i>Der Artikel ist Teil einer Serie zum Buch ”Die Himmelsscheibe von Nebra – Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas”* von Harald Meller und Kai Michel. Die restlichen Artikel der Serie findet man hier.
——————-
Nachdem die berühmte “Himmelsscheibe von Nebra” in einer krimitauglichen Aktion sicher gestellt und endlich in die Hände der Wissenschaft gelangt und ihre historische und astronomische Bedeutung erkannt worden war, wäre es eigentlich an der Zeit gewesen, sie in Ruhe in allen Details zu erforschen. Aber zuerst musste sich die Himmelsscheibe noch vor Gericht verantworten. Von 1. September 2004 bis 26. September 2005 war das Landesgericht Halle damit beschäftigt, die Echtheit der Himmelsscheibe zu prüfen.
Das ist eigentlich nicht die Aufgabe der Justiz, in diesem Fall war es aber von juristischer Bedeutung. Denn Reinhold S. und Hildegar B., die die Himmelsscheibe illegal von den Raubgräbern angekauft und an Harald Meller, den Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt weiter verkaufen wollten, waren wegen Hehlerei angeklagt. Wenn die Himmelsscheibe aber kein echter archäologischer Fund sondern nur eine Fälschung war, dann hätte man die beiden auch nicht wegen Hehlerei anklagen können. Also setzte die Verteidigung alles daran, die Echtheit der Himmelsscheibe anzuzweifeln. Sie behauptete, es handle sich um eine Fälschung, die aus der ehemaligen Tschechoslowakei stamme und keinesfalls seit Jahrtausenden im Boden Mitteldeutschlands gelegen haben könnte.
Aus Sicht der Archäologen war die Sache eigentlich klar. Für den Gerichtsprozess mussten sie nun aber teilweise absurde Forschungen anstellen. Zum Beispiel Methoden entwickeln, um das Alter von Wasserflaschen zu datieren. Eine solche Flasche der Marke “Deutscher Brunnen” wurde nämlich von Raubgräber Henry W. nach der Bergung der Scheibe aus dem Boden am Mittelberg in das entstandene Loch geworfen, bevor er es wieder zugeschaufelt hatte. Die Scherben konnten später bei den archäologischen Untersuchungen des Fundorts wieder geborgen werden. Und die Analyse der Scherben zeigte, dass sie frühestens Anfang der 1990er Jahre in der Grube gelandet sein konnten. Auch die Erdspuren an den Fundstücken passten exakt zur Erde am Mittelberg und der Boden dort zeigte genau die Anomalien die man erwarten würde, wenn dort metallische Objekte für Jahrtausende ungestört rumliegen (Anreicherungen von Metallen, etc).
Die metallurgische Untersuchung der Scheibe zeigte auch, dass das Metall keinerlei Radioaktivität aufwies. Nach der Verhüttung enthält Metall aber immer ein klein wenig radioaktive Blei-Isotope, die erst nach 100 Jahren verschwinden. Die Scheibe musste also auf jeden Fall älter als 100 Jahre sein. Natürlich hätte jemand zur Fälschung der Scheibe altes Metall verwenden können. Aber die Methode zum Altersnachweis mit radioaktiven Blei war im Jahr, als die Scheibe gefunden wurde, noch gar nicht entwickelt – ein etwaiger Fälscher hätte diese wissenschaftliche Entwicklung also vorhersehen müssen…
Die Analyse der Metalle konnte auch Hinweis auf deren Herkunft geben. Das Kupfer der Fundstücke aus Nebra hat einen Anteil an Spurenelementen, die ziemlich genau zu den Vorkommen am Mitterberg bei Bischofshofen in Österreich stammen – wo passenderweise Kupferabbau in der frühen Bronzezeit nachgewiesen werden konnte.
Wo Zinn und Gold der Himmelsscheibe her stammen, war ein größeres Rätsel, das erst später gelöst werden konnte. Aber es war auf jeden Fall schon nach den ersten Analysen klar, dass für die unterschiedlichen Elemente der Scheibe Gold aus unterschiedlichen Quellen verwendet wurde. Mondsichel, Vollmond und Sterne waren aus Gold mit einem Silberanteil von 20 Prozent gemacht worden. Alle Sterne, bis auf einen: Stern Nummer 23. Das ist auch genau der Stern, bei dem man heute noch sehen kann, dass er irgendwann von seiner ursprünglichen Position ein wenig versetzt worden ist. Das war nötig, weil er den offensichtlich ebenfalls später an der Scheibe angebrachten Horizontbögen im Weg gewesen wäre. Und tatsächlich ist das Gold von Stern Nummer 23 das gleiche Gold, aus dem auch die Horizontbögen gemacht worden sind.
Wieder anders ist die Zusammensetzung des Goldes der “Sonnenbarke” – dem schiffsähnlichen Goldbogen der unter den Monddarstellungen zu sehen ist. Dieses Gold hat viel weniger Silber und zwar aus einem guten Grund. Das silberreiche Gold der ursprünglichen Elemente ist im Lauf der Zeit angelaufen und ein wenig goldener geworden. Als offensichtlich lange Zeit später jemand die Sonnenbarke anbringen wollte, ging das mit Gold der ursprünglichen Zusammensetzung nicht mehr. Es war nun viel heller als das Gold auf der Scheibe und passte farblich nicht mehr dazu. Also musste dunkleres Gold mit weniger Silber verwendet werden. Ein Fälscher hätte also nicht nur die Scheibe an sich sondern auch all diese unterschiedlichen Bearbeitungsphasen erfinden und fälschen müssen. Inklusive “Anfängerfehler” bei der Erstellung. Die Goldelemente sind auf der Scheibe tauschiert, d.h. man hat in die Bronze eine Rille gemeiselt, die Goldbilder am Rand in diese Rille geschoben und dann die überstehende Bronze wieder zurück gebogen um so die Goldelemente zu fixieren. Das ist nicht einfach und als die Restauratoren der Scheibe diese Technik selbst ausprobierten, machten sie anfangs ein paar Fehler. Genau diese “Anfängerfehler” findet man auch auf der originalen Scheibe – wer auch immer sie gemacht hat, musste offensichtlich auch ein wenig üben.
Die Restauratoren hatten noch einige andere nette Experimente angestellt. Heute ist die Scheibe intensiv grün, aber das liegt daran, dass die Bronze im Lauf der Zeit korrodiert ist. Und es ist auch nicht wahrscheinlich, dass die Scheibe im Originalzustand metallisch-bronzen geglänzt hat – dann hätte man die Goldelemente kaum gesehen. Wenn sie schon den Himmel darstellen soll, dann wäre eine dunkle, blau-schwarze Färbung passend gewesen. Und das kriegt man hin, auch mit bronzezeitlichen Mitteln, wie die Restauratoren festgestellt haben: Wenn man mit Bronze mit einer Mischung aus vergorenen Urin und Kupfer behandelt, dann kriegt die Bronze eine schwarz-blaue Patina auf der die goldenen Einlagen hell leuchten – ein perfekter Sternenhimmel!
Am Ende waren nicht nur die Wissenschaftler überzeugt sondern auch das Gericht. Die Scheibe ist echt. Der Richter verkündete zum Schluss: “Wir haben überhaupt keine Anhaltspunkte gefunden, dass die Himmelsscheibe nicht echt sind. Sie ist jetzt echter als vor dem Verfahren. Echter kann sie praktisch nicht sein.”
Kommentare (29)