Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 334: Die Galaxie Messier 87
Messier 87 ist eine Galaxie. Eine elliptische Riesengalaxie die an sich schon ein sehr faszinierendes Forschungsobjekt ist und seit April 2019 noch ein wenig faszinierender wurde. Denn da haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum dieser Galaxie beobachtet und zwar das erste mal so genau, dass man ein Bild eines schwarzen Loches erstellen konnte.
Offiziell kennen tun wir Messier 87 seit dem Jahr 1781. Da hat der französische Astronom Charles Messier seinen Katalog nerviger Himmelsobjekte erweitert. Darüber habe ich ja schon in Folge 128 gesprochen: Messier wollte alles katalogisieren, was ihn bei der Suche nach Kometen am Himmel stören könnte. Also all die nebligen, seltsamen Objekte von denen damals noch niemand wusste, um was es sich handelt – die aber leicht mit einem Komet verwechselt werden konnten. Heute wissen wir, dass die meisten dieser “Nebel” in Wahrheit weit entfernte Galaxien sind. Damals war es aber nur ein Nebel und eben der mit der Nummer 87, den Messier in seine Liste eintrug.
1918 entdeckte der amerikanische Astronom Heber Curtis bei der Beobachtung von M87 dass es dort nicht viel zu entdecken gibt. Keine Strukturen waren zu sehen; nur ein großer runder heller Fleck am Himmel. Der aber, und das war das einzig bemerkenswerte, einen seltsamen geraden Strahl aufweist, der aus seinem Zentrum nach außen verläuft. Erst 1931 stellte man fest, dass es sich um eine gigantische Ansammlung von Sternen in großer Entfernung handelt. Schon einige Jahre zuvor hatte zwar Edwin Hubble durch seine Beobachtungen nachgewiesen, dass viele der Nebel in Wahrheit solche Galaxien waren. Aber dabei hatte er sich vor allem auf die spiralförmigen Nebel konzentriert; also das, was wir heute “Spiralgalaxien” nennen. Die formlosen Flecken wie M87 hatte auch Hubble zuerst für Kugelsternhaufen oder ähnliche Objekte gehalten. Erst ein wenig später erkannte er, dass es neben den Spiralgalaxien auch “elliptische” Galaxien gibt, die keine Strukturen aufweisen, sondern im Wesentlichen riesige mehr oder weniger abgeflachte kugelförmige Ansammlungen von Sternen sind.
M87 ist fast exakt kreisförmig und hat einen Durchmesser von mehr als 500.000 Lichtjahren. Das ist fast fünfmal so viel wie die Ausdehung unserer Milchstraße! Man findet in ihr ein paar Billionen Sterne; ebenfalls deutlich mehr als die paar hundert Milliarden die wir in der Milchstraße haben. Die ganze Galaxie ist 54 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und man kann sie am Himmel im Sternbild der Jungfrau sehen. Beziehungsweise nur dann sehen, wenn man ein Fernglas oder ein Teleskop hat, denn trotz ihrer enormen Ausmaße leuchtet die Galaxie wegen ihrer Entfernung so schwach, dass sie mit freiem Auge nicht zu erkennen ist.
M87 ist, so wie die anderen Galaxien auch von jeder Menge Kugelsternhaufen umgeben. Bei unserer Milchstraße kennen wir an die 200 solcher Begleiter. M87 aber besitzt mehr als 10.000 dieser Sternhaufen und da sind einige dabei, die deutlich größer sind als die, die wir aus unserer Nachbarschaft kennen.
Messier 87 ist eine alte Galaxie. Oder eine junge, je nachdem wie man die Sache betrachtet. So eine elliptische Galaxie entsteht normalerweise, wenn zwei Spiralgalaxien miteinander kollidieren und verschmelzen. So etwas wird auch in ein paar Milliarden Jahren passieren, wenn die Milchstraße sich mit ihrer Nachbargalaxie, der Andromeda, zu einer einzigen, großen elliptischen Galaxie verbindet. Bei M87 waren wahrscheinlich auch noch ein paar andere kleinere Galaxien beteiligt, um am Ende die riesige Kugel aus Sternen zu erzeugen. Bei solchen Verschmelzungen wird alles ordentlich durchgewirbelt; vor allem auch der Staub und das Gas, das sich zwischen den Sternen einer Galaxie befindet. Das ganze Material in diesen kosmischen Wolken kollabiert entweder zu Sternen oder wird aus der neu entstandenen elliptischen Galaxie geschleudert. Das Resultat: Eine Galaxie wie M87, in der sich zwischen den Sternen kaum noch Staub befindet und in der auch keine neuen Sterne mehr entstehen können. Was man hier noch findet ist Gas, das aber nicht wie sonst hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium besteht. Normalerweise ist das ja der Hauptbestandteil der kosmischen Wolken weil Wasserstoff und Helium die Elemente sind, die direkt beim Urknall entstanden und deswegen auch überall zu finden sind. Dieses Material wurde aber, wie schon gesagt, bei der galaktischen Kollision aufgebraucht. Das jetzt zwischen den Sternen von M87 vorhandene Gas besteht aus schwereren Elementen, aus Kohlenstoff, Sauerstoff, und so weiter. Also aus dem Zeug, das alte Riesensterne gegen Ende ihres Lebens hinaus ins All pusten.
