Die abgesagte Tour der Science Busters ist immer noch abgesagt und geht daher auch nicht weiter. Was aber weiter geht ist meine Serie über die Wissenschaft über die man an den Orten an denen wir nicht auftreten etwas lernen kann. Nachdem ich schon davon erzählt habe wie wir nicht in Wildon, nicht in Wien, nicht in Passau und nicht in München waren kommt jetzt der heute nicht stattfindende Auftritt im Rahmen der Ingolstädter Kabaretttage an die Reihe.
Durch Ingolstadt bin ich einmal mit dem Fahrrad durchgefahren; im letzten Jahr sind wir an der gleich nebenan gelegenen Universität Eichstätt-Ingolstadt aufgetreten – ansonsten hab ich in dieser Stadt aber noch nichts zu tun gehabt. Was schade ist, denn dort wurde schon 1472 eine Universität gegründet und dementsprechend lang ist auch die wissenschaftliche Tradition der Stadt. Ich könnte natürlich jetzt die Gelegenheit nützen und von Adam Weishaupt erzählen, Professor an der Uni Ingolstadt und im Jahr 1776 Gründer der Illuminaten. Aber dann müsste ich mich entweder ausführlich mit der eher langweiligen realen Geschichte dieser Gesellschaft beschäftigen oder aber den nervigen und nicht realen Verschwörungstheorien über die Illuminaten. Auf beides habe ich keine Lust, weswegen ich mich einem anderen Professor er Universität widme: Christoph Scheiner.
Scheiner wurde 1573 geboren, trat 1595 dem Jesuitenorden bei und war von 1610 bis 1617 Professor an der Universität Ingolstadt. Er hatte dort den Lehrstuhl für Mathematik und Astronomie inne und wer ein wenig Ahnung von der Geschichte der Wissenschaft hat wird bemerken, dass das eine ziemlich spannende Zeit war. Ein Jahr zuvor hatte Johannes Kepler sein revolutionäres Buch “Astronomia Nova” veröffentlicht. Im gleichen Jahr richtete Galileo Galilei als erster das von ihm verbesserte neue Instrument – das Fernrohr – zum Himmel und machte beeindruckende Beobachtungen. Galileis Beobachtungen und Keplers theoretische Überlegungen über die Bewegung der Himmelskörper verhalfen dem heliozentrischen Weltbild zum Durchbruch und veränderten unseren Blick auf den Kosmos und das Bewusstsein über unseren Platz im Universum.
Wer, wie Scheiner, sich damals mit Astronomie beschäftigt, lebte also definitiv in interessanten Zeiten. Scheiner nahm die Entdeckungen der anderen aber nicht einfach nur interessiert auf sondern trug auch selbst zu einem besseren Verständnis des Universums bei. Er baute Teleskope, verfasste mathemathische Arbeiten über die Unterschiede zwischen dem geozentrischen und heliozentrischen Weltbild. Er beschäftigte sich mit Optik und untersuchte die Art und Weise wie das menschliche Auge funktioniert. Er hat sich mit Geophysik, Philosophie und Theologie beschäftigt. Das, worum es hier gehen soll hat aber mit der Astronomie zu tun. Und mit einem großen Streit. Es geht um die Sonnenflecken und die Frage, wer die Dinger als erster entdeckt hat.
Die Sonne ist ja notorisch schwer zu beobachten. Sie ist zwar sehr hell, aber genau das ist das Problem wenn man wissen will wie sie genau aussieht. Schaut man nämlich zu lange hin, sieht man nicht die Sonne sondern sehr lange gar nichts mehr. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Berichte von dunklen Flecken auf der Sonne, die man sehen konnte wenn ihr Licht in der Dämmerung oder durch Wolken ein wenig abgeschwächt wurde. Vor knapp 2500 Jahren hat Anaxagors zum Beispiel so etwas gesehen – oder auch nicht, das lässt sich nicht mehr gut rekonstruieren. 1128 hat der englische Mönch John von Worcester einen Fleck auf der Sonne gesehen. Es gibt weitere Beobachtungen; die aber alle aus mehreren Gründen problematisch sind. Einerseits kann man mit freiem Auge nur SEHR große Sonnenflecken sehen und die sind selten. Andererseits war man lange Zeit davon überzeugt, dass es Sonnenflecken nicht geben könne, weil die Sonne ein perfekter, göttlicher Ort sein muss der keine Flecken haben kann. Es sind also vermutlich viele Aufzeichnungen gar nicht veröffentlicht worden bzw. wurden falsch interpretiert.
Erst als Teleskope verfügbar waren, hatte man eine Chance die Sonnenflecke vernünftig zu beobachten. Und natürlich haben viele der frühen Astronomen auch die Sonne beobachtet. Mit dem Resultat dass es ein wenig verworren ist den eigentlichen Entdecker zu identifizieren. Am 8. Dezember 1610 hat der englische Astronom Thomas Harriot von der Beobachtung dunkler Flecken auf der Sonne berichtet. Allerdings nur in privaten Aufzeichnungen. Der norddeutsche Astronom Johann Fabricius hat die Sonnenflecken im Februar 1611 beobachtet und noch im gleichen Jahr öffentlich publiziert. Was aber im Rest der Welt kaum jemand mitbekommen hat. Christoph Scheiner wiederum hat die Sonne vom Turm der Heilig-Kreuz-Kirche in Ingolstadt beobachtet und zwar am 21. März (und auch später noch) des Jahres 1611. Auch er sah Flecken, veröffentlichte aber zuerst nichts darüber da auch er durch das Dogma der unbefleckten Sonne davon abgehalten wurde. Seine Beobachtungen wurden erst 1612 öffentlich, wodurch auch Galileo Galilei davon erfuhr und sich aufregte. Denn Galilei behauptete schon im November 1610 die Sonnenfelcken entdeckt zu haben.
