SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.

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Sternengeschichten Folge 360: Ist Astronomie die älteste Wissenschaft?

Astronomie ist eine Wissenschaft. Astronomie ist eine Naturwissenschaft. So viel ist klar. Aber stimmt es, was man immer wieder hört: Dass Astronomie die älteste aller Wissenschaften ist? Um das zu beantworten muss man erst mal verstehen, was Wissenschaft überhaupt ist und welche Arten von Wissenschaft es gibt. Und genaugenommen müsste man erst einmal ein paar Semester lang Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte studieren wenn man das Thema wirklich gründlich durchdringen will. Das ist zu viel für eine Folge dieses Podcasts, aber für einen kleinen Überblick ist Zeit genug!

Was man genau meint wenn man “Wissenschaft” sagt, ist nicht unbedingt umstritten. Aber es gibt auch keine allgemeingültige und von allen akzeptierte Definition. Das deutsche Wort “Wissenschaft” macht aber auf jeden Fall schon mal klar, dass es darum geht Wissen zu schaffen. Oder, etwas komplizierter ausgedrückt, es handelt sich um ein System oder einen Prozess mit dem man die Gesetzmäßigkeiten verstehen will, die die Natur beschreiben, aber auch die Gesellschaft, das menschliche Handeln und Denken, und so weiter. Damit dieser Prozess des Wissenschaffens auch wirklich “Wissenschaft” genannt werden kann, müssen ein paar Bedingungen erfüllt sein.

Wissenschaft sollte zum Beispiel objektiv sein. Dass heißt, das, was getan wird sollte unabhängig von der Person sein, die es tut. Anders gesagt: Wissenschaft ist nicht das, was ich gern hätte sondern das, was wirklich ist. Natürlich ist das in der Realität leichter gefordert als getan. Wir alle sind nur Menschen und definitiv nicht objektiv, selbst dann wenn wir denken, wir wären es. Aber auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ihre eigene und persönliche Sicht auf die Welt. Wer etwa ganz fest daran glaubt, dass da draußen im Weltall intelligente Aliens existieren wird bestimmte Beobachtungsdaten ganz anders interpretieren als jemand, der davon überzeugt ist, dass wir Menschen die einzigen Wesen im Kosmos sind. Jeder wird probieren, die Daten so auszulegen, dass sie das bestätigen, was man selbst glaubt. Aber Wissenschaft ist eben gerade nicht Glauben. Wissenschaft ist das, was bleibt wenn der Glaube weg ist. Deswegen ist ein weiteres wichtiges Merkmal der Wissenschaft die Transparenz. Wer wissenschaftliche Behauptungen aufstellt und Ergebnisse veröffentlicht muss das so transparent und vollständig wie möglich tun. Nur dann haben andere Menschen die Möglichkeit alles zu prüfen und nur durch die gemeinsame Prüfung lassen sich die persönlichen Vorlieben und Glaubensvorstellungen eliminieren; nur so kann man zu objektiven Erkenntnissen kommen. Aus dem gleichen Grund ist es auch wichtig, dass man in der Wissenschaft um Eindeutigkeit bemüht ist. Man kann die Dinge die man erforscht nicht nach Lust und Laune benennen; beziehungsweise eben immer klar und transparent sein was gemeint ist, wenn man bestimmte Worte benutzt. Wenn ich etwa in einer Forschungsarbeit von “Sternen” schreibe, müssen alle die es lesen davon ausgehen können, dass sie unter diesem Begriff das gleiche Ding verstehen wie ich. Wissenschaft sollte auch immer überprüfbar sein; man kann nicht einfach irgendwas behaupten das niemand nachvollziehen kann. Würde ich etwa sagen, dass die Erde einen zweiten Mond hat, der aber komplett unsichtbar ist, keine Gravitationskraft ausübt, nicht berührt werden kann und der auch sonst auf keine Weise mit dem Rest des Universums in Kontakt tritt, dann ist das eine ziemlich sinnlose Aussage. Denn selbst wenn das so wäre – und es ist NICHT so – gäbe es keine Möglichkeit meine Aussage zu bestätigen oder zu verwerfen. Wissenschaft sollte ein Problem immer auch vollständig betrachten und sich nicht einfach nur irgendwelche Aspekte eines Phänomens herauspicken die man selbst cool findet und den Rest ignorieren (der vielleicht nicht zu dem passt, was man behauptet – und gerade deshalb nicht verschwiegen werden darf). Und so weiter – es gibt noch jede Menge Details die man beachten muss, wenn man das betreiben möchte was “Wissenschaft” genannt wird. Aber kurz gesagt geht es dabei darum objektive und verlässliche Erkenntnisse über bestimmte Bereiche der Welt bzw. der Realität zu erhalten.

