Es war einmal eine Raumsonde die am 19. Januar 2006 von einer kleinen Insel in Florida auf einer großen Rakete in den Weltraum flog. Als sie die Erde verließ, war sie so schnell wie kein anderes Raumfahrzeug. In jeder einzelnen Sekunde legte sie mehr als 16 Kilometer zurück und mit dieser enormen Geschwindigkeit machte sie sich auf zum Ende des Sonnensystems. Schon ein Jahr später kam sie an Jupiter vorbei. Die Anziehungskraft des größten der Planeten gab der Sonde einen Schubs der sie noch einmal um fast 4 Kilometer pro Sekunde schneller machte und lenkte sie in die Richtung ihres eigentlichen Ziels. Nun ging die Raumsonde schlafen, denn für die nächsten Jahre würde sie allein durchs dunkle All fliegen, ohne anderen Himmelskörpern nahe zu kommen. Sie musste ihre Energie sparen um am Ende ihrer Reise das zu tun, für das sie gebaut worden war. Erst im Dezember 2014 wachte sie wieder auf schickte den Menschen auf der Erde die ersten Bilder des Himmelskörpers, den zu beobachten sie aufgebrochen war: Pluto.

Der ferne, eisige Pluto war seit seiner Entdeckung im Jahr 1930 noch nie von uns Menschen besucht oder auch nur im Detail gesehen worden. Die Raumsonde sollte das ändern und am 14. Juli 2015 erreichte sie ihr Ziel. Nur 12.472 Kilometer trennten sie von der Oberfläche des Pluto, als sie mit fast 14 Kilometer pro Sekunde an ihm vorbei flog. Anhalten konnte sie nicht, dafür war sie zu schnell und sie hatte nicht genug Energie, um abzubremsen. Aber die Bilder die sie in der kurzen Zeit ihres Vorüberflugs sah, schickte sie zur Erde damit sie dort von allen Menschen gesehen werden konnten.

Der Besuch bei Pluto war kurz, aber erfolgreich. Noch mehr als zwei Jahre lang war die Sonde damit beschäftigt, all die Bilder und Daten zurück zur fernen Erde zu schicken, die sie gesammelt hatte. Als das erledigt war, war Pluto schon längst wieder im Dunkel des Weltraums verschwunden. Die Raumsonde aber blickte nicht mehr zurück, sondern nach vorne in die unerforschten Regionen des Sonnensystems und machte sie auf die Suche nach einem neuen Ziel für ihre Mission. Nach Pluto sollte sie nun Ultima Thule erforschen, eine kleine eisige Welt so weit von der Erde entfernt, das sie von den Menschen noch nicht einmal entdeckt worden war, als sich die Raumsonde auf ihren Weg machte.

Am 16. August 2018 sahen die Kameraaugen der Raumsonde das erste Mal ihr nächstes Ziel. Nur als kleinen, schwach leuchtenden Punkt im Meer der Sterne. Aber da war Ultima Thule und der Weg der Raumsonde führte genau darauf zu. Je näher die Raumsonde ihrem Ziel kam, desto genauer konnte sie Ultima Thule sehen. Immer wieder schickte sie Bilder zurück zur Erde. Wie Ultima Thule aber wirklich aussieht, konnte auch dort niemand erkennen.

Ultima Thule schien allein durchs Weltall zu reisen, ohne Monde, ohne Ringe oder andere Himmelskörper in seiner Nähe. Das war gut für die Raumsonde, denn sie wollte ihrem nächsten Ziel möglichst nahe kommen. Aber weil sie mittlerweile so enorm schnell durch das Weltall reiste, musste sie aufpassen, nirgendwo anzustoßen. Schon winzige Felsbrocken, kleinste Staubkörnchen in ihrem Weg könnten bei einem Zusammenstoß ihr Ende bedeuten.

Im Zentrum: Ultima Thule. DIe beiden Kreise sind die möglichen Distanzen für den Vorbeiflug. New Horizons wird den inneren Kreis ansteuern. Das Bild entstand durch Überlagerung vieler Aufnahmen, die Sterne wurden dabei rausgerechnet – daher stammen auch die kreisförmigen Artefakte im linken Bildteil (Bild: NASA/Johns Hopkins Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute.)

