Heute morgen wäre ich in Salzburg aufgewacht. Ich wäre ein wenig an der Salzach laufen gegangen oder vielleicht sogar den Gaisberg hinaufgelaufen. Und hätte mich dabei von der vermutlich langen Nacht davor erholt. Ich wäre wahrscheinlich erst lange nach Mitternacht ins Hotelbett gefallen; nach einem Auftritt der Science Busters mit unserem aktuellen Programm “Global Warming Party”, nach Gesprächen mit dem Publikum und einer “Nachbesprechung” mit den Kollegen im Theaterlokal. Aber weil seit März und bis in eine nicht absehbare Zukunft alle Veranstaltungen abgesagt sind, habe ich all das nicht gemacht. Ich hab sogar vergessen, rechtzeitig einen weiteren Artikel in meiner Serie zur abgesagten Science-Busters-Tour zu schreiben! Ich hab ja schon davon erzählt wie wir nicht in Wildon waren, dann nicht in Wien, danach nicht in Passau und nicht in München, nicht in Ingolstadt und nicht in Grafenwörth. Überall dort wo wir nicht waren gibt es aber trotzdem etwas über Wissenschaft zu lernen und was das sein könnte, habe ich in den entsprechenden Artikeln erklärt. Mit einem Tag Verspätung erzähle ich euch jetzt also etwas über die Wissenschaft der Stadt Salzburg. Nichts neues, leider – zumindest für die, die mein Blog regelmäßig verfolgen (mir fehlt aktuell leider die Zeit; der ganze Verdienstausfall muss ja irgendwie kompensiert werden…). Im Jahr 2017 habe ich schon mal über den wichtigsten Wissenschaftler der Stadt geschrieben: Über Christian Doppler, der versucht hat die Sterne zu erklären, dabei gescheitert ist und dennoch die Naturwissenschaft bis heute prägt. Und weil Dopplers Arbeit in der Zwischenzeit um nichts weniger relevant geworden ist, gibt es den Artikel jetzt einfach nochmal!
Viel Spaß damit und bis bald, wenn die Science Busters nicht in Leipzig auftreten werden!
Als Christian Doppler einmal aus den falschen Gründen eine großartige Idee hatte
Am 25. Mai 1842 hat Christian Doppler in der Prager Akademie der Wissenschaften einen Vortrag gehalten. Das Thema lautete “Über das farbige Licht der Doppelsterne und einiger anderer Gestirne des Himmels”. Der Salzburger Physiker erklärte darin eine Reihe astronomischer Phänomene und zwar aus heutiger Sicht alle komplett falsch. Das womit er sie erklären wollte prägt unsere Welt aber heute wie kaum ein anderes Konzept aus der Wissenschaft: Der Doppler-Effekt.
Um was es sich beim Doppler-Effekt handelt sollte man eigentlich nicht erklären müssen; das sollten alle in der Schule gelernt haben. Sendet eine Schall- oder Lichtquelle Signale aus, dann verändern sich die Signale je nachdem ob und wie schnell sich die Quelle oder der Beobachter der Signale bewegen. Deswegen verändert sich der Sirenenton eines an uns vorüber fahrenden Einsatzfahrzeuges; deswegen hören sich Rennautos für die Zuschauer genau so an wie sie sich anhören, und so weiter. Diese akustischen Auswirkungen des Doppler-Effekts erleben wir heute ständig im Alltag – Christian Doppler konnte das damals in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht erleben. Damals gab es nichts, dass sich so schnell bewegte als das man da etwas hören konnte (und auch die Geschichte vom Test mit dem Orchester auf dem Eisenbahnwagon hat er später stattgefunden als es entsprechende Eisenbahnen gab und nicht zu Dopplers Zeit).
Christian Doppler hatte den nach ihm benannten Effekt daher nicht anhand des Schalls untersucht sondern sich auf das Licht konzentriert. Außerdem war er ja auch Astronom und er dachte das man am Himmel die Auswirkungen des Doppler-Effekts am besten studieren kann. Dass Sterne unterschiedliche Farben haben, hatten die Astronomen damals schon beobachtet. Aber man wusste nicht so genau warum das so war. In seiner Arbeit (die hier im Volltext gelesen werden kann) berechnet er wie schnell sich Sterne am Himmel bewegen müssen so dass wir das von ihnen ausgesandte Licht in entsprechen anderen Farben wahrnehmen. Denn so wie der Signalton eines Einsatzfahrzeuges höher wird wenn es sich auf uns zu bewegt und tiefer, wenn es sich entfernt muss auch das Licht der Sterne bläulicher werden wenn sie auf uns zukommen und rötlicher wenn sie sich von uns wegbewegen.
Doppler führt in seiner Arbeit eine ganze Reihe an Phänomenen an, die seiner Meinung nach durch diesen Effekt erklärt werden können. Farbige Doppelsterne zum Beispiel aber auch die beiden “neuen Sterne” die Tycho Brahe und Johannes Kepler 1572 und 1604 entdeckt hatten. Das, so Doppler, wären Sterne die sich so enorm schnell bewegt hatten, dass die Farbe ihres Lichts komplett aus dem für uns sichtbaren Bereich verschoben worden ist. Erst als sie kurzfristig ein wenig langsamer wurden, konnten wir sie sehen.
