Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 354: Kurt Gödel und die Reise durch die Zeit
Zeitreisen sind faszinierend. Sind beschäftigen uns schon seit Jahrhunderten; die Vorstellung die Vergangenheit oder Zukunft selbst zu erleben ist verlockend. Wir leben in der Gegenwart. Was in der Zukunft passieren wird können wir erst dann erleben, wenn wir darauf warten, dass sie von selbst kommt und zur Gegenwart wird. Und die Vergangenheit ist definitiv und unveränderlich vergangen. Wir können sie aus den Relikten die übrig geblieben sind erforschen und verstehen, aber niemals aktiv ein Teil von ihr sein oder sie gar verändern. Das ist zumindest der aktuelle Stand des Wissens. In der Science-Fiction läuft alles ein wenig simpler ab, da wird munter in die Vergangenheit und Zukunft gereist. Wie es in der wissenschaftlichen Realität aussieht, habe ich in den Folge 213 und 214 schon ausführlich erklärt. Bei den Reisen in die Zukunft gibt es gewisse Möglichkeiten die nicht völlig unrealistisch sind, zum Beispiel wenn man die Effekte der speziellen Relativitätstheorie benutzt. Dann könnte man mit einem sehr schnellen Raumschiff durchs Universum fliegen. Käme man danach wieder zurück auf die Erde würde man feststellen, dass für einen selbst weniger Zeit vergangen ist als für die zurückgebliebenen Menschen. Oder anders gesagt: Man wäre in die Zukunft gereist. Das ist keine Fantasie; sondern durch konkrete Experimente bestätigt. Da wir aber auf absehbare Zeit keine ausreichend schnellen Raumschiffe bauen werden können, bleibt auch das nur eine Wunschvorstellung. Und was Reisen in die Vergangenheit angeht, sieht es noch düsterer aus. Hier fehlen nicht nur die halbwegs plausiblen Mechanismen die so etwas möglich machen; hier stößt man auch noch auf die ganzen logischen Widersprüche die auftreten, sobald man die Vergangenheit verändert. Wenn ich mit meiner Zeitmaschine zum Zeitpunkt zurückreise an dem ich sie gebaut habe und sie dort kaputt mache, was passiert dann? Dann gibt es keine Zeitmaschine mit der ich zurück reisen kann um sie kaputt zu machen…
Es gibt aber ein Universum, in dem man durch die Zeit reisen kann und das ist das “Gödel-Universum”. Kurt Gödel ist ein Name den eigentlich alle kennen sollten. Geboren wurde er am 28. April 1906 im damaligen Kaiserreich Österreich-Ungarn; gestorben ist er am 14. Januar 1978 in den USA. Dazwischen hat vor allem die Mathematik gehörig in Schwierigkeiten gebracht. Sein berühmtestes wissenschaftliches Resultat ist der nach ihm benannte “Unvollständigkeitssatz”, der – sehr, sehr vereinfacht – besagt, dass die Mathematik nicht vollständig ist und niemals vollständig sein kann. Egal wie sehr man sich anstrengt, es wird immer Aussagen geben, die sich innerhalb der Mathematik nicht beweisen oder widerlegen lassen. Aber so faszinierend das auch ist, würde es doch sehr viel mehr Zeit brauchen um das halbwegs verständlich zu erklären, weswegen ich das Thema auch auf spätere Folgen der Sternengeschichten verschiebe. Gödel hat sich nämlich nicht nur mit Logik und Mathematik beschäftigt, sondern auch ein wenig mit der Physik und Kosmologie.
Die hat er – unter anderem – von keinem geringeren als Albert Einstein gelernt. So wie er musste auch Gödel während des zweiten Weltkrieges aus Europa flüchten und fand Zuflucht am Institute for Advanced Study in Princeton. Die beiden waren gut befreundet und als Einstein im Juli 1949 seinen 70. Geburtstag feierte, veröffentlichte Gödel ihm zu Ehren einen wissenschaftlichen Aufsatz mit dem etwas sperrigen Titel “An Example of a New Type of Cosmological Solutions of Einstein’s Field Equations of Gravitation”. Auf deutsch heißt das “Ein Beispiel für eine neue Art kosmologischer Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen der Gravitation”.
1915 hatte Albert Einstein ja das veröffentlicht, was heute als seine Allgemeine Relativitätstheorie bekannt ist. Die bestand im wesentlichen aus einem Satz mathematischer Gleichungen die beschreiben, wie Raum und Zeit sich verhalten und wie sich Objekte durch Raum und Zeit bewegen. Oder durch die “Raumzeit”: Das war ja eine der großen Erkenntnisse von Einstein. Raum und Zeit können nicht mehr – so wie zuvor – als unabhängig voneinander betrachtet werden. Sondern hängen zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Außerdem stellte er fest, dass die kombinierte Raumzeit ebenfalls nicht unveränderlich ist. Sie kann gekrümmt werden, zum Beispiel durch die Anwesenheit von Masse, und jede Bewegung durch die Raumzeit hängt von ihrer momentanen Krümmung ab. So erklärte er auch die Gravitation: Ein Stern etwa krümmt die Raumzeit in seiner Umgebung und ein Planet wie die Erde muss dieser Krümmung folgen. Uns erscheint das so wie eine Kraft, die die Sonne auf die Erde ausübt und dafür sorgt, dass die Erde um die Sonne kreist.
Einsteins Feldgleichungen können aber auch das Universum in seiner Gesamtheit beschreiben. Davon habe ich ja schon in Folge 249 der Sternengeschichten ausführlich erzählt. Einstein war sehr überrascht, dass die ersten Lösungen seiner Gleichungen immer nur ein Universum beschrieben, dass expandiert. Beziehungsweise war er verärgert und enttäuscht. So wie so gut wie alle anderen zur damaligen Zeit dachte er, das Universum wäre statisch. Aber in dem Fall waren die von ihm aufgestellten Gleichungen klüger als er selbst, denn mittlerweile wissen wir, dass das Universum sich tatsächlich immer weiter ausdehnt.
