SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.

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Sternengeschichten Folge 357: Wie man schwarze Löcher sehen kann

In der heutigen Folge der Sternengeschichten möchte ich euch erzählen wie man ein schwarzes Loch sehen kann. Jetzt werdet ihr alle rufen “Quatsch!, ein schwarzes Loch kann man doch per Definition nicht sehen!” und habt damit auch absolut Recht. Aber eben nicht ganz. Und bevor es jetzt kompliziert wird, dröseln wir das mal der Reihe nach auf. Was kann man sehen und was nicht bei einem schwarzen Loch und wie kann man das, was man sehen kann, dann auch tatsächlich sehen?

Denn immerhin gibt es seit 10. April 2019 ein echtes Bild eines schwarzen Lochs. Das erste Bild eines schwarzen Lochs und zwar eines im Zentrum der Galaxie Messier 87 (ich habe in Folge 334 mehr davon erzählt). Das Bild existiert und ist keine Fantasie. Aber was sieht man darauf und warum kann man es sehen.

Fangen wir mit schwarzen Löchern an. Darüber hab ich ja schon öfter mal erzählt, zum Beispiel in den Folgen 40, 41 und 238. Da erkläre ich auch, wie die Objekte entstehen, was wir über sie wissen, und so weiter. Ein wenig knifflig ist die Frage was das schwarze Loch eigentlich ist. Je nachdem wie man es betrachtet wissen wir das oder wissen es nicht. Ganz simpel gesagt ist ein schwarzes Loch das was man bekommt, wenn man ausreichend viel Masse auf ausreichend kleinem Raum konzentriert. Man braucht also möglichst dichte Materie denn nur dann bekommt man wirklich große Gravitationskräfte. Die Stärke der Gravitationskraft die man spürt hängt ja einerseits von der Masse ab die die Kraft ausübt. Und auch vom Abstand in dem man sich zu der Masse befindet. Es nützt nichts, einfach nur sehr viel Masse irgendwo zu haben – denn wenn diese Masse sehr ausgedehnt ist, wie zum Beispiel bei einem Stern, dann kann man der gesamten Masse nicht nahe genug kommen um die Effekte zu spüren die ein schwarzes Loch ausmachen. Ist die Masse aber ausreichend stark komprimiert, dann kann man ihr so nahe kommen, dass es interessant wird. Würde man zum Beispiel die gesamte Masse der Sonne auf eine Kugel mit einem Radius von 3 Kilometern zusammenquetschen wird es spannend. Wir können uns nun vorstellen, wir stünden auf der Oberfläche dieser Kugel. Wir wären dann nie weiter als 6 Kilometer vom Rest der Masse entfernt (das ist der Abstand zum Punkt auf der uns genau gegenüberliegenden Seite der Kugel). Unser Abstand zur gesamten Sonnenmasse ist also immer klein und die Anziehungskraft die wir spüren daher auch immer groß. Und in dem Fall so groß, dass wir die Oberfläche nicht mehr dauerhaft verlassen könnten. Wir müssten uns schneller als mit Lichtgeschwindigkeit von ihr entfernen – aber das ist nicht möglich. Wir – und alles andere – ist dauerhaft auf der Kugel gefangen. Nichts kommt weg, nicht einmal Licht. Die zusammengequetschte Sonne ist zu einem schwarzen Loch geworden.

Das schwarze Loch von M87 – das erste echte Bild!
Bild: Event Horizon Telescope

Den Abstand, den man zu einer Masse haben muss damit das passiert, nennt man “Ereignishorizont”. Alles was sich hinter dem Ereignishorizont befindet, kommt da nicht mehr weg. Wir können daher auch nicht beobachten oder wissen, was im Inneren des Ereignishorizontes passiert. Es handelt sich dabei auch nicht um eine echte Barriere; das Beispiel mit der Kugel von vorhin darf man nicht zu ernst nehmen. Ein schwarzes Loch ist keine Kugel die den Ereignishorizont ausfüllt. Wir wissen nicht, was ein schwarzes Loch wirklich ist. Wir wissen nur, dass Masse so stark komprimiert wurde, dass sich um sie herum so ein Ereignishorizont gebildet hat. Zum Beispiel wenn ein sehr massereicher Stern am Ende seines Lebens in sich zusammenfällt. Sein eigenes Gewicht drückt ihn dann so stark zusammen dass ein Ereignishorizont entsteht. Mit Sicherheit wird der ehemalige Stern dann auch noch weiter in sich zusammenfallen. Aber von außen sehen wir nur den Ereignishorizont; was dahinter ist und zu was der Stern wurde können wir derzeit weder theoretisch vorhersagen noch beobachten. Wir wissen nur, dass man dem etwas nicht näher kommen sollte als es der Abstand des Ereignishorizontes vorgibt. Denn ansonsten kämen wir nicht mehr zurück.