Was man bei M87 auch noch findet ist die ominöse Linie, die schon Heber Curtis 1918 beobachtet hat. Dabei handelt es sich um einen sogenannten “Jet” und der ist mit dafür verantwortlich, dass der ganze Staub im Laufe der Zeit aus der Galaxie verschwunden ist. Mit “Jet” ist hier natürlich kein Flugzeug gemeint. So nennt man in der Astronomie einen Strom aus Materie, der in gerader Linie von einem Punkt ausgeht. Bei M87 ist dieser Punkt das Zentrum der Galaxie und die gerade Linie ist mindestens 5000 Lichtjahre lang!
Dass, was von dort Materie so weit hinaus transportiert, ist das supermassereiche schwarze Loch. Diese ganz speziellen Objekte findet man in den Zentren aller großen Galaxien. Bei M87 hat es eine Masse die 6,5 Milliarden mal größer als die unserer Sonne ist. Es ist 20 Milliarden Kilometer groß und damit deutlich größer als unser Sonnensystem, zumindest der Bereich, in dem sich die Planeten bewegen. Wie diese gigantischen schwarzen Löcher entstehen ist immer noch ungeklärt. Aber wir wissen, wie sie sich verhalten. Um sie herum bildet sich normalerweise eine sogenannte “Akkretionsscheibe”. All das Material, dass sich in der Zentralregion so einer Galaxie befindet, wird durch die Gravitationskraft des schwarzen Loches natürlich beeinflusst. Es bewegt sich um das Loch herum; und wenn es zu nahe kommt, dann wird es vom schwarzen Loch verschluckt. Aber natürlich nicht einfach so: Es wirbelt in spiralförmigen Bahnen um das Loch herum, kommt ihm immer näher bis es dann schließlich irgendwann hinter dem Ereignishorizont verschwindet. Also der ultimativen Grenze, hinter der nichts mehr entkommen kann; nicht einmal Licht. Bevor das passiert, werden Gas und Staub aber enorm stark beschleunigt. Das herumspiralisierende Zeug bildet eine Scheibe um das Loch – die eben erwähnte Akkretionsscheibe – und wird dabei durch die Bewegung stark aufgeheizt. Es gibt Licht ab, beziehungsweise ganz allgemein elektromagentische Strahlung. Unter anderem im Radiowellenbereich.
Schon 1947 hatte man entdeckt, dass aus der Richtung von M87 sehr starke Radiostrahlung kommt. Kein Radioprogramm natürlich, mit Musik und Verkehrsfunk – aber es war eine der stärksten bekannten Radioquellen außerhalb der Milchstraße. 1953 konnte man dann auch nachweisen, dass es sich bei dieser Quelle tatsächlich um das Zentrum von M87 handelt und ein wenig später dann auch zeigen, dass sehr viel Strahlung vom Jet ausgeht. Der entsteht nämlich, wenn ein Teil des Materials in der Akkretionsscheibe anstatt ins Loch zu fallen, hinaus ins All geschleudert wird. Dafür ist das Magnetfeld des galaktischen Zentrums von M87 verantwortlich. Vereinfacht gesagt wird das magnetische Feld durch die wirbelnde Akkretionsscheibe selbst verwirbelt und Material kann dann senkrecht zur Scheibe mit hoher Geschwindigkeit hinaus geschleudert werden. Auch dabei entsteht jede Menge Strahlung; deswegen leuchtet der Jet so stark, dass man ihn von der Erde aus beobachten kann. Und wie ein Sandstrahler hat dieser Jet auch den Staub aus der Galaxie entfernt. Die starke, hochenergetische Röntgenstrahlung die vom Jet ausgeht, zerstört die Staubteilchen oder pustet sie aus der Galaxie.
Im Zentrum all dessen steht aber das supermassereiche schwarze Loch. Dass es vorhanden ist, wusste man schon länger. Seine Auswirkungen auf den Rest der Galaxie konnte man beobachten; ebenso wie die Strahlung die aus der Akkretionsscheibe in seiner Umgebung ausgeht. Aber weder bei M87 noch bei einem anderen supermassereichen schwarzen Loch konnte man irgendwelche Details sehen. Dazu braucht man ein Radioteleskop mit einer ausreichend großen Auflösung. Das hatte man erst 2017: Das “Event Horizon Telescope”, ein Zusammenschluss mehrerer Radioteleskope auf der ganzen Welt die so ein Teleskop mit einem Durchmesser von mehreren tausend Kilometern simulieren konnten. Damit war es möglich, die Radiostrahlung aus dem Zentrum von M87 so genau zu vermessen, um ein Bild des dortigen schwarzen Lochs zu machen. Es ist natürlich ein “Radiobild”, also eine Visualisierung der Intensität der Radiostrahlung und nichts, was wir mit unseren Augen sehen könnten. Und es ist auch kein Bild des schwarzen Lochs selbst – das ist ja per Definition unmöglich, weil von dort keinerlei Strahlung entkommen kann. Aber man sieht deutlich den “Schatten”, also den dunklen Bereich in der Mitte der hell strahlenden Akkretionsscheibe.
Mit dieser Aufnahme ist Messier 87 noch viel interessanter geworden als die Galaxie zuvor schon war. Jetzt können wir im Detail das Objekt erforschen, dass die ganzen Vorgänge antreibt, die das großräumige Verhalten von M87 bestimmt. Wir können besser verstehen, wie die Galaxie sich zu dem entwickelt hat, was wir heute beobachten und wie es dort in Zukunft weiter gehen wird.
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