Heute wissen wir natürlich, dass die beiden “neuen Sterne” gewaltige Supernova-Explosionen waren bei denen Sterne am Ende ihres Lebens noch einmal kurz so richtig hell aufleuchten. Und wir wissen auch, dass die Sterne unterschiedliche Farben haben weil sie unterschiedliche Temperaturen haben. Sie bewegen sich zwar auch und dadurch verändert sich ihre Farbe ebenfalls – aber zur Zeit Dopplers waren die Beobachtungsmethoden nicht genau genug um das wirklich messen zu können.
Das, was Doppler in seiner Arbeit aus dem Jahr 1842 über die Astronomie geschrieben hat ist im wesentlichen falsch. Der grundlegende Effekt dagegen ist absolut richtig und umso wichtiger! Dopplers Entdeckung das es bei der Untersuchung von Licht- oder Schallwellen auf die Relativgeschwindigkeit zwischen Quelle und Beobachter ankommt bzw. dass man aus der Veränderung im Signal auf die Geschwindigkeit zwischen Quelle und Beobachter schließen kann war genial und beeinflusst unsere Welt heute massiv. Der Doppler-Effekt wird in der Verkehrsüberwachung eingesetzt, in der Luftraumkontrolle, bei der Wettervorhersage, bei unzähligen technischen Prozessen, überall in der Medizin und in jeder Menge anderen Tätigkeitsfeldern wo man ihn vermutlich gar nicht vermuten würde.
Ich habe das alles sehr viel ausführlicher kürzlich in in einem Artikel für das Magazin “Profil” beschrieben und dort auch über die Astronomie gesprochen. Denn auch wenn Doppler damals bei der Erklärung astronomischer Phänomene falsch lag, ist der Doppler-Effekt heute in der Astronomie kaum mehr wegzudenken. Ohne ihn geht quasi gar nichts. Wir haben damit die ersten Exoplaneten entdeckt; wir haben dunkle Materie und dunkle Energie identifiziert; wir finden damit heraus wie es im Inneren der Sterne aussieht und welche Form Asteroiden haben. Wir untersuchen damit die Bewegung von Doppelsternen und die Expansion des Universums.
(Kurzer Einschub: Immer wenn ich irgendwo etwas über die astronomischen Anwendungen des Doppler-Effekts lese, dann taucht dort fast immer die “Warnung” auf, man dürfe auf keinen Fall die kosmologische Rotverschiebung mit dem klassischen Doppler-Effekt verwechseln. Und ich frage mich jedesmal: Warum? Klar, wenn sich das Licht eines Sterns in Richtung rot verschiebt weil er sich von uns entfernt, dann passiert das, weil sich der Stern tatsächlich durch den Raum bewegt. Wenn wir das Licht ferner Galaxien ins Rote verschoben sehen, dann passiert das, weil sich der Raum selbst ausdehnt; die Galaxie sich aber NICHT durch den Raum bewegt. Aber das grundlegende Phänomen ist ja das gleiche; die Distanz zwischen Quelle und Beobachter verändert sich und deswegen verändert sich auch das Signal. Wieso also immer die “Warnung”?)
Christian Doppler hat ein äußerst interessantes Leben geführt. Vom Sohn eines Steinmetzes zum ersten Professor für Experimentalphysik an der Uni Wien. Er hat noch viel mehr gemacht als “nur” den nach ihm benannten Effekt zu untersuchen und selbst der hat ihm nicht den Ruhm eingebracht den er verdient hätte. Stattdessen heftige Angriffe von Kollegen die das Phänomen als “zu trivial” betrachtet haben um es ernst zu nehmen bzw. die Existenz des Effekts gleich ganz leugneten (auch dazu steht mehr in meinem Artikel fürs “Profil”). Und dann starb er schon mit 50 Jahren und wurde seitdem im wesentlichen vergessen.
In Salzburg trifft man immer noch fast ausschließlich auf Mozart und wer nicht weiß, dass dort auch ein so wichtiger Physiker wie Doppler seinen Ursprung hatte, der käme kaum auf die Idee. Obwohl ich immerhin bei meinem letzten Besuch in einer Konditorei neben Unmengen an Mozartkugeln auch eine kleine Schachtel mit Doppler-Kon(ef)fekt entdeckt habe!
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Die abgesagteste Tour des Wissenschaftskabaretts
- 18.03.2020: Rotalgenberge und die langsame Welt der Geologie: Die Science Busters kommen nicht nach… Wildon!
- 20.03.2020: Wilhelm Wien und der Klimawandel: Die Science Busters kommen nicht nach… Wien!
- 27.03.2020: Donau, Inn und die beruhigende Gewissheit der Flussordnungszahlen: Die Science Busters kommen nicht nach… Passau!
- 28.03.2020: Erika Cremer und die Gaschromatographie: Die Science Busters kommen nicht nach… München!”
- 30.03.2020: Christoph Scheiner und die Entdeckung der Sonnenflecken: Die Science Busters kommen nicht nach… Ingolstadt!
- 04.04.2020: Klimakrise und Hochwasser: Die Science Busters kommen nicht nach… Grafenwörth
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