Seit Pluto im Jahr 2006 von der Internationalen Astronomischen Union (IAU) seinen Status als Planet aberkannt bekommen hat, gibt es Ärger. Also eigentlich nicht wirklich; die Astronominnen und Astronomen kommen mit dieser Tatsache relativ gut klar. Immerhin haben sie das ja selbst so beschlossen und das aus guten wissenschaftlichen Gründen. Und auch ein guter Teil der Öffentlichkeit hat sich daran gewöhnt, dass das Sonnensystem acht Planeten hat. Aber eine Minderheit aus Wissenschaft und Öffentlichkeit (fast ausschließlich in den USA) will trotzdem immer noch ganz dringend Pluto wieder zu einem Planeten machen. So wie jetzt auch der Administrator der NASA, Jim Bridenstine.
Seine Aussage dazu:
“Just so you know, in my view, Pluto is a planet. “You can write that the NASA Administrator declared Pluto a planet once again. I’m sticking by that, it’s the way I learnt it, and I’m committed to it.”
Das ist eines der beiden – ziemlich dummen – “Argumente” der Planet-Pluto-Fraktion: “Das war schon immer so und das soll sich nicht ändern!”. Aber wenn das tatsächlich ein Argument für irgendetwas wäre, dann könnten wir das mit der Wissenschaft auch ganz bleiben lassen. Es war auch “schon immer” so, dass die Erde im Zentrum des Universums steht. Und ebenfalls sehr lange “schon immer” bestand das Sonnensystem nur aus sechs Planeten; die gesamte Geschichte der Menschheit bis ins Jahr 1781, als Wilhelm Herschel den Uranus entdeckte.
Wir machen Wissenschaft, weil wir neue Dinge lernen wollen. Und wenn wir neue Dinge gelernt haben, folgt daraus oft ein anderer Blick auf die Welt und eine Änderung des Weltbildes. Früher war die Erde das Zentrum des Universums und kein Planet so wie es etwa Mars oder Jupiter waren. Dafür dachte man, dass die Sonne die Erde umkreist; die “Planeten” des Sonnensystems waren Merkur, Venus, Mond, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn. Dann verstand man, was Planeten eigentlich sind; schmiss Mond und Sonne raus und nahm die Erde dazu. Dann entdeckte man Uranus und Neptun. Dann entdeckte man Ceres, Pallas, Juno, Vesta und noch einen Schwung anderer Himmelskörper die im 19. Jahrhunderte für viele Jahrzehnte überall in Wissenschaft und Öffentlichkeit als “Planeten” bezeichnet wurden. Bis man mehr über diese Himmelskörper herausfand und feststellte, dass sie anders entstanden sind als die Planeten, sich anders verhalten und anders sind und anders klassifiziert werden müssen. Also wurden sie von Planeten zu Asteroiden.
Und als man 1930 den Pluto entdeckte, hielt man auch ihn für einen Planeten. Bis man im Laufe der Zeit mehr über ihn herausfand und feststellte, dass er nicht so entstanden ist wie die anderen Planeten und sich nicht so verhält und deswegen anders klassifiziert werden muss. Es war nicht neu, was die IAU 2006 gemacht hat. Pluto war nicht der erste Planet des Sonnensystems, der seinen Status verloren hat. So läuft Wissenschaft. Man lernt und ändert seine Sicht auf die Dinge entsprechend. (Ich möchte hier nicht ein weiteres Mal im Detail erklären warum Pluto – zu Recht – nicht mehr als Planet geführt wird. Wer mehr wissen will, sei auf ältere Artikel von mir verwiesen)
Das was Bridenstine sagt ist also Unsinn; aber auch nicht überraschend. Auch wenn er NASA-Administrator ist, hat er keine naturwissenschaftliche Ausbildung und das “Es soll alles so sein wie früher” passt ja leider auch gut zur aktuellen politischen Situation in den USA (natürlich wurde Bridenstine von Donald Trump eingesetzt). Aber tragisch ist es schon, so einen Quatsch vom Chef einer großen wissenschaftlichen Einrichtung zu hören.
