Der August ging irgendwie viel zu schnell vorbei und ich bin kaum zum Lesen gekommen. So kam es mir zumindest vor; am Ende sind es dann aber doch immerhin 6 Bücher geworden, die ich euch vorstellen kann. Nur kurz allerdings, denn an Zeit mangelt es mir momentan immer noch. Aber es sind auf jeden Fall fast alles sehr coole und extrem lesenswerte Bücher. Im August hatte ich irgendwie einen Meteorologie-Schwerpunkt, der sich aber auch in Richtung Klimawandel und Teilchenphysik verzweigt hat. Und ein Buch über den größten Politikskandal in Österreich seit dem zweiten Weltkriege ist auch noch mit dabei!
Das Wetter und der Klimawandel
Absolut empfehlen will euch das Buch “Wütendes Wetter: Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme” von Friederike Otto und Benjamin Brackel. Otto beschreibt darin eine noch sehr junge Wissenschaft, die “Attributionsforschung”. Die beantwortet die Fragen, die lange Zeit unbeantwortbar schienen und die zu beantworten auch jede Menge politischen Zündstoff enthält. Es geht darum, wie das Wetter mit dem Klima zusammenhängt. Jedesmal wenn es in den letzten Jahren eine Hitzewelle gab, einen Waldbrand, eine Dürre, einen Sturm, und so weiter, fragten sich Medien und Öffentlichkeit: Ist das jetzt der Klimawandel der das verursacht hat? Oder doch nur “normales” Wetter? Die Wissenschaft hat sich da eher zurück gehalten und darauf verwiesen, dass Wetter eben Wetter ist und sehr chaotisch und das Klima nur als statistisches Mittel über mehrere Jahrzehnte hinweg betrachtet werden kann.
Otto und einige andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten diese Frage aber nicht unbeantwortet lassen. Und haben daher Methoden entwickelt um Wetterereignisse mit dem Klimawandel zu verknüpfen. Eindeutig kann man natürlich immer noch nicht sagen “Dieser Wirbelsturm wurde vom Klimawandel verursacht!”. Aber man KANN Aussagen treffen wie “Ein Wetterereignis tritt normalerweise (dh. ohne Klimawandel) einmal alle X Jahre auf; mit Klimawandel aber einmal alle Y Jahre”. Dabei muss der Klimawandel ein Ereignis nicht unbedingt wahrscheinlicher machen. Es kann auch unwahrscheinlicher werden. Oder gleich bleiben. Oder alles zusammen, wenn verschiedene Effekte des selben Ereignissen durch den Klimawandel verstärkt und abgeschwächt werden. Es ist alles nicht so einfach; es braucht jede Menge Messdaten aus der Gegenwart und der Vergangenheit und enorme Computersimulationen. Aber es geht, wie die Attributionsforschung in den letzten Jahren gezeigt hat. Vor allem geht es quasi in Echtzeit: Was wichtig ist – denn das Thema betrifft ja auch Gesellschaft und Politik. Wenn ein Hurrikan eine Stadt verwüstet, ist das tragisch – aber auch schnell wieder vergessen. Wenn die Wissenschaft erst Jahre später erklärt, welchen Einfluss der Klimawandel gehabt hat, interessiert das niemanden mehr. Die Ergebnisse müssen gleich vorliegen. Was machbar ist – aber auch kontrovers, da man sich dabei nicht der üblichen Qualitätssicherungskriterien bedienen kann, die sonst in der Wissenschaft zum Einsatz kommen (und eben oft Monate bis Jahre dauern). Wie die Attributionsforschung trotzdem sicher stellt, dass sie seriöse Aussagen machen kann, beschreibt Otto in ihrem Buch sehr spannend.
