Die Frage nach der Entstehung des Mondes ist eine sehr alte und eine die immer noch keine endgültige und abschließende Antwort hat. Das liegt einerseits daran, dass der Mond vor circa 4,5 Milliarden Jahren entstanden ist und damals niemand zuschauen konnte. Andererseits ist der Mond von der Erde durch knapp 400.000 Kilometer Weltraum getrennt und es ist schwer für uns vor Ort Daten zu sammeln. Beziehungsweise Gestein, denn das brauchen wir dringend um herausfinden zu können wie der Mond entstanden ist. Wir haben ein bisschen was bei den Apollo-Missionen in den 1960er und 1970er Jahren gesammelt. Das ist schon lange her – aber das Mondgestein liefert immer wieder neue Erkenntnisse. Zum Beispiel die, dass Erde und Mond sich nicht ganz so ähnlich sind wie man bisher dachte.
Wie der Mond NICHT entstanden ist, wissen wir ziemlich gut. Er ist nicht von der Erde “rausgeschleudert” worden wie man im 19. Jahrhundert dachte. Er ist auch nicht von der Erde eingefangen worden oder zufällig einfach so in der Nähe der Erde von selbst entstanden. Dass es irgendeine Verbindung zwischen Erde und Mond geben muss, haben die geologischen Untersuchungen schon früher gezeigt. Das Mondgestein ist dem irdischen Gestein so ähnlich, dass es enorm unwahrscheinlich wäre, wenn die Entstehung des Mondes völlig unabhängig von der Erde war. Wäre der Mond irgendwo ganz anders im Sonnensystem entstanden, dann würde auch das Gestein ein wenig anders aussehen. Hier geht es um die sogenannte “Isotopensignatur”. Chemische Elemente wie etwa Sauerstoff gibt es in verschiedenen Varianten und an unterschiedlichen Orten des Sonnensystems tauchen diese Varianten in unterschiedlicher Häufigkeit auf. Der Mond und die Erde sind sich was diese chemischen Varianten angeht aber so ähnlich, dass sie nicht an unterschiedlichen Orten entstanden sein können. Aus anderen Gründen wissen wir, dass der Mond kein direkter Abkömmling der Erde sein kann, weil ansonsten wäre es ja vergleichsweise einfach sich Theorien auszudenken bei denen der Mond sich irgendwie von der Erde abgespalten hat; also tatsächlich aus dem exakt gleichen Material besteht.
Seit einigen Jahrzehnten haben wir deshalb eine Hypothese die das was passiert ist vermutlich ziemlich gut beschreiben kann: Der Mond entstand vor 4,5 Milliarden Jahren als ein anderer Himmelskörper, in etwa so groß wie der Mars, mit der noch sehr jungen Erde kollidiert ist. Aus den Trümmern dieser Kollision entstand der Mond; der einschlagende Körper – der den Namen “Theia” bekommen hat – wurde dabei komplett zerstört; die Erde überlebte den Zusammenstoß knapp. Nach der Kollision sammelten sich Trümmer von Erde und Theia in einer Umlaufbahn und formten daraus dem Mond. Das klingt recht plausibel und passt auch zu vielen anderen Dingen die wir über das junge Sonnensystem wissen. Was aber immer ein wenig komisch war: Erde und Mond waren sich ZU ähnlich. Wenn da wirklich noch ein dritter Himmelskörper – Theia – beteiligt war, dann hätte sich das Mondgestein ein wenig deutlicher vom irdischen Gestein unterscheiden müssen als es der Fall war.
Natürlich hätte Theia – zufällig – die gleiche Isotopensignatur haben können wie die Erde. Was aber eher unwahrscheinlich ist… Oder Erde und Theia sind in der gleichen Gegend des Sonnensystems entstanden und waren sich deswegen so ähnlich, dass wir heute keinen Unterschied zwischen Erd- und Mondgestein sehen. Oder Erde und Theia sind bei ihrem Zusammenstoß beide mehr oder weniger komplett zerstört worden, alles Material hat sich vermischt und aus dem Zeug wurde eine neue Erde und ein neuer Mond. Könnte alles sein; lässt sich aber in Computermodellen zur Mondentstehung nur schwer reproduzieren.
Erick Cano von der Universität in New Mexico und seine Kollegen haben nun eine mögliche Lösung für dieses Problem gefunden (“Distinct oxygen isotope compositions of the Earth and Moon”). Sie haben nochmal die alten Gesteinsproben der Apollo-Missionen untersucht. Und festgestellt, dass es zwar im Durchschnitt dem Gestein der Erde sehr ähnlich ist. Im Detail aber durchaus Unterschiede zu finden sind, wie man in diesem Bild sehen kann:
Es ist nicht wichtig im Detail zu wissen, was da gezeigt wird – simpel gesagt sieht man die Menge des Sauerstoff-Isotops O-17. Das rote Kästchen zeigt die Zusammensetzung des irdischen Gesteins; die andersfarbigen die Zusamensetzung verschiedener Arten von Mondgestein. Die Größe der Kästchen gibt die Variation an und dann sind da oben und unten noch schwarze Fehlerbalken die die Ungenauigkeit der Messungen anzeigen. Innerhalb dieser Balken stimmen die Zusammensetzungen von Mond- und Erdgestein überein. Im Detail gibt es aber Unterschiede und auf die kommt es an, meinen Cano und seine Kollegen.
Im Gestein der Mare, also der dunklen, großen Flecken am Mond, die tatsächlich gewaltige von Lava überschwemmte Hochebenen sind, zeigt sich weniger O-17 als im Gestein das vulkanische Glasanteile enthält. Dieses Vulkanglas stammt aus den tieferen Regionen im Inneren des Mondes und laut Cano und seinen Kollegen ist vor 4,5 Milliarden Jahren folgendes passiert: Theia hatte tatsächlich eine leicht unterschiedliche chemische Zusammensetzung als die Erde; vermutlich stammt der Himmelskörper aus einer Region die ein bisschen weiter von der Sonne entfernt liegt als es die Erde tut. Bei der Kollision wurde die Erde nicht komplett zerstört, aber die großen Trümmer von Theia landeten vor allem im Inneren des neu entstandenen Mondes. Seine Kruste entstand dagegen aus dem ganzen bei der Kollision verdampften Gestein von Erde und Theia weswegen man im lunaren Oberflächengestein weniger O-17 findet als in dem Material das aus dem Inneren an seine Oberfläche gekommen ist.
Wie unser Mond entstanden ist, ist immer noch nicht vollständig geklärt. Aber wir sind zumindest einen kleinen Schritt weiter als zuvor. Wenn wir eine Chance haben wollen die Entstehung unseres Nachbarplaneten wirklich zu verstehen, dann müssen wir wieder zum Mond fliegen. Wir müssen länger dort bleiben, wir müssen mehr von seinem Gestein analysieren und wir müssen mehr von seiner Oberfläche erforschen. Aus der Ferne betrachtet wird der Mond seine Geheimnisse nicht so schnell aufgeben…
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