Der Blick zum Himmel ist alt. Aber wie alt? (Bild: gemeinfrei)

Um die Frage nach der ältesten Wissenschaft zu beantworten sollten wir auch noch kurz schauen, welche Arten von Wissenschaft es eigentlich gibt. Und auch hier kann man keine eindeutige Antwort finden; es gibt viele Möglichkeiten die Wissenschaft zu unterteilen. Am gebräuchlisten ist es, sie nach dem zu klassifizieren was sie erforschen. Die “Naturwissenschaften” sind dann also Wissenschaften, die die Natur erforschen. Etwas genauer gesagt sind es Wissenschaften, die die Natur empirisch erforschen. “Empirisch” bedeutet hier – ganz grob gesagt – das was ich vorhin erklärt habe. Empirisch ist ein Prozess dann, wenn man eine Erfahrung, Beobachtung, und so weiter als Hypothese formuliert und sie auf wissenschaftliche Art und Weise auf ihre Gültigkeit prüft. Genau das machen die Naturwissenschaften: Sie beobachten die Welt, sie messen, sie analysieren, sie experimentieren und das auf wissenschaftliche Art und Weise. Zu den Naturwissenschaften gehören die Physik, die Biologie, die Chemie, die Geologie, die Medizin – und natürlich auch die Astronomie. Sie arbeitet wissenchaftlich und ihr Forschungsgebiet ist die Natur – sie kann also nichts anderes sein als eine Naturwissenschaft.

Neben den Naturwissenschaften gibt es auch noch “Geisteswissenschaften”. Hier beschäftigt man sich mit kulturellen, geschichtlichen, politischen, religiösen, sozialen und ähnlichen Phänomenen. Und auch das wissenschaftlich, aber in den meisten Fällen nicht empirisch. Man kann zum Beispiel nicht “messen” ob ein Stück Literatur gut oder schlecht ist. Beziehungsweise wichtig oder komplett irrelevant. In der Geisteswissenschaft gibt es andere Methoden als die Empirie; man untersucht und vergleicht zum Beispiel Aussagen aus der Literatur, man stellt Zusammenhänge zwischen sozialen Phänomenen her und natürlich probiert man auch hier Thesen aufzustellen und objektiv zu prüfen. Aber wenn es etwa um philosophische oder ähnliche Fragen geht, dann gibt es keine absolute Trennung zwischen “richtig” und “falsch”. In der Naturwissenschaft kann man Behauptungen immer anhand dessen prüfen, was die Natur vorgibt. Wenn zum Beispiel Albert Einstein behauptet, dass jede Masse den Raum krümmt und sich deswegen Himmelskörper auf eine ganz bestimmte Art und Weise bewegen müssen, dann kann man das durch die Beobachtung der Himmelskörper prüfen und seine Aussagen bestätigen oder verwerfen. Wenn dagegen der Philosoph Immanuel Kant sagt “Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde”, dann ist das mit Sicherheit ein kluger Gedanke. Aber man kann genau so behaupten, dass das Quatsch ist. Und es gibt kein Experiment oder Beobachtung mit der man testen könnte, wer Recht hat. In der Geisteswissenschaft gibt es meistens keine absoluten Wahrheiten.