Galileo Galilei behauptet also der erste gewesen zu sein (was nicht unplausibel ist aber eben auch nicht belegt) und seine Veröffentlichung ist am weitesten verbreiten und von den meisten gelesen worden. Thomas Harriot war der erste von dessen Beobachtung es einen Nachweis gibt, von dem aber niemand was mitbekommen hat. Fabricius hat die Entdeckung von Sonnenflecken als erster publiziert. Und Christoph Scheiner war definitiv nicht der erste, egal ob mit Publikation oder nicht, stritt sich aber lange und heftig mit Galilei um die Priorität. Sicher sind nur zwei Dinge: Alle vier Astronomen entdeckten die Sonnenflecken unabhängig und innerhalb eines kurzen Zeitraums. Und es war schwer zu verstehen was man da beobachtet hatte. Galilei hielt sie zuerst für Wolken. Scheiner für Monde die die Sonne umkreisen. Fabricius erkannte, dass es sie Teil der Sonne waren und nutzte ihre Beobachtung um die Rotation der Sonne zu messen.
Verstehen tun wir Sonnenflecken erst seit dem 20. Jahrhundert so richtig. Wir wissen, dass es kühlere Regionen in der obersten Schicht der Sonne sind, dort wo die magnetische Aktivität des geladenen Sonnenplasmas das Aufsteigen von heißem Material aus dem Sonneninneren verhindert. Die Unregelmäßigkeiten im Magnetfeld sind – Überraschung! – unregelmäßig. Weswegen auch die Zahl und Größe der Sonnenflecken sich im Laufe der Zeit verändert.
Über Christoph Scheiner gäbe es noch viel zu erzählen (er ging von Ingolstadt nach Innsbruck, nach Rom und nach Polen); genau so wie über die Sonnenflecken. Die Sonne spielt aber auch eine wichtige Rolle wenn es um die Klimakrise geht, die ja das Thema der Science-Busters-Show “Global Warming Party” ist die heute in Ingolstadt nicht stattfindet. Welchen Einfluss die Sonne auf das Klima hat hätte ich an diesem Abend höchstpersönlich erklärt und mit entsprechend spektakulären Experimenten verdeutlicht. Zu erklären welchen Einfluss die Sonne NICHT hat, war ursprünglich mal Teil der Show, ist dann aber aus Zeitgründen gestrichen worden. Es gibt ja immer wieder Leute die behaupten der Klimawandel wäre von der Sonne gemacht und nicht vom Mensch. Die Sonnenaktivität (die unter anderem aus der Anzahl der Sonnenflecken abgelesen werden kann) würde sich ändern und dadurch auch die Temperatur auf der Erde. Was Quatsch ist. Abgesehen davon dass mehr aus deutlich wissenschaftlich belegt ist, dass es die menschengemachten Treibhausgase sind, die den Klimawandel verursachen ist ebenso klar, dass die Aktivität der Sonne nichts damit zu tun hat. Das ganze geht auf die Arbeit des dänischen Physikers Henrik Svensmark zurück dessen These prinzipiell nicht unwissenschaftlich ist. Er hat einen Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität, kosmischer Strahlung und Wolkenbildung auf der Erde postuliert (den ich hier ausführlich erklärt habe) und der von der Wissenschaft auch ernsthaft untersucht wurde. Mit dem einhelligen Befund dass man die Veränderung des irdischen Klimas damit nicht erklären kann. Was nichts daran ändert dass diverse Klimawandelleugner die Sonnenaktivität immer wieder hervorkramen wenn es darum geht die Menschen von ihrer Verantwortung freizusprechen.
Womit wir am Ende jetzt doch wieder bei den Verschwörungstheoretikern angelangt sind, von denen sicherlich auch einige die in Ingolstadt gegründetet Illuminaten mit dem Klimawandel in Verbindung bringen…
Die Science Busters verlassen nun Ingolstadt (wo sie ja leider sowieso nicht waren) und fahren wieder zurück nach Hause. Die “Global Warming Tour” geht am 4. April weiter, wo wir dann nicht ins schöne Grafenwörth im ebenso schönen Weinviertel fahren. Und was man da trotz allem über Wissenschaft lernen kann auch wenn die Science Busters nicht dort sind, erfahrt ihr dann!
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Die abgesagteste Tour des Wissenschaftskabaretts
- 18.03.2020: Rotalgenberge und die langsame Welt der Geologie: Die Science Busters kommen nicht nach… Wildon!
- 20.03.2020: Wilhelm Wien und der Klimawandel: Die Science Busters kommen nicht nach… Wien!
- 27.03.2020: Donau, Inn und die beruhigende Gewissheit der Flussordnungszahlen: Die Science Busters kommen nicht nach… Passau!
- 28.03.2020: Erika Cremer und die Gaschromatographie: Die Science Busters kommen nicht nach… München!”
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