Besorgniserregend. So hat die Internationale Astronomische Union (IAU) die Dinge genannt die gerade an unserem Nachthimmel ablaufen. Es geht allerdings nicht um Asteroideneinschläge, Sternexplosionen oder andere Gefahren aus dem Kosmos. Sondern um die Starlink-Satelliten von Elon Musks Firma SpaceX. Ein Netzwerk von Satelliten soll den Planeten umspannen um weltweit Internetzugang zu bieten. Dafür sollen in den nächsten Jahren mehr als 10.000 Satelliten ins All geschossen werden; vielleicht sogar mehr als 40.000. Seit 2018 hat SpaceX schon 302 Stück der knapp 250 Kilogramm schweren künstlichen Monde in einem Umlaufbahn um die Erde gebracht und die nächsten Starts sind schon geplant. Internet überall auf dem Planeten ist mit Sicherheit eine gute Idee. Aber es hat Folgen wenn die Zahl der Satelliten so schnell so stark erhöht wird. Genau damit hat sich die IAU nun offiziell beschäftigt und sie hat diese Folgen als “besorgniserregend” bezeichnet.
Das Problem ist leicht zu verstehen: Wenn Astronominnen und Astronomen ihre Teleskope zum Himmel richten, dann wollen sie dort Sterne, Planeten, Asteroiden, Galaxien und den ganzen Rest beobachten der uns sagen kann wie das Universum funktioniert. Es reicht aber nicht zu schauen; man muss die Daten auch entsprechend auswerten. Wir wollen die Bilder ja nicht einfach nur anschauen; wir sind am Licht der Objekte interessiert. Je mehr davon, desto besser. Das heißt aber auch, dass man das Teleskop unter Umständen sehr lange auf einen bestimmten Bereich des Himmels richten muss um ausreichend viel Licht sammeln zu können. Wenn aber zwischen Teleskop und den fernen kosmischen Himmelskörper ein paar zehntausend Satelliten ihre Runde um die Erde ziehen, dann stehen die Chancen mehr als gut, dass ein paar davon durchs Bild fliegen.
Genaugenommen kann man quasi mit Sicherheit davon ausgehen, dass man nicht nur das auf den Aufnahmen sieht was man sehen will, sondern eben auch einen ganzen Schwung der Starlink-Satelliten. Die orbitalen Fotobomber stören die Aufnahme. Die IAU hat das am Beispiel des Vera-Rubin-Großteleskops abgeschätzt:
“For instance, in the case of modern fast wide-field surveys, like the ones to be carried out by the Rubin Observatory (formerly known as LSST), it is estimated that up to 30% of the 30-second images during twilight hours will be affected.”
Man kann die Spuren der Satelliten zwar in der Nachbearbeitung quasi rausrechnen. Das erhöht aber die Zeit und Kosten deutlich, die man in die Arbeit investieren muss. Im Online-Standard wurde zu dem Thema auch Stefan Kimeswenger, Professor für Astrophysik an der Universität Innsbruck, interviewt, der darauf hinweist, dass man in Zukunft nur noch mitten in der Nacht einigermaßen ungestört beobachten kann wenn die meisten Satelliten quasi im Schatten der Erde stehen und kein Sonnenlicht reflektieren. Dadurch reduziert sich die effektive Zeit in der astronomische Arbeit an Großteleskopen durchgeführt werden kann um mindestens eine Stunde am Anfang und Ende der Nacht. Kimeswenger hat auf ein weiteres Problem hingewiesen: Den Weltraummüll. Je mehr Objekte um die Erde herumfliegen, desto mehr Schrott gibt es auch. Bei den enormen Geschwindigkeiten mit denen sich die Objekte bewegen, reichen schon winzige Schrottstückchen um Schäden anzurichten. Und auch die Gefahr von Kollisionen steigt. Immer öfter müssen Satelliten Ausweichmanöver fliegen – was Treibstoff und Arbeitszeit kostet. Im September 2019 musste ein Satellit der ESA einem der Starlink-Satelliten ausweichen. Obwohl, wie Kimesweger sagt, eigentlich Starlink an der Reihe gewesen wäre, aus dem Weg zu fliegen. Was SpaceX aber, trotz entsprechender Aufforderungen, nicht getan hat.
Es ist derzeit noch unklar, wie sich die Sache weiter entwickeln wird. Wir wissen nicht, wie viele Satelliten am Ende wirklich um die Erde fliegen werden. Und auch nicht, ob und welche Maßnahmen von SpaceX (und den anderen Firmen die ebenfalls riesige Satellitennetzwerke planen) getroffen werden um die Helligkeit ihrer Objekte zu reduzieren. Es ist ebenfalls unklar, wie sich die Satelliten auf die Radioastronomie auswirken werden. Was aber auf jeden Fall sicher ist: Man muss sich mit der Situation beschäftigen. Es braucht eine vernünftige Diskussion aller Beteiligten und vernünftige Regeln. Der erdnahe Weltraum ist eine wichtige wissenschaftliche und wirtschaftliche Ressource. Der Himmel ist aber auch ein Kulturgut der uns allen gehört und nicht von irgendwelchen Firmen einfach so beansprucht und besetzt werden darf! Hier auf der Erde haben wir (nicht überall aber zumindest doch sehr oft) entsprechende Regeln getroffen und bestimmte Regionen als Naturschutzbereiche deklariert obwohl es bestimmt jede Menge Leute gibt, die dort gerne nach Bodenschätzen graben, Fabriken bauen oder sie sonst irgendwie wirtschaftlich nutzen wollen. Wir brauchen entsprechende Regeln für den Weltraum. Wenn irgendwer in Alaska nach Öl bohrt oder Wälder in Indonesien abholzt, dann können wir uns vielleicht noch einreden, dass das ja alles weit weg ist und uns nicht betrifft. Der Himmel ist aber immer über uns. Wir sollten uns sehr genau überlegen was wir tun, bevor wir uns den Blick auf das Universum mit tausenden Satelliten blockieren.
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