Wichtig sind auch die Formalwissenschaften. Dazu zählt man zum Beispiel die Mathematik. Sie wird zwar vor allem in den Naturwissenschaften verwendet um empirische arbeiten zu können. Also um klar definierte, präzise, nachvollziehbare und überprüfbare Aussagen zu machen. Solche Wissenschaften werden oft auch “Exakte” oder “Harte Wissenschaften” genannt und von den “weichen Wissenschaften” abgegrenzt, in der die Mathematik so nicht einsetzbar ist. Aber die Mathematik selbst erforscht nicht die Natur, sondern quasi sich selbst. Oder genauer gesagt: Sie untersucht die abstrakten, formalen Regeln in klar definierten Systemen. Also zum Beispiel die Verknüpfungen zwischen Zahlen beziehungsweise versucht aus einer vorgegebenen Menge logischer Aussagen alle weiteren Aussagen abzuleiten die daraus folgen. Zu den Formalwissenschaften zählt man aber auch Teile der Informatik, der Linguistik oder der Rechtswissenschaften – auch hier geht es nicht um die Dinge an sich bzw. um Objekte oder Phänomene in der realen Welt sondern um die formalen Beziehungen zwischen den Dingen.

Man kann das alles natürlich noch weiter, feiner oder anders einteilen. Es gibt Ingenieurswissenschaften, Humanwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Strukturwissenschaften, und so weiter. Man kann Wissenschaft nach der Arbeitsweise klassifizieren und zwischen “Experimentalwissenschaft” und “Theoretischen Wissenschaften” unterscheiden. In den naturwissenschaftlichen Disziplinen findet man normalerweise immer beide Ansätze. Es gibt die theoretische Physik, die sich der abstrakten und mathematischen Untersuchung der Natur widmet, also zum Beispiel mathematische Modelle aufstellt um die Welt zu beschreiben und es gibt die Experimentalphysik, die mit konkreten Experimenten konkrete Hypothesen testet. In der Astronomie probiert man in der theoretischen Astronomie zum Beispiel durch Mathematik zu beschreiben wie sich ein Stern verhält, leitet daraus Vorhersagen ab die dann von der beobachtenden Astronomie bei Messungen geprüft wird. Es gibt praktische und theoretische Biologie, Chemie, Geologie, und so weiter.

Astronomische Messinstrumente (Bild: ESO/C.Malin)

Wissenschaft zu definieren und zu klassifizieren ist also nicht einfach und das was ich bis jetzt erzählt habe nur ein kleiner Ausschnitt dessen, worüber man schon seit Jahrhunderten diskutiert. Man muss aufpassen, das man hier nicht durcheinander kommt. Die einzelnen Klassifikationssysteme sind miteinander verzahnt, aber betrachten die gleiche Situation aus unterschiedlichen Winkeln. Eine Naturwissenschaft hat normalerweise immer einen stärkeren experimentalwissenschaftlichen Anteil als eine Geistes- oder Formalwissenschaft. Daraus folgt aber nicht, dass “Naturwissenschaft” und “Experimentalwissenschaft” austauschbare Begriffe sind. Ansonsten wären ja etwa die theoretische Astronomie oder die mathematische Chemie keine Naturwissenschaft und das ist Quatsch – beide erforschen die Natur und zwar wissenschaftlich, also sind es Naturwissenschaften. Und eine Wissenschaft die nur wenig experimentalwissenschaftliche Anteile hat, wird deswegen nicht zu einer Formalwissenschaft. Solange man die Natur empirisch erforscht ist es eine Naturwissenschaft, egal mit welchen Methoden. Und Geisteswissenschaften bleiben Geisteswissenschaften; egal wie viel darin gerechnet wird.