Wie das bei mathematischen Gleichungen aber oft der Fall ist, gibt es auch bei Einsteins Gleichungen mehr als nur eine Lösung. Und Gödel fand tatsächlich eine Lösung, die ein Universum beschreibt das nicht expandiert. Dafür aber rotiert es als ganzes. Und erlaubt die Reise durch die Zeit. Wie dieses “Gödel-Universum” tatsächlich funktioniert lässt sich ohne sehr viel sehr komplizierter Mathematik nicht erklären. Aber im Prinzip geht es um sogenannte “geschlossene zeitartige Kurven”. Damit ist – und ich vereinfache das alles sehr stark – der Weg eines Objekts durch die Raumzeit gemeint. Es bewegt sich ja immer alles durch die Raumzeit. Momentan sitze ich zum Beispiel an meinem Schreibtisch und bewege mich nicht. Natürlich bewege ich mich schon, weil die Erde um ihre Achse rotiert und ich bewege mich gemeinsam mit der Erde um die Sonne und mit der Sonne durch die Milchstraße. Aber selbst wenn man das alles ignoriert bewege ich mich ja auch immer noch durch die Zeit. Von der Vergangenheit in die Zukunft; immer weiter – bis ich halt irgendwann tot bin; aber dann machen die diversen Atome meines Körpers halt ohne mein Bewusstsein weiter mit der Reise durch die Raumzeit. Diese Bewegung kann man in ein Diagramm einzeichnen und die Linie wird dann immer eine Linie sein und nicht etwa ein Kreis oder eine Schlaufe. Ich kann zwar im Raum im Kreis laufen und wieder an meinen Ausgangspunkt zurück kehren. Aber wenn ich auch die Zeit berücksichtige, klappt das nicht mehr.
Gerade bin ich aufgestanden, einmal um den Schreibtisch gegangen und habe mich wieder hingesetzt (Ok, hab ich nicht gemacht, aber ich behaupte es trotzdem um zu verdeutlichen was ich meine). Ich bin am gleichen Ort wie zuvor aber zu einer anderen Zeit. Die entsprechende Linie die ich in einem Raumzeitdiagramm einzeichnen würde, wäre also nicht geschlossen. Um eine geschlossene Kurve zu erhalten müsste ich auch in der Zeit zurück reisen. Solche Linien existieren aber nach allem was wir wissen in unseren Universum nicht. Dafür aber im Gödel-Universum, wie er in seiner Arbeit mathematisch einwandfrei nachweisen konnte.
Die Zeitreisen im Gödel-Universum darf man sich aber nicht so vorstellen wie in den Science-Fiction-Filmen. Man steigt in kein Raumschiff und in keine Maschine; man fliegt durch kein Wurmloch, hat keinen Flux-Kompensator oder sonst irgendwas in der Art. Es gibt einfach den uns so vertrauten Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft nicht mehr. Es ist völlig normal für uns das zu tun, was ich vorhin beschrieben habe: Uns durch den Raum im Kreis zu bewegen und wieder am Ausgangspunkt anzukommen. Im Gödel-Universum gilt das auch für die Zeit. Die Bewegung durch die Zeit in Richtung Zukunft entlang einer geschlossenen zeitartigen Kurve würde irgendwann in eine Bewegung Richtung Vergangenheit übergehen. Und man wäre wieder da, wo man angekommen ist; in diesem Fall auch zeitlich.
Man kann bei dieser Art der Zeitreise auch keine irgendwie gearteten Veränderungen stattfinden lassen. Alles muss zwingend widerspruchsfrei sein. Würde ich mich selbst in der Vergangenheit treffen, dann könnte ich mich zum Beispiel nicht umbringen (was ich auch nicht wollen würde; ich hab mich eigentlich sehr gerne). Denn ich habe es ja nicht getan! Ich reise zu genau dem gleichen Ort in Raum und Zeit zurück, in dem ich mich nicht umgebracht habe und daran lässt sich nichts ändern. Weil es keine alternative Vergangenheit ist und keine veränderbare sondern genau die, die ich schon erlebt habe.
Das ist alles sehr verwirrend – aber zum Glück auch nichts was uns konkret in der Praxis beschäftigen muss. Denn wir leben definitiv nicht in einem Gödel-Universum. Unser Universum expandiert ja und nach allem was wir bis jetzt wissen und beobachtet haben, rotiert es auch nicht. Trotzdem war Gödels Arbeit durchaus wichtig. Denn er konnte damals das erste Mal zeigen, dass Zeitreisen ein Resultat von Einsteins Gleichungen sind. Bis dahin ging man eigentlich davon aus, dass das nicht der Fall ist. Da Zeitreisen in die Vergangenheit zu logischen Widersprüchen führen, erwartete man dass die Mathematik die das Universum beschreibt auch keine Möglichkeit für Zeitreisen zulässt. Tut sie aber – weswegen man dank Gödel begann, nach anderen Prinzipien zu suchen, die Zeitreisen physikalisch verbieten. Bzw. trotz allem möglich machen, was dann später in den Multiversums-Theorien der Quantenmechanik resultierte.
Bis jetzt jedenfalls haben wir noch keinen konkreten Weg gefunden, um durch die Zeit zu reisen. Aber falls jemand in der Zukunft diesen Podcast hört und eine Zeitmaschine rumstehen hat: Ich würde mich über einen kurzen Besuch freuen!
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