Wir stellen uns das All als große, dunkle Leere vor in der vielleicht ab und zu mal ein Stern leuchtet. Und diese Vorstellung ist auch nicht falsch. Aber ein genauerer Blick hinaus in den Kosmos zeigt uns immer wieder welche komplexen Phänomene und Zusammenhänge man auch dort findet, wo es nicht so aussieht als wäre da etwas zu finden. Zum Beispiel im “leeren” Raum zwischen den Sternen. Dort ist, verglichen mit dem was wir hier auf der Erde erleben, tatsächlich nicht viel. Aber das, was dort trotzdem noch zu entdecken ist, hat vielleicht die Vielfalt des irdischen Lebens erst möglich gemacht.
Es geht um das “interstellare Medium (ISM)”, Kometen, komplexe Moleküle und das Leben auf der Erde. Wie all das zusammenhängt haben sich Martin Rubin von der Universität Bern und seine Kollegen kürzlich genauer angesehen (“Volatile species in comet 67P/Churyumov-Gerasimenko — investigating the link from the ISM to the terrestrial planets”). Ihr langer Fachartikel beginnt mit einer Bestandsaufnahme dessen, was man in der Astrochemie als “Complex Organic Molecules (COMs)” bezeichnet wird und womit alles gemeint ist, was aus mindestens sechs Atomen besteht. Diese Moleküle hat man in diversen Kometen nachweisen können; insbesondere auch dem besonders gut erforschten Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Man weiß aber auch, dass diese COMs im interstellaren Medium zu finden sind. Da fliegen sie natürlich nicht einfach so durch die Gegend sondern bilden sich in den großen, kalten Gaswolken aus denen später irgendwann Sterne entstehen. Und aus dem Rest der übrig bleibt, wenn der Stern fertig ist, bilden sich Kometen, Asteroiden und Planeten. Aber sind die COMs die wir heute auf Kometen finden auch noch aus der damaligen Zeit übrig? Oder bilden sie sich später nochmal neu? Und wenn sie auf den Kometen sind, was passiert dort mit ihnen? Wie und in welcher Menge können sie auf Planeten wie die Erde gelangen?
Mit all diesen Fragen beschäftigen sich Rubin und seine Kollegen in ihrem langen Fachartikel und die Resultate lauten wie folgt:
- Ungefähr die Hälfte aller auf Kometen gefundenen Moleküle sind auch COMs. Und die Hälfte der auf Kometen entdeckten Moleküle hat man in der einen oder anderen Form auch im interstellaren Medium nachweisen können.
- Die relativen Häufigkeiten der Moleküle in Kometen und dem ISM weist darauf hin, dass sie auf die gleiche chemische Art und Weise entstanden sind; also auch in einer ähnlichen Umgebung.
- Die COMs in Kometen sind zu einem großen Teil tatsächlich Überbleibsel aus der Frühzeit der Entstehung unseres Sonnensystems. Ursprünglich müssen sie schon in den Phasen der Sternentstehung entstanden sein, in der der “Stern” noch nicht viel mehr als eine große, dunkle und kalte Wolke war.
- Kometen haben vermutlich einen signifikanten Anteil am Transport von sogenannten “Biomolekülen” (also Moleküle die die Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel und Phosphor enthalten). Simulationen zeigen, dass bei der Entstehung der Erde eine Menge an Biomolekülen auf den Planeten gelangt sind, die der Menge der gesamten Biomasse entspricht. Daraus folgt nicht, dass auch tatsächlich alle Moleküle aus denen das Leben heute besteht aus dem All gekommen sind. Aber es zeigt, dass die Kometen auf jeden Fall eine sehr wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht einen Planeten mit den Bausteinen auszustatten, die für die Entstehung des Lebens notwendig sind.
- Moleküle wie Cyanwasserstoff (HCN) und Schwefelwasserstoff (H2S) könnten dabei besonders wichtig sein. Man findet sie in Kometen; weiß aber auch, dass sie als Ausgangspunkt für die chemischen Prozesse dienen können, aus denen die komplexen Aminosäuren entstehen die die eigentliche Basis des Lebens bilden.
- In anderen Sternensystems könnten die Einschläge von Kometen auf Planeten und die von ihnen mitgebrachten Moleküle es schwierig machen, dort nach den Signaturen von Leben zu suchen. Denn sie enthalten auch die komplexen Moleküle, nach denen man suchen würde, wenn man Spuren von Leben zu finden hofft. Andererseits macht der offensichtlich sehr effektive Transport von Molekülen aus dem All auf Planeten durch Kometen es wahrscheinlicher, dass irgendwo überhaupt Leben entstehen kann.
Die in dieser Arbeit erforschten Zusammenhänge sind natürlich noch längst nicht letztgültig verstanden. Dazu müssten wir zum Beispiel sehr viel mehr Kometen direkt aus der Nähe untersuchen. Momentan ist das nur bei 67P/Tschurjumow-Gerasimenko gelungen auf dem wir im Rahmen der Rosetta-Mission ja auch gelandet sind. Gerade dieser Komet scheint aber, wie Rubin und seine Kollegen zeigen, gar nicht so typisch für die gesamte Kometenpopulation zu sein.
Was man aber in dieser Arbeit wieder einmal sehr eindrücklich sehen kann: Die Dinge im All hängen viel stärker zusammen als es uns normalerweise bewusst sind. Ja, die Planeten und Sterne sind durch unvorstellbar große Leerräume getrennt. Die Zeiträume in denen Sterne und Planeten entstehen sind ebenso weit von dem entfernt was wir vernünftigerweise und anschaulich denken können. Aber trotzdem existieren all diese Objekte und Phänomen nicht isoliert voneinander. Über die Jahrmilliarden und Lichtjahre hinweg hängt alles zusammen und beeinflusst sich gegenseitig. Diese Verbindungen zu verstehen wird mit zu den faszinierenden Aufgaben der zukünftigen Astronomie gehören.
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