Aber auch wenn alles sehr verwirrend ist: Die Frage vom Anfang aber bleibt: Ist Astronomie die älteste Wissenschaft? Es wäre schön, wenn es wenigstens hier eine definitive Antwort gäbe. Aber leider ist das nicht der Fall. Wenn man die Frage stellt, dann meint man damit ja normalerweise mit Wissenschaft das, was wir heute mit diesem Begriff bezeichnen. Die moderne Wissenschaft gibt es aber noch gar nicht so lange. Die entstand – und auch darüber kann man lange diskutieren und streiten – im 17. Jahrhundert und basiert im Wesentlichen auf der Arbeit von Isaac Newton der mit seiner Theorie über die universale Gravitation ja eindrucksvoll demonstriert hat, dass man die Natur empirisch-mathematisch beschreiben und aus dieser Beschreibung überprüfbare und objektive Aussagen ableiten kann. In all den Jahrtausenden davor war “Wissenschaft” etwas ganz anderes. Diejenigen Menschen die sich damals auf eine Art und Weise mit der Welt beschäftigt haben die wir heute “wissenschaftlich” nennen würden, haben sich selbst auch nicht als “Wissenschaftler” bezeichnet. Sondern als “Gelehrte” oder “Philosophen”. Es gab kaum Möglichkeiten wie man Hypothesen über die Natur empirisch überprüfen konnte. Wenn zum Beispiel Gelehrte wie Demokrit oder Leukip behaupteten, die Welt sei aus kleinsten, unteilbaren Objekten, den “Atomen” aufgebaut, dann war das ein interessanter Gedanke, aber aus heutiger Sicht kein naturwissenschaftlicher Gedanke. Denn diese “Atom-Hypothese” war weder empirisch-mathematisch formuliert, noch konnte man daraus irgendwelche Vorhersagen ableiten und es gab auch keine Möglichkeit diese Behauptung irgendwie durch konkrete Beobachtungen zu prüfen.

Der Himmel fasziniert uns von Anfang an… (Bild: Dbachmann, CC-BY-SA 3.0)

Das heißt nicht, dass die Gelehrten damals dumm waren. Es war einfach nur ein ganz anderer Weg, die Welt zu betrachten. Und das sieht man beim Blick zum Himmel besonders gut. Was Sterne wirklich sind, wie sie sich von Planeten unterscheiden, wie groß das Universum ist und so weiter – das alles wissen wir erst seit wenig mehr als 100 Jahren. Davor hatte niemand eine Ahnung um was es sich dabei handelt und es hatte auch niemand die Möglichkeit es verlässlich herauszufinden. Da Menschen aber immer über die Welt Bescheid wissen wollen in der sie leben, haben sie sich andere Wege gesucht. Für die Menschen in der Vorgeschichte vor vielen tausend Jahren war es zum Beispiel absolut klar, dass alles in der Welt irgendwie belebt ist. Sie konnten ja beobachten, dass in der Welt Dinge passieren. Bäume blühen und geben Früchte. Wasser fließt, Flüsse treten über die Ufer oder trocknen aus. Der Mond verändert seine Form. Und so weiter. Und wenn sich etwas verändert, muss es Ursachen dafür geben. Damals wusste niemand etwas über Gravitation, Hydrodynamik, Botanik, Biologie, Himmelsmechanik und so weiter. Aber man wusste, dass intelligente Lebewesen in der Lage sind, die Welt zu verändern – denn genau das taten die Menschen ja Tag für Tag. Also lag der Schluss nahe: Auch der ganze Rest dessen, was in der Natur passiert wird von irgendwelchen “Wesen” gesteuert. Von Geistern, Dämonen oder Göttern. Die konnte man zwar nicht kontrollieren – aber zumindest probieren sie zu verstehen und zu beeinflussen. Also beobachtete man den Himmel um herauszufinden was es mit all den Lichtern dort auf sich hat. Um den Willen der Götter zu verstehen. Um vorhersagen zu können was sie mit den Menschen vorhaben. Um nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen. Die fand man auch; man stellte fest dass sich der Mond und die Sonne auf vorhersagbare Art und Weise bewegen und verändern. Daraus entstanden die ersten Kalender; daraus konnte man konkrete Regeln für Aussaat und Ernte ableiten. Aber dieses Wissen macht die Beschäftigung mit dem Himmel noch nicht zu der Astronomie die wir heute haben. Dazu fehlte die ganze Empirie, die Experimente, die theoretischen Modelle die durch Versuche überprüft werden konnte. Stattdessen hatte man das, was wir heute Religion, Mythologhie oder Philosophie nennen um die Dinge am Himmel zu erklären. Die moderne Astronomie löste sich erst ab dem 17. Jahrhundert von all diesem aus heutiger Sicht unwissenschaftlichen Ballast und ist damit nicht älter als die restlichen Naturwissenschaften und deutlich jünger als zum Beispiel die Geisteswissenschaft der Philosophie. Astronomie ist also nicht die älteste Wissenschaft. Aber seit es Menschen gibt, haben sie die Lichter am Himmel betrachtet und probiert herauszufinden worum es sich dabei handelt. Die Beschäftigung mit den Sternen IST alt; sie begleitet uns von Anfang an. Und diese uralte Faszination am Universum ist doch viel schöner und wichtiger als irgendwelche Ranglisten…