Von außen betrachtet “sehen” wir also vorerst nur eine schwarze Kugel, die aber keine echte Kugel ist sondern nur eine Region im Raum um das schwarze Loch herum aus der keinerlei Licht mehr nach außen dringen kann. Und wir sehen die schwarze Kugel natürlich auch nicht, weil es da nichts zu sehen gibt. Wenn das schon alles wäre, könnten wir ein schwarzes Loch tatsächlich nicht sehen. Nicht von außen, weil da nichts ist und schon gar nicht das, was hinter dem Ereignishorizont ist. Aber das ist eben normalerweise nicht alles. Schwarze Löcher, vor allem die gigantisch großen die sich in den Zentren der Galaxien befinden sind nicht einfach isoliert im All. Es gibt ja noch jede Menge anderes Zeug und gerade in den Zentren der Galaxien ist dieses Zeug besonders häufig und dicht. Da stehen die Sterne eng nebeneinander; sie schleudern Gas und Staub hinaus ins All. Es gibt Gas- und Staubwolken zwischen den Sternen. All das bewegt sich um das schwarze Loch rundherum. Und kann auch ins schwarze Loch hinein fallen. Damit meint man: Dieses ganze Zeug kann den Ereignishorizont von außen nach innen überqueren. Das tut das Zeug aber nicht einfach so. Es wirbelt auf spiralförmigen Bahnen immer enger um den Ereignishorizont bevor es hinein fällt. Das ganze Material bildet eine große Scheibe um den Ereignishorizont und während es bei seiner Bewegung immer stärker beschleunigt wird, heizt es sich auch immer stärker auf. Und beginnt zu leuchten!

Das Material um den Ereignishorizont herum ist also alles andere als unsichtbar! Es leuchtet hell, vor allem auch in den Bereichen des Lichts das für unsere Augen nicht sichtbar ist. Es gibt zum Beispiel Röntgenstrahlung ab oder Radiowellen. Und das können wir mit den entsprechenden Teleskopen durchaus sehr gut beobachten. So haben wir die schwarzen Löcher ja überhaupt erst entdeckt: Wir haben festgestellt, dass da enorm starke Röntgen- und Radioquellen in den Zentren der Galaxien sitzen und die einzige vernünftige Erklärung dafür war die Existenz eines schwarzen Lochs. Der endgültige Nachweis wurde dann mit anderen Methoden geführt, zum Beispiel und wie ich in Folge 306 ausführlich erklärt habe, durch die Beobachtung der Bewegung von Sternen in den Zentren von Galaxien aus der man Masse und Größe des Objekts abschätzen kann, um das sich ein Stern herum bewegt. So fand man heraus, dass dort die Bedingungen erfüllt sind, die man braucht; das ausreichend viel Masse auf ausreichend kleinem Raum konzentriert ist um einen Ereignishorizont zu erhalten.

Aber gesehen haben wir auch hier eigentlich nichts. Wir haben das Licht gesehen, das vom Material in der Umgebung des schwarzen Lochs stammt. Aber sonst nichts. Und gerade das Nichts hätten wir gerne gesehen. Oder anders gesagt: Die Auflösung der Teleskope war lange Zeit nicht gut genug. Das Auflösungsvermögen sagt uns, wie nahe zwei Objekte nebeneinander stehen können so dass wir sie noch als zwei einzelne Objekte erkennen können. Wenn man zum Beispiel aus der Ferne auf einen Wald blickt, sieht man dort nur eine undefinierte grün-braune Masse. Benutzt man aber ein Fernglas, das ja ein deutlich besseres Auflösungsvermögen als unser Auge hat, dann erkennt man auf einmal einzelne Bäume. Genau so ist es auch bei den schwarzen Löchern. Wenn mir mit unseren Teleskopen auf die Zentren der Galaxien geschaut haben, haben wir nur große, helle Flecken gesehen. Irgendwo im Zentrum dieser hellen Flecken muss aber auch ein dunkler Fleck sein. Irgendwo dort muss der Ereignishorizont sein, die Region aus der kein Licht mehr zu uns kommen kann. Um DAS zu beobachten muss das Auflösungsvermögen groß genug sein. Was es aber lange Zeit nicht wahr.