Aber ihr beständig aufs Ziel gerichtete Blick zeigte keine Hindernisse. Sie konnte ihren Kurs beibehalten und so dicht wie möglich an Ultima Thule vorbei fliegen. Nun war sie zu weit von der Erde entfernt und zu nah an ihrem Ziel, um die Bahn noch rechtzeitig ändern zu können. Sie würde Ultima Thule erreiche, am ersten Tag des neuen Jahres. Um 18:33 wird sie nur 3500 Kilometer an Ultima Thule vorbei fliegen und den Menschen auf der Erde ein weiteres Mal Bilder einer neuen und unbekannten Welt zeigen.

Wenn sie diesen Vorbeiflug übersteht, wird auch die Reise der Sonde weitergehen. Sie wird auch bei Ultima Thule nicht anhalten können, sondern sich tiefer in den unbekannten Weltraum fliegen. Und dort nach neuen Zielen und neuen Welten suchen. Viel Glück, Raumsonde!

Die Raumsonde New Horizons wird am 1. Januar 2019 um 18:33 MEZ in 3500 Kilometer am Asteroid mit dem Spitznamen “Ultima Thule” vorbei fliegen. Eine so ferne Welt haben wir noch nie aus der Nähe beobachtet und auch noch nie so ein Objekt aus dem Kuiper-Asteroidengürtel. Feiert nicht zu viel an Silvester damit ihr fit für dieses Ereignis seid!

Kommentare (27)

  1. #1 Braunschweiger
    19. Dezember 2018

    Eine Weihnachtsgeschichte, wie sie ein Astronom oder ein Raumfahrttechniker erzählt. Auch mal nett!

    Also: Schönes Weihnachtsfest in der Ferne, kleine Sonde! — Falls dir einsam ist da draußen, mach es wie E.T.: nach Hause telefonieren.

    Noch mal kreativ: Könnte man einen Genremix aus “Der Marsianer”, “Nummer 5 lebt” und “Wall-e” nicht auch mit so einer kleinen Sonde erzählen?

  2. #2 schlappohr
    19. Dezember 2018

    Coole Sache. Es finde es immer wieder unglaublich, dass man Maschinen bauen kann, die Jahrelang ohne Wartung und unter widrigsten Bedingen funktionieren.
    Alles Gute. Mögest Du neue Horizonte finden!

    Mal noch eine Frage: Wenn ich das mit dem Swing-by-Manöver richtig verstanden habe, ist es nicht die Schwerkraft des Jupiter, die die Sonde beschleunigt, sondern dessen Eigenbewegung. Zwar wird die Sonde bei der Annäherung an den Jupiter schneller, aber beim Verlassen wieder langsamer. Die Differenz vom 4km/s ergibt sich nur daraus, dass ein winziger Teil der kinetischen Energie des Planeten auf die Sonde übertragen wurde, während sie sein Gravitationsfeld durchflog und von ihm “festgehalten” wurde. Würde der Jupiter stillstehen (was natürlich unmöglich ist), dann wäre das Manöver völlig wirkungslos. Ebenso fatal wäre es, wenn die Sonde den Jupiter von der falschen Seite anfliegt (sich ihm von hinten nähert). Dann würde sie sogar abgebremst. Stimmt das so, oder habe ich mir da Unsinn zusammenphantasiert?

  3. #4 Lutz Donnerhacke
    Jena
    19. Dezember 2018

    Sehr nett erzählt. Habe es gerade mit viel Empathie in der Stimme den Arbeitskollegen vorgelesen. *Tränchen wegdrück*

  4. #5 schlappohr
    19. Dezember 2018

    Ah, danke für den Link – ich konnte mich dunkel erinnern, dass Du mal darüber geschrieben hast, aber wusste nicht mehr wann.

    Ich stelle mir das wahnsinnig schwierig vor, zu einem gegebenen Ziel eine geeignete Folge von Swing-by-Manövern zu finden, die die Sonde dorthin bringen. Wahrscheinlich stehen die Planeten nie dort, wo man sie gerade braucht. Ist ja immer so.

  5. #6 Michael Schöfer
    Mannheim
    19. Dezember 2018

    Ich freue mich schon auf den 1. Januar, hoffentlich sind die Bilder genauso faszinierend, wie es die von Pluto gewesen sind. Unbeschreiblich schön.