Kommentare (13)

  1. #1 Leser
    18. Oktober 2019

    Vielleicht sollte man das, was die Menschen Anfangs in den Sternen gesehen haben, nicht so als Wissenschaft bezeichnen. Es war eine Mischung aus beobachtetem Wissen, Glauben an göttliche Erscheinungen und Kultur. Ein Schamane, der die Krankheit eines Stammesmitgliedes behandelt, weiß auch nicht, wie die Medizin funktioniert. Aber er kennt die Wirkung von Pflanzen und weiß auch, daß zur Heilung Ruhe notwendig ist. Also gibt der Schamane dem Kranken die damals verfügbare Medizin (Pflanzen) und betet zu einem Gott um Ruhe und Gesundheit. Damit überzeugt der Schamane den Kranken, daß der Kranke wieder gesund wird. Denn der Kranke hat die Genesung ja auch bei anderen Stammesmitgliedern schon erlebt.

    Vergleichbar war das mit den Sternen am Himmel. Ich weiß nicht, wie weit die (gewöhnlichen) Menschen vor 20 000 Jahren zählen konnten. Bis 30 bestimmt, denn so groß waren einige ihrer Sippen. Ob bis 365, das kann bezweifelt werden, denn es war für das Alltagsleben nicht notwendig. Als die Menschen vor 10 000 Jahren begannen seßhaft zu werden, wurde ein Kalender notwendig, um die Zeitpunkte für Saat und Ernte zu bestimmen, um größere Zeiträume in der entstehenden Gesellschaft zu organisieren. Und so ist der Kalender entstanden. Aber Sonne und Mond wurden als Gottheiten angesehen, die einen Einfluß auf uns haben, und die man anbeten muß und die man um gute Ernten bitten muß. Die Sonne war eben keine Gaskugel, um die die Erde kreist. Und der Mond war eben keine Steinkugel, die um die Erde kreist. Diese Erkenntnisse sind sehr viel jünger.

    Sonne Mond und Sterne haben im Leben der Menschen schon immer eine große Rolle gespielt. Eher als Mischung aus Glauben, Mystik und Beobachtung. Die Beobachtung kann man als Wissenschaft bezeichnen.