Ich habe vorhin von zwei dummen Argumenten der Planet-Pluto-Fraktion gesprochen. Das zweite wird ebenfalls in dem oben zitierten Artikel erwähnt und zwar von Alan Stern, der seit Jahren jede Gelegenheit nutzt um zu erklären warum Pluto wieder ein Planet sein muss. Stern ist in der Sache allerdings nicht ganz neutral; er ist Chef der New-Horizons-Mission, also der beeindruckenden Mission die uns 2015 die ersten Bilder des fernen und bis dahin noch unbesuchten Himmelskörpers gebracht hat.
Stern erklärt immer wieder gerne, wie komplex Pluto ist. Er hat Monde, er hat ganz viel Geografie, Geologie, Tektonik, eine Atmosphäre, und so weiter. Und sollte deswegen auf jeden Fall als Planet bezeichnet werden. Aber auch dieses Argument ist meiner Meinung nach nicht aussagekräftig. Denn JEDER Himmelskörper ist komplex, wenn man nur genau hinschaut. Jeder Asteroid und Komet den wir aus der Nähe im Detail erforscht haben, hat eine enorme Vielfalt gezeigt. Gleiches gilt für die Monde der Planeten. Da gibt es Vulkanismus, da gibt es Atmosphären (zumindest die Art von leichter, extrem dünner und flüchtiger Atmopshäre die auch Pluto hat), da gibt es Geologie und Tektonik, usw. Die Komplexität mach ein Objekt interessant. Aber nicht zu einem Planeten!
Stern (und andere) haben allerdings recht, wenn sie die aktuelle Planetendefinition kritisieren. Die könnte man tatsächlich verbessern. Und den Quatsch mit der Klasse der “Zwergplaneten” ebenfalls. Was daran alles falsch ist, habe ich früher schon mal ausführlich erklärt. Das mit den Zwergplaneten hat man ja nur eingeführt damit Pluto trotz Statusaberkennung noch irgendwie “besonders” sein kann; jetzt halt als “Zwergplanet” statt “Planet”. Das alles ist – tatsächlich – etwas das man kritisieren kann und soll. Aber auch das ändert nichts an der Natur des Pluto. Er ist anders als die anderen Planeten. Er ist anders entstanden, er verhält sich anders und er sollte daher auch anders bezeichnet werden. Genau das ist ja der Zweck einer Klassifikation – und nicht die Befriedigung irgendwelcher Kindheitsnostalgien bzw. der Wunsch, mit seiner Mission halt einen Planeten zu erforschen anstatt eines Asteroids.
Ich habe zu dem Thema in der Vergangenheit schon alles gesagt, was ich dazu sagen will. Pluto ist ein extrem cooler, wichtiger und interessanter Himmelskörper aus dessen Erforschung wir viel gelernt haben und noch mehr lernen werden. Ganz unabhängig davon, in welche Schublade eines Klassifikationsystems man ihn steckt. Pluto wird nicht weniger wichtig, wenn man nicht mehr “Planet” zu ihm sagen kann!
Irgendwann wird sich das Problem hoffentlich von selbst lösen. Jetzt ist es immerhin schon 13 Jahre her, dass Pluto kein Planet mehr ist. Wir müssen nur noch ein bisschen warten, bis Pluto “immer schon” kein Planet war. Dann regt sich auch niemand mehr darüber auf; genau so wenig wie Leute heute darüber schimpfen, dass Ceres kein Planet mehr ist… Und in der Zwischenzeit wird hoffentlich irgendjemand Chef bei der NASA der oder die mehr Ahnung von Wissenschaft hat und erkennt, dass “Das war schon immer so und das bleibt jetzt so” kein wissenschaftlich seriösen Vorgehen ist.
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