    Aber man sollte beachten, dass die Sonde bereits 2006 gestartet ist. Mit anderen Worten: Für eine bemannte Mission wird so ein Flug vermutlich auch in Zukunft ausscheiden. Und es stellt sich die berechtigte Frage, warum die Menschheit so viel Geld für die bemannte Raumfahrt ausgibt (etwa die zum Mars), während man mit dem gleichen Geld viel, viel mehr entdecken könnte. “Die Kosten, einschließlich der Entwicklung und des Baus der Raumsonde sowie ihrer Instrumente, der Trägerrakete und des Missionsbetriebs bis zum Jahr 2016 betrugen etwa 700 Millionen Dollar.” (Wikipedia) Die Kosten eines bemannten Marsfluges sind dagegen horrend: “Die NASA ging 2015 von 125 Milliarden US-Dollar aus. Der Nationale Forschungsrat der USA schätzte im gleichen Jahr die Kosten auf 75 bis 300 Milliarden Dollar.” (Wikipedia) Ich meine mich zu erinnern, auch mal was von 500 Mrd. Dollar gelesen zu haben. Jeder kann sich ausrechnen, wie viele Sonden a la New Horizons man dafür bekäme.

  6. #7 Mars
    19. Dezember 2018

    @Schlappohr

    nicht immer, die beiden Voyager sonden haben mehrere solche manöver gemacht – faszinierend allerdings, dass mann/frau das in den 60er/70er so toll berechnen konnten, mit ihren zimmergrossen ‘taschenrechnern’ viel hirnschmalz und mit papier und bleistift.
    hut ab, solche eine situation, planetenstellung zu erkennen …. und rechtzeitig genutzt zu haben.

  7. #8 Dampier
    19. Dezember 2018

    Wunderschön erzählt! Ein liebenswerter Artikel zur besinnlichen Zeit …

    tiefer in den unbekannten Weltraum fliegen. Und dort nach neuen Zielen und neuen Welten suchen.

    Sind denn weitere Missionen geplant bzw. möglich?

  8. #9 SkeptikSkeptiker
    19. Dezember 2018

    Pluto? War das nicht erst im letzten Jahr? Ogottogott…

  9. #10 Florian Freistetter
    19. Dezember 2018

    @Dampier: “Sind denn weitere Missionen geplant bzw. möglich?”

    Also Energie hat die Sonde noch bis circa 2035. In der Zeit könnte man bis über 90 AE weit kommen. Bis in die Nähe des Termination Shock also; wenn die Sonde so lange durchhält und finanziert wird, wird man sich das sicher ansehen. Und wer weiß, ob man nicht noch ein paar Asteroiden entdeckt, die auf dem Weg liegen. Kommunizieren könnte die Sonde bis zu einer Entfernung von 200 AE.

  10. #11 Karsten
    19. Dezember 2018

    @Dampler: Keine Ahnung, was vor der “Nase” von New Horizons aktuell so rumschwebt und mit dem Resttreibstoff, den sie vielleicht noch hat, erreichbar ist. Wäre cool, wenn der gerade neu entdeckte Zwergplanet dazugehören würde …auch, wenn der vermutlich zu weit draußen ist.

  11. #12 Captain E.
    19. Dezember 2018

    @Karsten:

    Ob es ein Zwergplanet wird, entscheidet irgendwann die IAU. Aber da das Weltall ziemlich groß ist, liegt “Farout” mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach sowieso viel zu weit weg von der Flugbahn von New Horizon. Mit viel Glück findet die NASA noch so einen Miniasteroiden wie “Ultima Thule”.

  12. #13 UMa
    19. Dezember 2018

    @Florian:

    Die Raumsonde aber blickte nicht mehr zurück, sondern nach vorne in die unerforschten Regionen des Sonnensystems und machte sie auf die Suche nach einem neuen Ziel für ihre Mission.

    Die Suche nach weiteren Zielen nach Pluto hat aber nicht die Sonde durchgeführt, sondern wurde mit dem Hubble Teleskop aus Erdnähe gemacht.

  13. #15 Jörg
    Mühlhausen
    19. Dezember 2018

    Eine Frage:
    Ist im Artikel die Ankunftszeit der Sonde gemeint oder die Zeit, zu der die Funksignale der Sonde bei uns ankommen?

  14. #16 Alderamin
    19. Dezember 2018

    @Florian

    Feiert nicht zu viel an Silvester damit ihr fit für dieses Ereignis seid!

    Kein Stress, vor 18:27h am 1. Januar ist kein Downlink geplant (es wird zwar schon einige wenige Bilder vor Ankunft geben, aber mit geringer Auflösung aus großer Entfernung, nur um zu sehen, ob das Objekt da ist, wo man es erwartet, so dass die vollautomatische Sonde die Aufnahmen zur richtigen Zeit in der richtigen Richtung macht). Die ersten Aufnahmen vom 1. und 2. Januar werden auch nicht die besten sein, auch da wird man hauptsächlich verifzieren, ob es grundsätzlich funktioniert hat. Alle Daten herunterzuladen, wird 20 Monate dauern.