  2. #2 orinoco
    18. Oktober 2019

    Ich bin mir nicht sicher ob der antike Gedanke der Atome kein naturwissenschaftlicher Gedanke war. Wenn ich mir die Autorenlesung mit Harald Meller ansehen (youtube v=fHttH2fBLvM ab 1h:39m) dann waren die Möglichkeiten von Demokrit&Co. zwar begrenzt, aber eben nicht völlig aus der Luft gegriffen, sondern mit konkreten Beobachtungen und daraus folgenden logischen Überlegungen verbunden. Und der Erschaffer der Himmelsscheibe von Nebra hat auch schon Wissen-schaft betrieben, denn das was er rausgefunden hat, hat man mit heutiger Wissenschaft herausgefunden, dass das richtig war und heute noch ist. Klar, die Wissenschaft damals hatte nicht die Methoden von heute und genügte sicher nicht den formalen Ansprüchen wie wir sie heute an Wissenschaft haben. Und es ergaben sich daraus auch entsprechend viele Irrtümer und Irrwege. Aber im Grunde hat sich daran auch mit den modernen Wissenschaften bis heute nichts geändert. Wir irren uns immer noch empor und angesichts dessen was auch heute noch in der Wissenschaftswelt an Irrtümern und Skandalen, selbst bei Nobelpreisträgern (Linus Pauling und sein Vitamin C) und an renomierten Institutionen, abgeht, tut man gut daran mit etwas weniger Arroganz und mit mehr Verständnis und Akzeptanz auf die Wissenschaft der Vergangenheit zu blicken.

  3. #3 tomtoo
    18. Oktober 2019

    Kochen und somit Chemie ist die älteste Wissenschaft der Welt. Der Astronom will nur angeben ; )

  4. #4 Florian Freistetter
    18. Oktober 2019

    @tomtoo: Der Astronom hat aber extra erklärt, dass Astronomie NICHT die älteste Wissenschaft der Welt ist und
    @orinoco mit “Arroganz” eigentlich nicht auf die Vergangenheit geblickt, oder? Man kann kaum behaupten, dass die Menschen damals das getan haben, was wir heute unter “Wissenschaft” verstehen. Ich bin da absolut einer Meinung mit Meller; die Menschen damals haben das getan, was ihnen möglich war um das zu tun, was wir heute mit Wissenschaft tun. Genau so hab ichs erklärt; das habe ich auch nicht abgewertet oder gering geschätzt. Aber wenn man die Frage aus dem Titel beantworten will und mit “Wissenschaft” das versteht, was wir heute darunter verstehen, dann haben die Menschen damals keine Wissenschaft betrieben.

  5. #5 orinoco
    18. Oktober 2019

    Ich meine deutlich gemacht zu haben, dass das was Demokrit&Co. gemacht haben nicht den Ansprüchen genügt was heutzutage in akademischen Kreisen als Wissenschaft akzeptiert ist. Da gibt es sicher kaum einen Zweifel.
    Mit weniger Arroganz und mehr Verständnis meine ich, dass es unfair ist diese eben nur an unseren heutigen Maßstäben für Wissenschaft zu messen bzw. Wissenschaft nur als das zu definieren, was heute Standard ist. Man kann das nämlich auch relativieren und Wissenschaft mehr im historischen Kontext und der zur jeweiligen Zeit zur Verfügung stehenden Methoden und Mittel sehen und eben mehr so wie Meller es formuliert, als dem menschlichen Geist inhärente Begabung die Welt zu hinterfragen, unabhängig den zur Verfügung stehenden Mitteln, eben auch historisch. Sonst wird es nämlich auch ziemlich schwierig überhaupt noch etwas als Wissenschaft zu bezeichnen. Denn das was heute Standard ist, war es vor 100 Jahren noch nicht. Damals gab es z.B. noch nicht die ganzen statistischen Methoden wie sie heute üblich sind. Und 100 Jahre davor war es noch anders. Und niemand heute würde einem Darwin oder Humboldt absprechen Naturwissenschaftler und noch bedeutende dazu gewesen zu sein. Und so ist Wissenschaft eher selbst ein sich entwickelnder Prozess, allerdings mit einem zutiefst menschlichen Kern, der zu allen Zeiten der gleiche war. Aus heutiger Sicht ist es einfach zu sagen, dass die Gelehrten in der Vergangenheit nicht die moderne Wissenschaft betrieben haben, wie wir sie heute kennen und ihnen abzusprechen “Wissenschaft” in diesem Sinne betrieben zu haben. Hinterher ist man immer schlauer. Aber wenn wir deren geistige Leistung in den Kontext der damaligen Zeit setzen, dann ist etwas mehr Demut und Bewunderung angebracht und dann sucht man vielleicht auch eher das was einen verbindet und räumt ihnen einen angemessenen Platz in der Wissenschaftsgeschichte ein.