Man kann das mit einem kleinen Vergleich veranschaulichen. Die Galaxie Messier 87 ist 54 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Der Ereignishorizont des schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie hat einen Durchmesser von 18 Milliarden Kilometern (das entspricht dem 120fachen Abstand zwischen Erde und Sonne). Das ist groß. Sehr groß. Das schwarze Loch ist aber auch sehr, sehr weit weg. In der Astronomie benutzt man in solchen Fällen die Einheit des Bogenmaß um die Größe zu beschreiben. Man bestimmt also, unter welchem Winkel uns ein Objekt am Himmel erscheint. Ein Kreis um den gesamten Himmel herum hat dabei 360 Grad. Jedes Grad hat 60 Bogenminuten, jede Bogenminute 60 Bogensekunden. Der Vollmond zum Beispiel hat eine Größe von 30 Bogenminuten, überdeckt also ein halbes Grad des kompletten Kreises am Himmel. Oder anders gesagt: Man bräuchte 720 Vollmonde wenn man den Horizont einmal komplett rundherum füllen wollte.

Der Ereignishorizont des schwarzen Lochs von Messier 87 hat eine Größe von 40 Mikrobogensekunden. Das entspricht ungefähr der Größe einer Orange, die auf dem Mond liegt und die wir von der Erde aus beobachten wollen. Das ist nicht möglich, auch nicht mit den besten Teleskopen die wir haben. Wir müssen entweder näher ran. Das ist beim Mond noch einfach; da sind wir ja immerhin schon öfter mal hingeflogen. Aber bei einer Distanz von 54 Millionen Lichtjahren haben wir keine Chance uns auch nur irgendwie so weit zu nähern, dass sich an der scheinbaren Größe des schwarzen Lochs etwas ändern würde. Also müssen wir einen anderen Weg finden. Wir brauchen Teleskope mit einem besseren Auflösungsvermögen. Genau die haben wir gebaut und genau damit war es möglich, das erste Bild eines schwarzen Lochs zu machen. Oder, wenn man das lieber hat, das erste Bild des Ereignishorizontes eines schwarzen Lochs. Oder, was vielleicht noch schöner klingt: Das erste Bild des Schattens, den ein schwarzes Loch auf das helle Licht im Inneren einer fernen Galaxie wirft.

Wie auch immer man es nennt: Gelungen ist das Bild weil man eine ganz spezielle Technik benutzt hat. Die nennt sich “Very Long Baseline Interferometry” und was es damit auf sich hat, erfahrt ihr in der nächsten Folge der Sternengeschichten.

Kommentare (1)

  1. #1 Michael Stängl
    München
    27. September 2019

    Auch wenn ich seit ich lesen kann, und das war noch vor meiner Einschulung 1984, hatte ich damit begonnen, mich mit Astronomie zu beschäftigen, weil das einfach so interessant ist.

    Und auch wenn ich die Thematik mit den Schwarzen Löchern auch schon zum n-ten Mal gelesen hatte, liebe ich es immer noch, neue Artikel darüber zu lesen, hier und da neue Details zu lernen.
    In meinem Kopf spielen sich dann epische Kopfkino-Filme ab und dann wünschte ich mir soooooo dass sich die Sache mit der Obergrenze Lichtgeschwindigkeit irgend wann einmal als falsch herausstellen würde und dass man a’la Sci-Fi mit FTL Schiffen (mit aus heutiger Sicht “Space Magic Tech”) wirklich dorthin fliegen kann, sich das Ganze selbst ansehen, all die fantastischen Dinge da zu erforschen.
    Mutig dorthin zu gehen, wo noch kein Mensch zuvor gewesen ist.

    Na, immerhin haben wir unsere, oder besser, habt ihr Astronomen die Teleskope, die da schon mal einen guten Teil des “dorthin zu gehen” übernehmen und die Sonden, die das Sonnensystem durcheilen.
    Und dann ist da noch die Fähigkeit der Menschen, sich etwas mit großer Fantasie einfach auszumalen, wie ich es in meinen selbst entwickelten Future-Welten gerne tue.
    Ich jedenfalls freue mich schon auf weitere so interessante Artikel und schau ohnehin alle ein bis drei Tage hier vorbei.

    Danke Florian für diese unermüdliche Arbeit, mir auch immer wieder Inspiration für meine Welten, die richtigen wissenschaftlichen Infos, die ich da mit einbaue zu liefern und für all diese vielen auch sonst lehrreichen Stunden meines Lebens.