Astronomie ist wichtig. Gut, es ist nicht überraschend das hier zu lesen. Ich bin Astronom und ich schreibe hier fast täglich über Astronomie. Aber Astronomie IST wichtig, nicht nur hier sondern überall und nicht nur für Astronomie-Fans sondern für alle. Wir brauchen die Astronomie vielleicht nicht unbedingt aus den gleichen Gründen wie etwa Medizin, Biologie, Physik oder Chemie. Diese Disziplinen treffen wir jeden Tag ganz direkt in unserem Alltag und sie sind die Grundlage unserer modernen Zivilisation. Aber nur weil die Astronomie keine konkreten Anwendungen hat und keine Produkte hervor bringt die man im nächsten Supermarkt kaufen kann, ist sie wichtig. Die Astronomie sagt uns etwas über die Welt in der wir leben. Die Astronomie bringt uns zum Staunen; sie hilft uns dabei die fundamentalen Fragen nach unserer Rolle im Universum oder dem Ursprung der Dinge zu beantworten. Die Astronomie zeigt uns ein Universum das ganz explizit nichts mit unserem normalen Alltag zu tun hat und genau deswegen ist sie so wichtig. Wir brauchen diesen Blick hinaus in den Kosmos ebenso wie wir etwa den Blick in die Fantasiewelten der Literaturbrauchen oder in die abstrakten Universen von Musik und Kunst. Es ist kein Wunder, dass die Astronomie als älteste Wissenschaft gilt. Seit es Menschen gibt, haben wir mit Staunen zum Himmel geblickt. Die Beschäftigung mit den Sternen gehört zu dem, was uns zu Menschen macht.
Astronomie ist wichtig. Und deswegen ist es schade, dass so viele Menschen so wenig darüber wissen. In der Schule kriegen wir eine halbwegs grundlegende Ausbildung in den restlichen Naturwissenschaften; die Astronomie taucht dort nur, wenn überhaupt, als Teil des Physikunterrichts auf und bei weitem nicht in dem Ausmaß, das dieser Disziplin angemessen ist. Nur in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern existiert die Astronomie noch als eigenes Schulfach (allerdings auch dort nur im Rahmen von einer Wochenstunde in der zehnten Klasse). Dieser Informationsmangel macht sich bemerkbar: Selbst so fundamentales Wissen wie etwa der Unterschied zwischen “Stern” und “Planet”, die Bedeutung von Wörtern wie “Galaxie” oder die Ausmaße und Struktur des Sonnensystems sind großen Teilen der Öffentlichkeit unbekannt.
Aber was muss man denn jetzt wissen über die Astronomie? Genau diese Frage hat sich die Internationale Astronomische Union (IAU) gestellt und kürzlich eine Broschüre publiziert in der die “Big Ideas in Astronomy” zusammengefasst sind. Das was dort aufgelistet ist, ist eine “proposed definition of astronomy literacy”: Also das, was die IAU als grundlegende astronomische Bildung ansieht die jeder Mensch besitzen sollte.
Die Broschüre ist als pdf-Datei frei verfügbar, allerdings derzeit nur auf englisch. Das ist natürlich ein wenig unpraktisch wenn es darum geht, das astronomische Wissen allen Menschen zur Verfügung zu stellen. Aber es wird mit Sicherheit demnächst Übersetzungen geben; vorerst soll die Community die ganze Sache erstmal begutachten und Vorschläge zur Verbesserung machen. Das ganze Dokument steht auch unter einer CC-BY 4.0 Lizenz; es kann also unter Angabe der entsprechenden Urheberschaft und Lizenzen frei verbreitet und modifiziert werden.
Insgesamt 11 “große Ideen” haben die Autorinnen und Autoren der IAU aufgelistet:
- Astronomie ist einer der ältesten Wissenschaften in der Geschichte der Menschheit.
- Astronomische Phänomene können von allen auch im täglichen Leben erfahren werden.
- Der Nachthimmel ist dynamisch und vielfältig.
- Astronomie ist die Wissenschaft die Himmelskörper und Phänomene im Universum erforscht.
- Astronomie profitiert von technischen Entwicklungen und regt neue technische Entwicklungen an.
- Kosmologie ist die Wissenschaft die das Universum in seiner Gesamtheit erforscht.
- Wir alle leben auf einem kleinen Planeten der Teil des Sonnensystems ist.
- Wir alle bestehen aus Sternenstaub.
- Es gibt hunderte Milliarden Galaxien im Universum.
- Wir sind vielleicht nicht alleine im Universum.
- Wir müssen die Erde schützen; sie ist unser einziges Zuhause im Universum.
Das klingt natürlich alles vorerst sehr allgemein und ich bin mir auch nicht absolut sicher, ob ich die Auswahl selbst auch so getroffen habe. Die Sache mit den “technischen Entwicklungen” hätte ich persönlich zum Beispiel nicht unbedingt zu den 11 “großen Ideen” gezählt. Das ist zwar wichtig, aber jetzt nicht unbedingt das, was die Astronomie ausmacht. Das mit dem “Sternenstaub” ist ohne weitere Erklärungen eher unverständlich und was ein Stern überhaupt ist taucht in der Liste nicht auf obwohl ich das durchaus als fundamental für die Astronomie betrachten würde. Ebenso fundamental finde ich die Tatsache, dass unser Universum in der heutigen Form seinen Anfang in der Zeit vor 13,8 Milliarden Jahren gehabt hat (finde ich relevanter als eine Definition des Wortes “Kosmologie”) oder die Tatsache, dass die Astronomie in der Lage ist, solche (räumlich und zeitlich) weit entfernten Ereignisse und Phänomene wissenschaftlich, das heißt nachprüfbar zu erforschen.
Aber diese 11 Hauptpunkte sind ja nicht der komplette Inhalt der Broschüre. Überall gibt es Unterpunkte – insgesamt 96 – in denen die angesprochenen Themen weiter ausgeführt werden. Wenn ich das Dokument erstellt hätte, hätte ich die Punkte vielleicht anders gereiht und sortiert; hätte andere Überschriften für die “großen Ideen” gefunden – aber am Ende wäre vermutlich eine ähnliche Liste dabei heraus gekommen wie die der IAU. Ich kann allen Menschen die sich mit der Vermittlung von Astronomie an die Öffentlichkeit beschäftigen nur empfehlen, diese Broschüre zu lesen! Und zu überlegen, wie man diese Informationen in der Wissenschaftskommunikation unterbringen kann. Man wird natürlich nicht bei jedem Vortrag, in jedem Gespräch oder jedem Blogartikel alle 96 Punkte unterbringen können. Aber man bekommt einen guten Überblick darüber, was man bei der Kommunikation mit Menschen ohne jegliche astronomische Vorbildung beachten und betrachten kann.
Ich habe mir schon oft überlegt, welche astronomische Informationen ich gerne im Allgemeinwissen verankert sehen würde. Anhand meiner persönlichen Erfahrung vermutlich diese Dinge:
- Den Unterschied zwischen Astronomie und Astrologie.
- Den Unterschied zwischen Stern und Planet.
- Die Tatsache dass man die Phänomene im Universum tatsächlich verstehen KANN und das die Himmelskörper ebenfalls Naturgesetzen unterworfen sind und nicht einfach irgendwas machen.
Aber natürlich ist das nur mein persönlicher Eindruck. Wie würde eure Liste aussehen?
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