  6. #6 aargks
    19. Oktober 2019

    @tomtoo
    Vor dem Kochen muss man aber darüber nachdenken. Also ist die Philosophie – die Mutter aller Wissenschaften – die älteste 😉

  7. #7 Friebor
    19. Oktober 2019

    Interessant: Nach deinen Ausführungen wären die Stringtheoretiker bei den reinen Formelwissenschaften angesiedelt. Denn sie betreiben Wissenschaft, die keinerlei experimentalwissenschaftliche Anteile hat.

  8. #8 Florian Freistetter
    19. Oktober 2019

    @Friebor: Das ist ein Fehlschluss (den ich auch so im Artikel erklärt habe). “Theorie” bzw. “Keine Experimente” ist nicht gleichbedeutend mit “Formalwissenschaft”. Stringtheorie ist theoretische Physik, und damit eine Naturwissenschaft. Man kann natürlich darüber streiten, ob es “gute” Naturwissenschaft ist (da sie derzeit nicht überprüfbar ist). Aber Naturwissenschaft ist es.

  9. #9 Captain E.
    21. Oktober 2019

    @aargks:

    Vor dem Kochen muss man aber darüber nachdenken. Also ist die Philosophie – die Mutter aller Wissenschaften – die älteste

    Das hieße allerdings, dass Intelligenz nicht wirklich nötig ist, um Philosophie zu betreiben. Denn es ist nun einmal Stand der Wissenschaft, dass das Kochen nicht vom heutigen Menschen, dem homo sapiens (sapiens), erfunden worden ist, sondern mindestens schon vom homo erectus. (Der homo neanderthalensis dürfte als vermutlicher Nachfahre ebenfalls schon gekocht haben!) Das Kochen hat unter anderem dazugeführt, dass das Gehirn genügend Nährstoffe für seine Funktion bekommen konnte und es hat überdies eine drastische Verkleinerung der Kiefer und damit eine Vergrößerung der Schädelkalotte bewirkt. Die Erfinder des Kochens hatten also bei weitem nicht so große Gehirne wie der Verfasser und die Leser dieses Kommentars. Welch wundersame Fügung, dass sie trotzdem auf diese bahnbrechende Erfindung gekommen sind!

  10. #10 tomtoo
    21. Oktober 2019

    @aargk
    Wirklich hungrig lässt sich nicht vernünftig denken. Wie @Captain E. schon sagte, das Kochen ermöglichte uns tieferes Denken.
    Mag das Kochen selbst auch eher durch Zufall entstanden sein, ermöglichste es uns über anderes als nur Essen nachzudenken. ; )

  11. #11 Harald Becker
    63225 Langen
    21. Oktober 2019

    Ist dann das Kochen die erste Wissenschaft (also quasi eine Kochwissenschaft) gewesen?

    Vielleicht sollte man aber auch das GEZIELTE Greifen nach einem brennden Ast als Biologie oder Mechanik betrachten und zur noch früheren Wissenschaft deklarieren?

  12. #12 Captain E.
    21. Oktober 2019

    Wie wäre es mit “Chemie”? Ein brennender Ast ist eine exotherme chemische Reaktion, die aus langkettigen organischen Molekülen per Oxidation Energie freisetzt und zugleich Russ, Kohlendioxid und andere Verbrennungsprodukte erzeugt.

  13. #13 Jörg Leipod
    Mühlhausen
    21. Oktober 2019

    Ein Thema auch für diesen Blog ist der Mechanismus von Antikythera. Da steckt eine Menge von Beobachtung und mathematischer Modellierung drin. Genau das, was z. B.Ingenieurwissenschaft noch heute macht. Nehmen wir de Zeitgleichung. Die ist älter als Platon. Wissenschaft, auch astronomische, hat ältere Wurzeln, als wir sicher zu wissen glauben. Wir haben nur jüngere sichere Quellen.