Planet 9! Der Planet im äußersten Sonnensystem den es vielleicht gibt oder vielleicht auch nicht war schon oft Thema hier im Blog. Anlässlich seiner “Entdeckung” habe ich eine lange Artikelserie (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4) geschrieben und auch später immer mal über die Versuche ihn aufzuspüren. Wir vermuten, dass weit außerhalb der Bahn des Neptun noch ein weiterer Planet seine Runden um die Sonne ziehen könnte, weil die Bahnen von Asteroiden und Kometen die wir in diesen Regionen beobachtet haben nicht ganz so verlaufen, wie man es eigentlich erwarten würde. Der gravitative Einfluss eines noch unentdeckten Planeten wäre eine Erklärung dafür (allerdings nicht die einzige). Ein so weit entferntes Objekt – Planet 9 wäre circa 500 mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde – ist schwer zu finden. Weswegen wir das auch noch nicht getan haben. Und so lange Planet 9 nur hypothetisch existiert, existieren auch jede Menge Spekulationen. Zum Beispiel, dass es sich nicht um einen Planeten handelt, sondern um ein schwarzes Loch.
Das ist rein theoretisch natürlich möglich. Die bisherigen Befunde sagen ja genaugenommen nur, dass die beobachtete Abweichung bei den Bahnen der Kleinkörper im äußeren Sonnensystem durch die Existenz einer unbekannten Masse hervor gerufen werden kann. Und eine “Masse” muss kein Planet sein – auch ein schwarzes Loch hat Masse und kann genau den gleichen Effekt verursachen. Wenn die Masse eines schwarzen Lochs aber so groß wie die eines kleinen Planeten sein soll (Planet 9 ist circa 10 mal schwerer als die Erde), dann kann es kein normales schwarzes Loch sein. Denn die sind ja normalerweise die Überreste schwerer Sterne und dementsprechend massereich (mit einem Vielfachen der Sonnenmasse). Sowas kann dort draußen definitiv nicht rumfliegen; einen so starken gravitativen Einfluss hätten wir längst unzweifelhaft bemerkt. Schwarze Löcher mit Massen die der eines Planeten entsprechen können nicht so einfach entstehen. Planeten kollabieren nicht einfach zu einem schwarzen Loch. Solche “Mini-Löcher” können nur kurz nach dem Urknall selbst entstanden sein; weswegen man sie auch “primordiale schwarze Löcher” nennt. Wir wissen nicht, ob solche seltsamen Objekte vor 14 Milliarden Jahren wirklich entstanden sind; sie sind genau so hypothetisch wie Planet 9 selbst. Weswegen ich persönlich es auch für enorm unwahrscheinlich halte, dass da im äußeren Sonnensystem wirklich ein primordiales schwarzes Loch rumfliegt.
Wir wissen dagegen sehr wohl, dass Planeten bei den chaotischen Prozessen während der Entstehung von Sonnensystemen in genau die weit entfernten Regionen geschleudert werden, wo wir jetzt Planet 9 suchen. Es wäre eigentlich sehr unwahrscheinlich, wenn wir in den fernen Regionen hinter Neptun keine weiteren Planeten mehr hätten. Aber gut, wenn man gerne spekulieren möchte, dann kann man natürlich spekulieren und warum soll man dann nicht auch über primordiale schwarze Löcher im äußeren Sonnensystem nachdenken? Einer, der auf jeden Fall kein Problem mit Spekulationen hat, ist Edward Witten, der weltweit führende Stringtheoretiker, der genau auch mal als der “klügste Mensche der Welt” bezeichnet wird. Darüber kann man diskutieren; nichtsdestotrotz ist es natürlich nicht überraschend, wenn sich jemand wie Witten über primordiale schwarze Löcher Gedanken macht. Immerhin ist sein Arbeitsgebiet die suche nach einer Theorie die Gravitation mit der Quantenmechanik vereint; Objekte die enorm schwer und enorm klein sind gehören da quasi zum Arbeitsalltag. Und wenn wir tatsächlich irgendwann mal ein Mini-Loch finden würden, wäre das absolut relevant um besser zu verstehen, wie die Welt der Gravitation mit der Teilchenwelt der Quanten in Einklang zu bringen ist.
Witten also hat sich überlegt, wie man die Existenz eines kleinen schwarzen Lochs nachweisen kann (“Searching for a Black Hole in the Outer Solar System”). Obwohl sich seine Arbeit vorranging damit beschäftigt, wie man irgendwas mit entsprechender Masse dort draußen lokalisieren kann. Handelt es sich um einen Planeten, werden die Teleskope der Astronomie ihn irgendwann finden. Ist es aber ein schwarzes Loch, dann können wir noch so lange schauen ohne dabei Erfolg zu haben. Deswegen hat Witten einen direkteren Ansatz untersucht: Angenommen wir schicken jede Menge kleine Raumfahrzeuge hinaus ins All; in alle Richtungen und möglichst schnell. Die Geschwindigkeit ist vor allem deswegen wichtig, wenn man in absehbarer Zeit Resultate haben will; ansonsten kann man sich natürlich auch ein paar Jahrhunderte Zeit lassen. Wenn man aber in ~10 Jahren schon wissen will, was los ist, dann muss man mit circa einem Zehntel Prozent der Lichtgeschwindigkeit unterwegs sein. Was kein aktuelles Raumfahrzeug schafft. Aber das private Breakthrough Starshot Projekt. Hier will man – ganz simpel gesagt – winzige, leichte Mini-Raumschiffe (eher fliegende Mikrochips) ins All schicken. Die nicht mehr können, also ihre Position durchzugeben und vielleicht ein paar Bilder zu machen. Angetrieben werden sie durch gigantische Laserstrahlen die von der Erde aus auf sie gerichtet werden. Der Druck des Laserlichts beschleunigt die “starchips” dann und bringt sie auf den Weg. Und wenn sie dann im äußersten Sonnensystem sind, können sie von Planet 9 vom Weg abgebracht werden. Man muss, wie Witten vorrechnet, die Signallaufzeit zwischen starchip und Erde auf 0,00001 Sekunden genau messen können. Dann lassen sich Abweichungen registrieren die von der Gravitationskraft von Planet 9 verursacht werden. Wenn man 1000 von den winzigen Dingern in alle Richtungen losschickt, hat man gute Chancen, die Position des Objekts zu identifizieren. Und wenn man die erst mal hat, kann man gezielt hinfliegen und den Planet bzw. das schwarze Loch im Detail untersuchen.
Alles so weit klar; rein theoretisch spricht nichts gegen den Plan. Praktisch aber sehr viel; zum Beispiel dass es “Breakthrough Starshot” nur auf dem Papier gibt. Wo es auch auf absehbare Zeit bleiben wird. Die kleinen “starchips” wird man sicher bald gebaut kriegen. Etwas kritischer sehe ich aber die Produktion des Laserantriebs. Man braucht einen wirklich starken Laser (100 Gigawatt) und ich kann mir nicht vorstellen, dass man so etwas ohne gröbere weltpolitische Verstimmungen einfach bauen und in die Gegend stellen kann. Der wer garantiert, dass man damit wirklich nur kleine Forschungssonden antreibt. Und nicht vielleicht doch mal schnell den einen oder anderen Spionagesatellit abschießt o.ä.
Also: Ein hypothetischer Himmelskörper könnte durch ein hypothetisches kosmologisches Konzept erklärt und ein hypothetisches Raumfahrtprojekt erforscht werden. Das ist zwar sehr interessant. Aber ich würde trotzdem nicht allzu gespannt auf die Realisierung all dessen warten…
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