    Hier ein schöner Artikel von Emily Lakdawalla, der auch ein paar Links zur Verfolgung der Mission enthält.

  15. #17 Ali Naki Özcan
    Berlin
    19. Dezember 2018

    Gut

  16. #18 Florian Freistetter
    19. Dezember 2018

    @Alderamin: “Kein Stress, vor 18:27h am 1. Januar “

    Du weißt nicht, wie ich feiere 😉 (Na ja, jetzt eh nicht mehr, aber als ich noch jung war…)

  17. #19 Alderamin
    19. Dezember 2018

    @Florina

    😀 Meine Kater verzogen sich meist gegen Mittag…

  18. #20 Caracalla
    20. Dezember 2018

    Danke für die nette Weihnachtsgeschichte.

    Verstehe ich das richtig, dass man jetzt nicht mehr die Flugbahn der Sonde korrigieren kann und man nur hoffen kann, dass sie noch irgendetwas Interessantes auf ihrem Weg findet?

  19. #21 stone1
    20. Dezember 2018

    Am Neujahrstag wird Brian May, der auch als Wissenschaftler an dieser Mission beteiligt ist, einen neuen Song veröffentlichen, der von der Reise zu Ultima Thule inspiriert ist. Er heißt so wie die Sonde ‘New Horizons’. Dort kann man schon mal vorab reinhören.

  20. #22 noch'n Flo
    Schoggiland
    20. Dezember 2018

    @ FF:

    Du weißt nicht, wie ich feiere (Na ja, jetzt eh nicht mehr, aber als ich noch jung war…)

    Lass mich raten – ganz nach Astronomenart? Also sich die Kante geben bis man Sterne sieht und die Erdrotation sowie Einsteins Zeitdilatation bei Annäherung an c spürt? Und am nächsten Morgen ist die Erinnerung ein supermassives schwarzes Loch, die Welt geht unter und man macht jede Menge Galaxienhaufen?

    So in etwa?

  21. #23 walter
    23. Dezember 2018

    Ich stelle mir die ganzen Sonden immer als kleine Lebewesen vor, die da ganz alleine weiß Gott wo rumschwirren und brav ihren Job machen (fast so wie Wall-E).

    Was mich daran “stört”, ist, dass die Menschheit (oder ein Teil davon) solche großartige Dinge zusammenbringt, die vom Rest so gut wie nicht wahrgenommen werden oder als wissenschaftliche Spinnerei nach dem Motto “wozu brauchen wir das” abgetan wird und hier auf der Erde alles schön langsam den Bach runter geht (Klima, Politik, Sozial usw). Ich wünsche mir immer, dass eben dieser dumpf dahinlebende Teil sich solche Missionen als Vorbild nehmen sollte, um all die Probleme, wenn nicht schon vollständig lösen, so doch wenigstens so zu vermindern, dass auch spätere Generationen noch etwas von der Erde haben. Möglich wäre es ja, aber will man es auch?

    Nur leider leben eben viele im Sinne von “hinter mir die Sintflut” – und ihr, die ihr nachkommt, schaut selber wie ihr zurechtkommt. Was gehts mich an.

    Auf jeden Fall bin ich schon auf die Fotos gespannt, die New Horizons schicken wird. Und ich glaube, dass die wieder phantastisch sein werden.

    Oh noch eine Frage: Bei Pluto hab ich mich schon gewundert, wie hell bzw. beleuchtet er ist. Ist soweit draußen die Sonneneinstrahlung noch so groß, dass man Farben usw. erkennen kann? Oder wurden die Fotos nachträglich künstlich eingefärbt um alles besser sichtbar zu machen?

  22. #24 DasKleineTeilchen
    terra
    24. Dezember 2018

    @Alderamin: danke für den link; emily geht mal wieder sehr schön ins detail. und mit hochauflösenden bildern (wenns denn überhaupt klappt hat wie gedacht) ist laut ihr nicht vor ende februar zu rechnen. tja.

  23. #25 Thomas N.
    2. Januar 2019
  24. #26 Thomas N.
    3. Januar 2019

    Bin schon gespannt wann es den nächsten Blog-Artikel über Ultima Thule gibt. Neue Bilder:
    https://pluto.jhuapl.edu/News-Center/News-Article.php?page=20190102

  25. #27 Captain E.
    3. Januar 2019

    Oder ein unfertiger Schneemann! Was für ein erstes Foto!? Der Abstecher hat sich doch echt gelohnt.