Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 359: Grüne-Erbsen-Galaxien und das dunkle Zeitalter des Universums
Galaxien gibt es in allen möglichen Formen und Farben, wie ich schon in Folge 33 der Sternengeschichten erzählt habe. Es gibt die schönen Spiralgalaxien mit ihre verwundenen Armen. Es gibt die großen elliptischen Galaxien, die eigentlich nur riesige Sternhaufen sind. Aber was sollen “Grüne-Erbsen-Galaxien” sein? Das sind – wenig überraschend – Galaxien die aussehen wie grüne Erbsen. Natürlich nicht wirklich, eine Erbse ist ein winziges Stück Gemüse und eine Galaxie ist eine enorme Ansammlung von Sternen im Kosmos. Aber als man das erste Mal die Art von Galaxie sah um die es heute geht, sahen sie auf den Bilder tatsächlich aus wie grüne Erbsen. Klein, rund und grün.
Entdeckt hat man sie durch Zufall. Im Rahmen des “Galaxy Zoo”-Projekts haben Freiwillige überall auf der Welt im Internet Aufnahmen von Galaxien angesehen und sollten sie anhand ihrer Form klassifizieren. Einem davon fielen im Jahr 2007 zwei seltsame grüne Objekte auf, die er für Galaxien hielt und man fing an darüber zu diskutieren. Ein wenig scherzhaft wurden sie “Peas” genannt, also englisch für “Erbse”. Der Name hat sich eingebürgert und man stellte auch schnell fest, dass es tatsächlich Galaxien sind. Die aber anders sind als man es normalerweise erwarten würde.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen sich der Sache an und erforschten die Objekte ausführlich. Und deswegen wissen wir heute, dass es sich bei den Erbsen-Galaxien um Zwerggalaxien handelt. Keine von den vielen, die mittlerweile entdeckt wurden, ist größer als 16.000 Lichtjahre, was zwar natürlich sehr groß ist. Aber eben klein für eine Galaxie. Unsere eigene Milchstraße etwa hat einen Durchmesser von mehr als 100.000 Lichtjahren und es gibt noch deutlich größere. Die Erbsen-Galaxien enthalten auch nur ein paar Milliarden Sterne, deutlich weniger als die circa 200 Milliarden Sterne in einer typischen Spiralgalaxie wie unserer Milchstraße.
Was die Erbsen-Galaxien besonders macht ist die Sternentstehungsrate. Während in der Milchstraße typischerweise nur ein neuer Stern pro Jahr entsteht sind es dort mindestens 10. Das macht sie zu sogenannten “Starburst-Galaxien”, also Galaxien in denen deutlich mehr Sterne entstehen als es für eine Galaxie dieser Größe zu erwarten wäre. Grün erscheinen sie übrigens deswegen weil es in den kosmischen Wolken zwischen den Sternen dort mehr Sauerstoffatome gibt als in anderen Galaxien und dieser Sauerstoff leuchtet grün, wenn er durch energiereiches Sternenlicht angeregt wird. Von dem es in den Erbsen-Galaxien ebenfalls mehr gibt als anderswo, womit wir genau bei dem Phänomen sind, dass diese Objekte wirklich spannend macht.
Grüne-Erbsen-Galaxien sind weit entfernt. Ihr Licht hat einen langen Weg bis zu uns zurück gelegt was nichts anderes heißt als das wir bei ihrer Beobachtung weit in die Vergangenheit sehen. Wir sehen Galaxien, die in einem früheren Zeitalter des Universums existiert haben. Und in der Frühphase des Kosmos gibt es noch einige Dinge, die wir gerne verstehen wollen. Zum Beispiel das Ende des sogenannten “dunklen Zeitalters”.
