Wissenschaft im Fernsehen ist super. Wissenschaft für Kinder ist super! Wissenschaft die sich speziell Gedanken darüber macht wie man naturwissenschaftliche Fächer an Mädchen und junge Frauen vermitteln kann ist super. Wissenschaftssendungen die zur Abwechslung mal nicht von Männern präsentiert werden sind super. Nach all diesen Kriterien ist das neue Wissensmagazin des ZDF eine wirklich tolle Sache.
Ich hab mir die ersten Folgen angesehen. Es ist – zumindest wenn man es mit dem vergleicht was sonst so im Fernsehen zu sehen ist (und vor allem im Vergleich zu dem was meistens nicht im Fernsehen zu sehen ist) eine wirklich gut gemachte Wissenschaftssendung. Eine Biochemikern (Patrizia Elinor Thoma), eine Chemikerin/Physikerin (Linh Nguyen) und eine Elektro/Informationstechnikern (Johanna Baehr) reden über Wissenschaft und zwar die Wissenschaft, die wir überall in unserem Alltag treffen können. Da wird ein Handy aufgeschraubt, man untersucht wo und wie viele Bakterien am Handy wachsen, Jugendliche die was wissen wollen sind ebenso Teil der Sendung wie ExpertInnen die Dinge im Detail erklären. Wenn man über was meckern wollen würden, dann vielleicht darüber dass das alles nicht sonderlich originell ist sondern eher ziemlich klassische TV-Wissensvermittlung. Aber darüber muss man nicht unbedingt meckern; angesichts der großen Menge an Schrott die zu diesem Thema in den Medien existiert ist eine gut gemachte Wissenssendung für Kinder ein großer Gewinn, auch wenn sie wissenskommunikatorisch eher konservativ aufgemacht ist.
Was man aber vielleicht wirklich kritisieren sollte ist die Sache mit den Prinzessinnen… Die Sendung heißt “Princess of Science”. Die Expertinnen und fragenstellenden Kindern kriegen kleine Krönchen verliehen, wenn sie gut gefragt oder erklärt haben. Und die Themen der bisher erschienenen Folgen lauten “Handy”, “Mode”, “Sport” und “Tiere”. Ist das was, über das man sich aufregen soll? Ich bin mir nicht absolut sicher – aber seit ich die Sendung das erste Mal gesehen habe, stört mich der Prinzessinnen-Kram. Ok, man kann ja durchaus “Mädchenthemen” wie Mode oder Tiere behandeln. Das spielt in der Welt der Jugendlichen eine Rolle; damit kann man sich beschäftigen. Obwohl man sich auch durchaus trauen hätte können, sich thematisch auch mal abseits der Klischeekiste zu bedienen. Was mir aber wirklich auf die Nerven geht ist die Sache mit den Prinzessinnen!
Kann man nicht mal irgendwas machen was Mädchen ansprechen soll, ohne auf den ganzen rosa Einhorn/Prinzessin/Beauty-Kram zurückzugreifen? Wieso kann man nicht einfach eine Wissenschaftssendung machen, die von drei Wissenschaftlerinnen präsentiert wird, in der wissenschaftsinteressierte Mädchen und naturwissenschaftliche Expertinnen vorkommen die sich mit Wissenschaft beschäftigen ohne das ganze mit dem “Prinzessin”-Zeug zu erschlagen? Muss man wirklich die ganzen Mädchen-Klischees auspacken, wenn man Mädchen ansprechen will? So wie die Sendung jetzt aussieht, kriegen die Mädchen gesagt: “Hier ist Wissenschaft für dich, aber keine Angst, es ist Prinzessinnen-Wissenschaft, du kannst ruhig zuschauen”. Und die Jungen, die vielleicht auch zusehen, kriegen gesagt: “Hier ist Wissenschaft, aber nicht die ‘echte’ Wissenschaft sondern ‘Wissenschaft für Mädchen'”. Ohne den Prinzessinnen-Unsinn würden Mädchen und Jungs sehen können, dass Wissenschaft erstens interessant ist und zweitens von Frauen ebenso kompetent erledigt werden kann wie von Männern. Und es würde übrigens auch den Jungen absolut nicht schaden, mehr weibliche Vorbilder aus der Wissenschaft haben zu können. Das Stereotyp des männlichen Wissenschaftlers mit Kittel, Brille und Bart existiert ja nicht nur in den Köpfen der Mädchen. Sondern in allen Köpfen. Und jedesmal wenn es in den Medien reproduziert wird, sehen sich die Mädchen nicht repräsentiert und wenden sich anderen Themen zu. Während sich die Jungs in ihrem eventuellen Interesser für Technik & Co bestätigt sehen können und das Vorurteil des “Wissenschaft ist nichts für Mädchen” sich auch in ihren Köpfen festsetzen kann; bereit um später weiter verbreitet werden zu können.
Ich habe schon öfter erklärt, dass ich es absolut tragisch finde, dass immer noch so wenig Frauen eine Karriere in der Naturwissenschaft in Betracht ziehen. Dass so viele Mädchen und junge Frauen nicht die Unterstützung erfahren die sie erfahren sollten; und so weiter. Wenn wir die Welt verstehen wollen; wenn wir die Probleme die uns bevorstehen (wissenschaftlich) lösen wollen, dann brauchen wir ALLE klugen Köpfe um darüber nachzudenken und nicht nur die, die auf einem Körper (der “richtigen” Hautfarbe) sitzen, an dem weiter unten zufällig auch noch ein Penis befestigt ist.
Wissenschaft ist für alle Menschen da und für alle Menschen wichtig. Wissenschaft betrifft alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht. Es gibt nur eine Wissenschaft; man muss und soll sie nicht in “Wissenschaft für Prinzesinnen” und “andere Wissenschaft” aufteilen. Man kann Frauen in den Naturwissenschaften vernünftig repräsentieren; man kann Wissenschaft an Kinder vermitteln ohne dabei die üblichen Stereotypen und Geschlechterklischees bedienen. “Prinzessinnen der Wissenschaft” ist aber ein Rückgriff auf genau diese Stereotype und Klischees. Die Sendung des ZDF ist ja – wie ich am Anfang gesagt habe – wirklich gut gemacht! Die drei Moderatorinnen sind super; die Experimente, Animationen, Erklärungen, usw: Da ist nichts dabei, worüber ich mich dringend beschweren wollen würde. Es ist ein gutes Konzept und eine gute Sendung die aber durch den Titel und die Prinzessinnen-Thematik ruiniert worden ist.
Aber vielleicht seh ich das ja auch falsch? Vielleicht gibt es gute Gründe, die Sendung genau so zu machen? Wenn ja, dann würden die mich sehr interessieren. Falls jemand aus der Leserschaft die Sendung gesehen hat und anderer Meinung ist als ich: Sagt Bescheid!
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