Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 344: Michael Collins
Als am 21. Juli 1969 der amerikanische Astronaut Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuss auf die Oberfläche des Mondes gesetzt hat, hat er damit auch seinen Namen für alle Zeiten weltberühmt gemacht. Auch seinen Kollegen Buzz Aldrin, der ihm auf den Mond folgte, kennen die Menschen. Den dritten Mann der an der Mission beteiligt war kennen dann aber schon viel weniger Leute. Er flog bis zum Mond, konnte dessen Oberfläche aber nicht betreten. Ohne ihn wäre der Flug zum Mond aber nicht möglich gewesen. Michael Collins blieb im Raumschiff, während seine Kollegen auf dem Mond herumliefen. Er war aber viel mehr als einfach nur der Fahrer, der nicht aussteigen durfte…
Collins wurde am 31. Oktober 1930 in Rom geboren. Dort war sein Vater, ein Offizier der amerikanischen Armee gerade stationiert. Später zurück in den USA studierte Collins selbst auch an der Militärakademie und trat der Air Force bei. Er ging absichtlich nicht zur Army, so wie sein Vater, der dort mittlerweile Generalmajor war. Er wollte sich nicht dem Vorwurf aussetzen, es sich dank seiner Verwandtschaft dort einfacher zu machen. Immerhin war auch sein Bruder ein Oberst bei der Army und sein Onkel sogar Generalstabschef, also der ranghöchste Offizier der Army. Außerdem war Collins auch sehr daran interessiert, wie sich die Luftfahrt entwickeln würde und wollte selbst mit dabei sein. Bis 1957 war er Pilot von Kampfjets, ab 1960 wurde Collins Testpilot. Und am 20. Februar 1962 umkreiste John Glenn als erster Amerikaner die Erde. Die amerikanischen Ausflüge in den Weltraum zuvor von Alan Shepard und Virgil Grissom waren ja nur kurze Flüge an die Grenze der Atmosphäre und eine sofortige Rückkehr zur Erde. Glenn aber flog – so wie der Kosmonaut Yuri Gagarin als erster Mensch überhaupt – um die Erde herum.
An schnelle Flugzeuge gewöhnt fand Collins es höchst bemerkenswert, dass der Astronaut Glenn die gesamte Erde in 90 Minuten umrunden konnte. John Glenn gehörte zu den sogenannten “Mercury Seven”, also der ersten Gruppe von Astronauten die ab 1959 von der NASA ausgebildet wurde. Michael Collins bewarb sich nun für die zweite Astronautengruppe – als deren Mitglieder aber im September 1962 verkündet wurden, war Collins nicht dabei. Allerdings ein junger Astronaut namens Neil Armstrong…
Im Juni 1963 suchte die NASA das dritte Mal nach Astronauten. Wieder bewarb sich Collins – und schaffte es diesmal auf die Liste der 14 Mitglieder der “NASA Astronaut Group 3”, gemeinsam übrigens mit einem anderen Air Force Pilot namens Buzz Aldrin. Die Kritierien damals waren – unter anderem – eine maximale Größe von 1,83 Meter, ein Alter von weniger als 34 Jahren, eine Ausbildung in Physik oder Ingenieurswissenschaft und ausreichend viel Flugerfahrung mit Kampfjets.
Nach dem Training der Grundlagen der Raumfahrt musste sich die neuen Astronauten Spezialgebiete für ihre Ausbildung aussuchen. Collins wählte Raumanzüge und Außenbordeinsätze. 1964 stieg das erste Mal ein Amerikaner im Weltall aus seinem Raumschiff – aber es war nicht Collins, sondern Edward White während der Gemini 4 Mission und Collins war entsprechend verärgert, da er, als eigentlicher Spezialist auf dem Gebiet, vorab nicht einmal über das Projekt informiert wurde. Dafür wurde er dann aber 1965 der erste aus seiner Astronautengruppe der einer Mission ins All zugeteilt wurde: Er war als Ersatzpilot für den Flug der Raumkapsel Gemini-7 vorgesehen, kam aber nicht zum Einsatz. Das geschah erst 1966 bei der Gemini-10-Mission.