Ebenso spannend sind die politischen Auswirkungen dieser Forschung. Wenn man einerseits Wetterereignise dem Klimawandel zuordnen kann und andererseits den Beitrag einzelner CO2-Produzenten zum Klimawandel bestimmen kann (was auch geht, wie Otto in ihrem Buch beschreibt), kann man auf einmal Firmen und Länder zur Verantwortung ziehen! Genau das tut gerade ein Bauer aus Peru, der RWE verklagt und das erste Mal wurde so eine Klage nicht sofort abgelehnt. Und wer weiß: Wenn Firmen damit rechnen müssen, für ihren Beitrag zum Klimawandel verklagt zu werden, dann ist das eventuell genau der Anstoß der nötig ist, damit sich endlich was ändert…
Das Buch von Otto und Brackel ist enorm spannend, wissenschaftlich genau so wie politisch. Lest es!
Die Geschichte der Meteorologie
Als Ergänzung dazu empfehle ich das wunderbare Buch “Das Wetter-Experiment: Von Himmelsbeobachtern und den Pionieren der Meteorologie” von Peter Moore (im Original “The Weather Experiment: The Pioneers who Sought to see the Future”). Es ist eine Geschichte der Meteorologie und vor allem eine der Wettervorhersage. Wir sind daran gewöhnt, dass die mehrmals täglich im Fernsehen läuft und wir uns mit Apps jederzeit über das kommende Wetter informieren können und das sogar halbwegs korrekt. Aber lange Zeit war es absolut unvorstellbar, so etwas wie das Wetter vorherzusagen. Wer entsprechende Vorschläge machte, wurde ausgelacht. Wie es am Ende doch gelang, die Meteorologie als ernsthafte Wissenschaft zu etablieren beschreibt Moore sehr mitreißend.
Mich hat vor allem fasziniert, wie wenig ich wusste. Wenn es um die Pioniere der Astronomie, der Physik, der Biologie geht, habe ich die gängigen Namen parat. Aber wer hat dazu beigetragen die Meteorologie zu einer Wissenschaft zu machen? Wer kennt etwa Robert FitzRoy – und nicht nur als Kapitän des Schiffs auf dem Charles Darwin um die Welt reiste? Kaum jemand, und dennoch hat er maßgeblich zur meteorologischen Forschung beigetragen. Wer hat als erster verstanden wie Wirbelstürme funktionieren? Wie Wolken entstehen? Wie sich Hoch- und Tiefdruckgebiete verhalten? Und so weiter – das Buch war für mich ein Blick in eine Welt die ich bis jetzt komplett vernachlässigt habe. Die Geschichte der Meteorologie ist enorm spannend und Moore beschreibt sie auch genau so. Sie ist voller Abenteuer, Intrigen, Streit und allem was dazu gehört zu einer ordentlichen Geschichte! Ein tolles Buch!
Der Schotte im Nebel
Zum Thema Wetter passt auch das Buch “Die Nebelspur: Wie Charles Wilson den Weg zu den Atomen fand” von Jens Soentgen (Autor) und Vitali Konstantinov (Illustrator). Es geht um Nebel und um den Schotten Charles Wilson. Der erhielt den Nobelpreis für Physik und hat die Teilchenphysik maßgeblich beeinflusst. Obwohl er eigentlich nur Wolken und Nebel verstehen wollte. Deswegen erfand er eine Methode, um Nebel auch im Labor herstellen zu können. Dabei entwickelte er die “Nebelkammer” mit der erstmals die Spuren von Atomen und Elementarteilchen sichtbar gemacht werden konnten. Ohne Nebelkammer hätte die Teilchenphysik des 20. Jahrhunderts nicht stattgefunden und Soentgen beschreibt das Leben und die Arbeit von Wilson anschaulich, poetisch und verständlich. Das kleine, schön gemachte und illustrierte Buch ist mit jeder Menge Anleitungen für eigene Experimente ergänzt; inklusive einer Bauanleitung für eine echt schottische Nebelkamme (mit Whiskey). Ein sehr schönes Buch!
Die Ibiza-Affäre
In Österreich wird es im September Neuwahlen geben. Ausgelöst wurden sie durch einen einmaligen Skandal. HC Strache und Johann Gudens, Spitzenpolitiker der rechtsextremen FPÖ, haben sich 2017 auf Ibiza in eine Falle locken und zu Äußerungen hinreißen lassen, die selbst in einer mittlerweile so verwahrlosten politischen Kultur wie der in Österreich sofort zu einem Rücktritt und Skandal führen müssen. Und auch geführt haben, als die Sache 2019 öffentlich wurde. Mittlerweile war die FPÖ in der Regierung, Strache Vizekanzler und selbst der ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, der so gut wie alles tut um Kanzler werden und bleiben zu können, konnte das nicht mehr ignorieren und wegschweigen. Geldwäsche, versteckte Parteispenden, Korruption, Einschränkung der Medienfreiheit: die Ibiza-Affäre hat alles, was ein Skandal braucht und eine vernünftige Politik nicht.
