen von der Frage, ob der Exomond selbst wieder einen Mond hat: Wenn wir so tun, als wäre das alles so – wäre der Mond-Mond dann lebensfreunlich? Das ist eine zugegebenermaßen sehr spekulative Frage, aber eine die natürlich gestellt und auch beantwortet wird. Und zwar von Duncan Forgan von der University of St Andrews (“The habitable zone for Earthlike exomoons orbiting Kepler-1625b”). Forgan betrachtet in seiner Arbeit einen hypothetischen erdgroßen Himmelskörper, der den Mond von Kepler-1625b umkreist. Dann berechnet er, ob sein Mond lebensfreundlich sein könnte. Da spielt natürlich der Abstand zum Stern und dessen Leuchtkraft eine wichtige Rolle. Aber auch der Abstand den der Mond vom Planeten und der Mond-Mond (der bei Forgan übrigens tatsächlich “moon-moon” genannt wird) vom Mond hat. Man muss berücksichtigen, wie viel Licht der Planet auf Mond und Mond-Mond reflektiert, wie stark die Gezeitenkräfte von Planet und Mond den Mond-Mond aufheizen, und so weiter.
Forgan kommt zuerst einmal zum gleichen Ergebnis wie Kollmeier & Raymonds und stellt fest, dass der Mond-Mond tatsächlich auf einer stabilen Umlaufbahn existieren kann. Er stellt aber auch fest, dass die Gezeitenkraft die der massive Planet und dessen massiver Mond auf den Mond-Mond ausüben, beträchtlich sein können. Hat der Mond-Mond keine kreisförmige sondern eine stark exzentrische Umlaufbahn, dann wird der Mond-Mond so stark durch die Gezeitenkraft “durchgeknetet” und dadurch aufgeheizt, dass er unbewohnbar wäre.
Und dann ist da ja auch noch der Stern selbst. Den habe ich oben als “sonnenähnlich” beschrieben, was zwar durchaus auf seine Masse und Größe zutrifft, aber nicht auf sein Alter. Kepler-1625 ist circa 9 Milliarden Jahre alt; also doppelt so alt wie die Sonne und schon fast am Ende seines Lebens angekommen. Ein Stern leuchtet aber umso stärker, je älter er wird. Die Sonne etwa ist momentan noch recht nett zu uns. In ungefähr 1-2 Milliarden Jahren wird sie aber so heiß geworden sein, dass auf der Erde kein flüssiges Wasser und damit auch kein Leben mehr existieren kann. Der gleiche Prozess hat bei Kepler-1625 dazu geführt, dass Planet, Mond und Mond-Mond aktuell nicht habitabel sein können. Aber früher könnte sich ein eventueller Mond-Mond tatsächlich in einem Bereich befunden haben, der zumindest theoretisch lebensfreundlich war.
Und jetzt?
Der potentielle Mond-Mond des potentiellen Monds der den Planeten Kepler-1625 (vermutlich) umkreist könnte also zumindest theoretisch existieren und war unter Umständen mal lebensfreundlich (sofern es ihn überhaupt gibt). Das ist alles enorm vage – aber zumindest recht interessant. Und es ist in etwa das, was man sich zu diesem Zeitpunkt an Information und Spekulation erwarten würde. Die Situation ist vergleichbar mit der Anfang der 1990er Jahre, als man einige potentielle Exoplaneten entdeckt hatte, aber noch nicht so wirklich wusste, ob die Beobachtungen brauchbar waren oder nicht. Und die Planeten die man potentiell entdeckt hatte, waren alle eher ein wenig seltsam. Als man dann zweifelsfrei Planeten entdeckte, die andere Sterne umkreisten, haben die sich auch als ebenso zweifelsfrei seltsam herausgestellt; als Objekte, die es so in unserem Sonnensystem nicht gibt und mit deren Existenz auch keiner gerechnet hatte. Erst als wir immer mehr Exoplaneten gefunden hatten und unsere Instrumente immer besser wären, hat sich das Bild geklärt. Wir haben auch Himmelskörper entdeckt die verstehen konnten; wir haben die Himmelskörper entdeckt die wir erwartet hatten und konnten die Existenz derjenigen erklären, mit denen niemand gerechnet hatte.
Mit den Exomonden wird es vermutlich genau so sein. Wenn wir sie – dank besserer Technik – in den nächsten Jahren hoffentlich immer öfter finden, werden da Objekte dabei sein, die wir aus unserem Sonnensystem nicht kennen. Sie werden seltsam sein, wir werden uns zuerst nicht erklären können, wo sie herkommen und wie sie entstanden sind. Aber dann werden wir immer mehr finden; wir werden sie immer besser verstehen und am Ende werden wir sie in unser – dann verbessertes – Bild des galaktischen Inventars passen. Vermutlich werden wir sogar den einen oder anderen Mond-Mond entdecken und eventuell auch einen potentiell habitablen Mond. Bis dahin wird aber ohne jeden Zweifel heftig weiter spekuliert werden. Zu Recht, denn wenn wir unsere Fantasie nicht bemühen, dann werden wir auch nichts Neues da draußen im All entdecken!
Kommentare (18)