Wer schon einmal das (zweifelhafte) Vergnügen hatte, einer wissenschaftlichen Fachkonferenz beizuwohnen wird wissen: Ein Großteil der dort sprechenden Forscherinnen und Forscher kümmert sich eher wenig um die äußere Form und Darbietung ihrer Vorträge. Ich habe früher schon darüber gemeckert, wie schlecht viele wissenschaftliche Präsentationen (selbst von Nobelpreisträgern) sind. Hinzu kommt: Viele Vortragende halten sich nicht an die vorgegebene Länge des Vortrags. Ich kann mich an keine Konferenz erinnern, in der der geplante Programmablauf irgendwann einmal tatsächlich eingehalten wurde. Und ein weiterer Punkt: Gerade die schlechten Vorträge scheinen auch die zu sein, die viel zu lange dauern.
Dieser Befund wurde, nun ja – nicht gerade wissenschaftlich erforscht – aber durch eine halbwegs fundierte Beobachtung bestätigt. Robert Ewers vom Imperial College in London hat einen Leserbrief an die Fachzeitschrift Nature geschrieben (“Do boring speakers really talk for longer?”). Darin berichtet er von einer Konferenz bei der er 50 Vorträge hörte, die jeweils 12 Minuten dauern sollten. Ewers teilte sie in “langweilige” und “nicht langweilige” Präsentationen ein und kam zu dem Ergebnis, dass die 16 langweiligen Vorträge im Schnitt mit 13 Minuten und 12 Sekunden signifikant länger dauerten als die 34 nicht langweiligen Präsentationen die pünktlich nach durchschnittlichen 11 Minuten und 42 Sekunden endeten.
Um sicher zu stellen, dass nicht die Länge selbst über seine Entscheidung über Langweile oder nicht entschied, fällte Ewers sein Urteil über die Attraktivität eines Vortrags immer nach jeweils 4 Minuten; also zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht absehbar war, ob die Präsentation pünktlich enden würde oder nicht.
Wie gesagt: Es ist ein Leserbrief mit einer anekdotischen Beobachtung. Aber auch Anekdoten können Daten sein (nur sind es halt sehr oft Daten, deren Qualität nicht eingeordnet werden kann) – oder zumindest Hinweise auf Daten. Und was Ewers’ Beobachtung angeht, fällt es mir eigentlich nicht schwer daran zu glauben, dass eine umfassende wissenschaftliche Studie seine anekdotischen Daten bestätigen wird.
Denn was unterscheidet einen guten Vortrag von einem schlechten, d.h. langweiligen Vortrag? Sehr viele, oft auch sehr individuelle Dinge natürlich. Aber man kann durchaus ein paar allgemeine Aussagen machen. Bei einem guten Vortrag ist von Anfang an klar, worum es geht. Das Publikum ist sich immer im klaren, warum der Vortragende genau die Geschichte erzählt, die erzählt wird. Es wird nur das erzählt, was nötig ist um die Geschichte zu Ende zu bringen; es gibt keine sinnlosen Abschweifungen, keine irreleventen Informationen. Es gibt nicht zu viel Information; keine unverständliche Information und auch nicht zu wenig Information. Es gibt Abbildungen die das zeigen, was gesehen werden muss. Und es gibt nur solche Abbildungen. Und so weiter. Eigentlich lässt sich das auch in einem Satz zusammenfassen: Der oder die Vortragende hat sich Gedanken gemacht, was im Vortrag passieren soll!
Wer vorher gezielt und aktiv darüber nachdenkt, was man dem speziellen Publikum zu dieser speziellen Gelegenheit präsentieren kann und wie man das für das konkrete Publikum tut, wird auch deutlich weniger Probleme haben, all die oben genannten Kritierien zu erfüllen. Wer dagegen einfach die 0815-Präsentation auf den Konferenzrechner lädt, die schon bei den letzten 20 Konferenzen zum Einsatz gekommen ist; wer sich keine Gedanken um das konkrete Publikum macht und für jede Zielgruppe die gleich Präsentation verwendet; wer sich denkt: Ach, ich hab die Forschungsarbeit ja immerhin selbst gemacht, da weiß ich auch was ich erzählen kann und muss mich nicht speziell vorbereiten: Der wird mit großer Wahrscheinlichkeit jede Menge der oben aufgezählten Fehler machen.
Die gute Vorbereitung eines Vortrag hat aber selbstverständlich einen offensichtlichen Nebeneffekt: Wer sich schon vorher darüber klar geworden ist, was beim Vortrag passieren wird, muss das nicht währenddessen tun. Sondern kann sich auf die Präsentation selbst konzentrieren. Auf das Publikum eingehen. An der persönlichen Präsentation und stimmlichen Modulation arbeiten (ein wichtiger Punkt der oft vernachlässigt wird). Und so weiter – d.h. den gut geplanten Vortrag auch packend und interessant für die Zuhörer zu machen. Und wer einen Vortrag gut plant weiß automatisch auch, ob er für das jeweilige Format zu lang oder zu kurz ist! Wer sich dagegen mit einem schlecht geplanten Vortrag ohne Vorbereitung vor ein Publikum stellt, wird während des Redens so sehr mit dem Inhalt der Präsentation beschäftigt sein, dass keine Kapazität für Gedanken an stimmlichen Vortrag oder das Publikum bleibt. Die Präsentation wird noch unattraktiver als sie dank mangelnder Planung sowieso schon ist. Und man hat keine Kontrolle und kein Gefühl für die Länge! Wer vorher nicht weiß, was man eigentlich erzählen will, kann auch nicht abschätzen, wie lange es dauert das zu erzählen (weil man ja eben gar nicht weiß, was das sein wird).
Kurz gesagt: Gut geplante Vorträge enden automatisch pünktlich UND sind interessant. Eine zu lange Präsentation ist dagegen unweigerlich schlecht vorbereitet (denn ansonsten wäre sie nicht zu lang!) und damit tendeziell auch inhaltlich schlecht und langweilig!
Also: Wenn ihr Vorträge halten müsst – bereitet euch gezielt und gut darauf vor! Das klingt nach einem trivialen Rat. Aber die Realität der wissenschaftlichen Konferenzen zeigt, dass sich viel zu viele Leute viel zu oft nicht daran halten (Weswegen ich mich übrigens auch sehr freue, im Januar an der Uni Graz eine Lehrveranstaltung zu genau diesem Thema halten zu können).
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