Aufgedeckt wurde die Geschichte unter Führung der Süddeutschen Zeitung und die beiden dort verantwortlichen Journalisten haben ein Buch darüber geschrieben: “Die Ibiza-Affäre: Innenansichten eines Skandal” von Bastian Obermayer und Frederik Obermaier. Über die Affäre selbst lernt man darin nicht mehr als bis jetzt schon bekannt war (was aber sowieso schon widerlich genug ist). Was aber tatsächlich enorm spannend und ein Grund für die dringende Lektüre dieses Buchs ist: Die sehr detailliert beschriebene Arbeit der Journalisten. Ich fand es sehr faszinierend aus erster Hand mitzuerleben, wie Investigativjournalismus funktioniert und wie dieser Skandal am Ende aufgedeckt worden ist.
Alle die vorhaben im September in Österreich zu wählen (was hoffentlich alle sind, die das auch dürfen!), sollten dieses Buch vorher lesen! Denn ich befürchte, dass in Österreich genau das passiert, was in solchen Fällen leider so oft passiert. Nämlich nichts. Die ÖVP wird so tun als hätte sie mit all dem nichts zu tun, die FPÖ wird das ganze so lange drehen bis sie als Opfer dasteht; die SPÖ wird wie immer keine Ahnung haben was sie tun soll und am Ende wird sich Sebastian Kurz wieder von den Rechtsextremen zum Kanzler machen lassen. Bis halt dann der nächste Skandal kommt…
Was ich sonst noch gelesen habe
- “Can You Speak Venusian? A Guide to the Independent Thinkers” (nicht auf deutsch erhältlich) von Patrick Moore. Ein seltsames Buch. 1972 erschienen beschreibt der britische Astronom Patrick Moore das, was er “independet thinkers” nennt und wir heute Pseudowissenschaftler und Esoteriker nennen würden. Es geht um Leute die daran glauben, dass der Himmel aus Metall ist, dass die Pyramiden von Aliens gebaut worden sind, dass die Sonne kalt und die Erde eine Scheibe ist, Astrologie die Zukunft vorhersagt, usw. Moore hat sie alle getroffen, mit ihnen geredet und ihre Ansichten vorgestellt. Sehr neutral; er wird nie unhöflich bei seinen Beschreibungen. Aus heutiger Sicht ist da nicht viel neues dabei. Aber es interessant zu sehen, wie sich die ganzen Sparten der Pseudowissenschaft in den letzten Jahrzehnten (nicht) entwickelt haben. Wer das nur noch antiquarisch erhältliche Buch noch auftreiben kann, sollte mal reinschauen.
- “Schild’s Ladder” (nicht auf deutsch erhältlich) von Greg Egan. Es gibt Science-Fiction. Es gibt “Hard Science-Fiction”. Und dann gibt es dieses Buch. Wenn man nicht mindestens Quantenmechanik studiert hat, versteht man nur die Hälfte von all dem was da passiert (so ging es mir). In einer fernen Zukunft in der Menschen schon hauptsächlich nur noch in Computern leben, bastelt eine Wissenschaftler beim Versuch das Vakuum zu verstehen ein neues Vakuum, das sich durch den Kosmos ausbreitet und alles zerstört. Man will die Welt retten – und macht dann irgendwas mit Differentialgeometrie um in das “andere” Universum zu reisen, wo man dann auf Wesen trifft, die aus variablen Naturgesetzen bestehen. Oder so irgendwie. Es ist alles sehr verwirrend. Aber am Ende irgendwo doch ein recht gutes Buch.
Das war’s mit den Büchern für den August. Im September gibt es neue Empfehlungen – bis dann!
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