Dazu müssen wir zuerst noch einmal ganz zum Anfang zurück. Also nicht ganz bis zum Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren aber fast. Ganz zu Beginn gab es noch nichts. Also keine Sterne, es gab natürlich schon Materie. Die lag aber nicht so vor wie heute, in Form von kompletten Atomen. Es gab Atomkerne und es gab freie Elektronen. Und es war enorm heiß, weswegen sich Kerne und Elektronen sehr schnell bewegt haben. So schnell, dass sich die Elektronen nicht an die Atomkerne binden konnten um die Atomhülle zu bilden wie sie es normalerweise tun. Außerdem war da noch jede Menge Energie in Form von Licht. Das Licht konnte sich aber nicht ausbreiten, weil die überall herumfliegenden Elektronen im Weg gestanden sind. Das Universum musste sich erst einmal weiter ausdehnen und dabei kühler werden. 380.000 Jahre nach dem Urknall war es dann kühl genug damit sich die Elektronen an die Atomkerne binden konnten. Das Licht konnte sich ausbreiten, das Universum wurde “durchsichtig”. Beziehungsweise dunkel.
Ich habe all das schon sehr ausführlich in Folge 316 erzählt, als es um die kosmische Hintergrundstrahlung ging, die wir heute noch konkret messen können und die nichts anderes ist also genau jenes allererste Licht das sich 380.000 Jahre nach dem Urknall endlich im Kosmos ausbreiten konnte. Sterne gab es damals aber immer noch nicht. Es gab Atome – hauptsächlich Wasserstoff – und es war dunkel. Damals begann das “dunkle Zeitalter des Kosmos” und es dauerte ein paar hundert Millionen Jahre lang. Dann begann etwas, das man die “Reionisierungsepoche” nennt. Etwas poetisch und wissenschaftlich ungenau ausgedrückt: Das Universum begann auf einmal wieder zu leuchten. Nicht ganz so schön und wissenschaftlich exakter ausgedrückt wurde der Wasserstoff im Kosmos damals wieder ionisiert und zu einem geladenen Plasma.
Im Detail: Ein Atom nennt man dann “ionisiert” wenn es eines oder mehrere der Elektronen in seiner Hülle verliert. Das passiert wenn das Elektron Energie von außen aufnimmt. Die Energie ist zum Beispiel Licht mit der passenden Wellenlänge und dieser Teil des Lichts steckt dann im Elektron. Anders gesagt: In diesem Bereich des Lichts ist das Universum dann nicht mehr durchsichtig, weil das Licht eben nicht hindurch fliegt sondern im Elektron landet. Das junge Universum war noch recht klein, es gab sehr, sehr viel freie Wasserstoffatome – aber wer hat das Licht produziert, dass die Atome dann ionisiert hat?
Das müssen die ersten Sterne gewesen sein, die sich gebildet haben; die ersten Galaxien. Und man hatte schon länger vermutet, dass die Grünen-Erbsen-Galaxien hier eine Rolle spielen. Denn die schicken sehr viel hochenergetisches Licht ins All. Dort entstehen ja jede Menge Sterne und junge Sterne erzeugen genau diese Art von Licht das Atome leicht ionisieren kann. Schon 2016 konnte man bei einer dieser Galaxien die Menge an Ultraviolettstrahlung messen die aus der Galaxie in die kosmische Umgebung strahlt. Acht Prozent der gesamten in der Erbsen-Galaxie erzeugten UV-Strahlung waren das, was nicht nach viel klingt aber immerhin reicht um Wasserstoffwolken mit der 40fachen Masse der Galaxie zu ionisieren! Weitere Beobachtungen des Wasserstoffs in den Galaxien die 2019 gemacht wurden, bestätigen dieses Bild.
Die Grünen-Erbsen werden nicht die einzigen Quellen ionisierenden Strahlung im frühen Universum gewesen sein. Aber sie haben vermutlich eine wichtige Rolle gespielt. Sie haben das Universum wieder reionisiert und für ein paar hundert Millionen Jahre erneut undurchsichtig gemacht. Erst dann war der Kosmos groß genug so dass das Licht sich größtenteils ungehindert ausbreiten kann, unabhängig davon ob die Wasserstoffatome ionisiert sind oder nicht. Nach dem Ende dieser Epoche entwickelte sich das Universums zu dem Kosmos, den wir heute beobachten.
Die grünen Erbsen im All mögen unscheinbar erscheinen und vielleicht auch geringgeschätzt werden, so wie oft auch das Gemüse das ihnen den Namen gegeben hat. Aber in ihnen steckt das Wissen um die ferne Vergangenheit des Universums.
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