Am 18. Juli 1966 flog Michael Collins gemeinsam mit John Young ins All. Dort blieben sie fast 3 Tage lang und das Ziel der Mission war die Koppelung des Raumschiffs an einen Satelliten. Das ist der NASA zuvor nur einmal gelungen, beim Flug von Gemini 8 und da nur unter großen Schwierigkeiten. Bei Gemini 9 hatte man es noch einmal probiert und war komplett erfolglos. Jetzt sollte es Gemini 10 erneut versuchen. Denn wenn man irgendwann mal zum Mond fliegen muss, dann sind Trennungs- und Kopplungsmanöver zwischen Raumschiffen von großer Bedeutung. Wer das nicht beherrscht, wird auch nicht am Mond landen können.
Zuerst wurde also von der NASA ein sogenanntes “Gemini Agena Target Vehicle” ins All geschickt. Das war eigentlich nichts anderes als die obere Stufe einer Agena-Rakete, ein wenig mehr als 2 Meter lang, mit einem Adapter um das Gemini-Raumschiff andocken zu können. Zwei Stunden später flog dann Gemini 10 mit Michael Collins und John Young an Bord ins All. Der Abstand zwischen den beiden Raumfahrzeugen betrug anfangs 1600 Kilometer und am 19. Juli erfolgte eine erfolgreiche Kopplung von Agena und Gemini. Damit war das Manöver aber noch nicht vorbei; nun wurden die Triebwerke des Agena-Satelliten gezündet und der schob Gemini 10 auf eine höhere Umlaufbahn. Das war das erste Mal, dass ein Raumschiff den Antrieb eines anderen Raumfahrzeugs nutze um sich zu bewegen. Und, mit einer Höhe von 763 Kilometer über der Erdoberfläche, war Gemini 10 weiter von der Erde entfernt als alle Raumschiffe mit Besatzung zuvor.
Nachdem das geschafft war, begab sich Collins auf seinen ersten Außenbordeinsatz. Er machte Fotos mit einer Ultraviolett-Kamera und untersuchte den Agena-8 Satelliten, der von einer früheren Mission übrig geblieben war und an dem Gemini 10 vorbei flog. Danach trennte sich Gemini wieder von seinem eigenen Agena-Satelliten und der zweite Außenbordeinsatz began. Collins sollte den Abstand zwischen Raumschiff und Satellit – ungefähr 15 Meter – nur in seinem Raumanzug (und an einem Sicherheisseil) überwinden. Das gelang und beim Agena-Satellit angekommen montierte er dort eine kleine Platte ab, auf der man die Auswirkung der Einschläge von Mikrometeoriten untersuchen wollte. Dann kehrte Collins wieder zurück in sein eigenes Raumschiff. Gemini 10 landete am 21. Juli wieder sicher auf der Erde. Alle Ziele wurden erreicht und Collins war nun nicht nur der erste Astronaut der gleich zwei Außenbordeinsätze absolviert hatte sondern auch der erste Mensch, der sich im Weltall von einem Raumfahrzeug zu einem anderen bewegt hat.
Nach dem Ende des Gemini-Programms startete die NASA das Apollo-Programm in dessen Rahmen irgendwann Menschen auf dem Mond landen sollten. Eigentlich war Collins als Pilot für die Apollo-8-Mission vorgesehen. Diese Rolle konnte er aber aus gesundheitlichen Gründen nicht einnehmen. Er hatte Probleme mit den Bandscheiben die eine Operation nötig machten. Statt ihm rückte Jim Lovell nach und gemeinsam mit Frank Borman und William Anders war er Teil des ersten Flugs zum Mond. Apollo 8 landete nicht; sie umrundeten den Mond nur und kehrten wieder zur Erde zurück. Und gewissermaßen war es sogar gut für Collins das er diese Premiere verpasst hatte. Denn dadurch wurde er als Pilot für Apollo 11 nachnominiert. Den Job sollte eigentlich Buzz Aldrin erledigen, der nun andere Aufgaben bekam. Dass Apollo 11 auch die erste Mission mit einer Landung auf dem Mond werden sollte, stand da aber noch nicht fest. Aber nachdem sowohl Apollo 9 als auch Apollo 10 erfolgreich absolviert wurde war klar: Apollo 11 wird landen.
Zuerst musste Apollo 11 aber fliegen und das geschah am 16. Juli 1969. Der erste konkrete Job im All den Collins erledigen musste war ein Manöver, bei dem zuerst das Apollo-Raumschiff von der Rakete abgetrennt wurde. Dann musste es umgedreht werden, so dass es mit der Mondlandefähre verbunden werden konnte. Die gekoppelten Raumfahrzeuge musste sich dann von den Resten der Raketen fortbewegen; auf in Richtung Mond. Dort kamen Collins, Aldrin und Armstrong drei Tage später an. Am 20. Juli betraten Aldrin und Armstrong die Mondlandefähre “Eagle” die nun vom Kommandomodul “Columbia” abgetrennt wurde. Während Aldrin und Armstrong auf dem Mond landete, blieb Collins in einer Umlaufbahn um den Mond zurück. Dabei war er natürlich in Kontakt mit der Bodenstation und seinen Kollegen auf dem Mond. Aber während jeder Runde um den Mond war er 47 Minuten lang komplett vom Rest der Welt abgeschnitten. Jedesmal wenn er die erdabgewandte Seite des Mondes überquerte war kein Kontakt möglich und Collins war gleichzeitig der einsamste und am weitesten von der Erde – oder anderen Menschen – entfernte Mensch der Geschichte.
Allerdings fühlte er selbst sich gar nicht einsam, wie er später erzählte. Er fühlte sich, wie er in seiner Biografie schreibt, “sehr bewusst, erwartungsvoll, zufrieden, zuversichtlich und fast schon erhaben”. Aber natürlich musste er auch arbeiten. Die genaue Position der Mondlandefähre bestimmen zum Beispiel. Oder das von den Brennstoffzellen produzierte überschüssige Wasser im All entsorgen und die Kabine für Rückkehr seiner Kollegen vorbereiten. Dann kam der Moment, an dem Armstrong und Aldrin wieder vom Mond zurück ins All flogen. Jetzt musste sie wieder an Columbia ankoppeln. Das war genau das, was Collins mehr als ausreichend geübt hatte. Schon während des Trainigs zur Mission schrieb er ein Handbuch mit allen denkbaren Kopplungsmanövern und Notfallplänen falls die Mondlandefähre zu früh oder zu spät oder sonst irgendwie nicht richtig startete. Collins wollte natürlich ebenso wie seine beiden Kollegen dass die Mission erfolgreich endet. Aber vor allem hatte er Angst, dass nur die beiden sterben oder auf dem Mond zurück bleiben könnte und er als einziger Überlebender allein zur Erde zurückkehren müsste. Aber das Andockmanöver funktionierte – und die drei wiedervereinten Astronauten machten sich auf den Rückweg zur Erde.
Man könnte glauben, dass Collins neidisch auf Armstrong und Aldrin war, die im Gegensatz zu ihm auf dem Mond spazieren gehen durfte. Aber das war offensichtlich nicht der Fall. Schon während des Trainings zum Mondflug wurde Collins angeboten der Ersatz-Kommandant für Apollo-14 und der Kommandant der Apollo-17-Mission zu sein. Spätestens dann wäre auch er auf dem Mond gelandet. Aber er lehnte das Angebot ab; er sagte schon vor dem Start von Apollo 11 dass er – sofern die Mission erfolgreich verläuft – gar nicht mehr ins All fliegen will. Er wollte helfen das von John F. Kennedy ausgerufene Ziel der Mondlandung zu erreichen und sich danach wieder seiner Familie widmen.
Und tatsächlich verließ Collins die NASA. Zuerst wurde er Staatssekretär für Öffentlichkeitsarbeit im Außenministerium. Kein leichter Job in einer Zeit in der die USA gerade den Vietnamkrieg führte. Deswegen verließ er das Außenministerium auch 1971 und widmete sich einer viel dankbareren Aufgabe: Er wurde der Direktor des “National Air and Space Museum”, dessen Bau damals erst beginnen musste. Collins organisierte das ganze, sah die Eröffnung im Jahr 1976 und blieb Direktor bis 1978 bevor er in die Verwaltung der Smithsonian Institution wechselte, eine Einrichtung der Regierung die jede Menge Museen und Forschungseinrichtungen betreibt, unter anderem das National Air and Space Museum. 1982 setzte er sich zur Ruhe; schrieb aber noch ein paar populärwissenschaftliche Bücher über Raumfahrt, den Flug zum Mond und einen möglichen Flug zum Mars.
Michael Collins war Teil einer der aufregendsten und bedeutsamsten Missionen ins All. Sein Name ist nicht so berühmt wie der von Armstrong und Aldrin. Aber er war nicht weniger wichtig und Collins hat sich nach seiner efolgreichen Karriere als Astronaut ebenso erfolgreich dafür eingesetzt, Wissenschaft und Forschung an die Bevölkerung zu vermitteln. Sein derzeit aktuellstes Projekt ist übrigens ein eigener Account bei Instagram.
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