Dieser Artikel ist Teil einer Serie über naturwissenschaftliche Experimente. Entsprechende Artikel werden hier im Blog bis Ende Juli erscheinen. Alle Artikel der Serie könnt ihr hier finden.
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Das Doppelspalt-Experiment! Mit was sonst sollte ich meine Serie über naturwissenschaftliche Experimente starten? Aber ist das nicht ein wenig öde? Wenn es ein physikalisches Experiment gibt das wirklich alle kennen, dann wohl das hier. Kann man darüber noch was spannendes erzählen? Natürlich kann man! Und das soll man auch. Denn dieses Experiment ist ja nicht umsonst so bekannt. Sondern weil es von immenser Bedeutung für die gesamte Naturwissenschaft ist!
Alles fängt mit einer klassischen Frage an: Was ist Licht? Beziehungsweise: Besteht Licht aus Lichtteilchen oder ist Licht eine Lichtwelle? Der erste, der sich in einem modernen wissenschaftlichen Sinn mit den Eigenschaften des Lichts beschäftigt hat, war Isaac Newton. Und Isaac Newton war der Meinung, dass Licht aus Teilchen besteht. Was dazu geführt hat, dass sehr viele andere Wissenschaftler nach ihm der gleichen Meinung waren. Denn immerhin hat Newton die moderne Naturwissenschaft quasi erst geschaffen und wenn so ein Gigant was sagt, dann hört man auch zu. Fast 150 Jahr nach Newton kam aber ein anderer Engländer und stellte Newtons Erkenntnis in Frage. Das war der Physiker Thomas Young der schon 1790 als er gerade mal 17 Jahre alt war, Newtons Werke über Optik gelesen hatte. Darin erklärt Newton unter anderem, dass Licht unterschiedlicher Farbe unterschiedlich stark abgelenkt wird, wenn es zum Beispiel durch ein Stück Glas hindurch strahlt. Was stimmt, aber – wie Young feststellte – nicht unbedingt direkt dadurch erklärbar ist, dass Licht aus Lichtteilchen besteht. Lichtwellen könnten viele Eigenschaften des Lichts besser erklären, meinte Young. Und machte sich daran, ein Experiment zu basteln um den Wellencharakter des Lichts nachzuweisen.
Das war das erste “Doppelspalt-Experiment” und was viele (mich eingeschlossen bis zur Recherche zu diesem Artikel) nicht wissen ist die interessante Tatsache, dass das erste Doppelspalt-Experiment nur einen einzigen Spalt hatte. Beziehungsweise gar keinen Spalt. Es gab nur ein Loch und ein dünnes Stück Papier. Das Loch war in einer Abdeckung vor einem Fenster. Dadurch fiel ein Lichtstrahl ins ansonsten dunkle Zimmer und mit dem dünnen Stück Papier teilte Young diesen Strahl in zwei Strahlen. Diese beiden Lichtstrahlen wechselwirkten miteinander und das Resultat dieser “Interferenz” konnte Young in Form von hellen und dunklen Ringen an der gegenüberliegenden Zimmerwand beobachten. Was eigentlich nur der Fall sein kann, wenn Licht aus Lichtwellen besteht. Die Ergebnisse veröffentlichte Young 1801. Ein paar Jahre später demonstrierte er das Verhalten der Lichtwellen dann mit dem “echten” Doppelspalt-Experiment. Ein Lichstrahl wird auf eine Blende geleuchtet in der zwei schmale Schlitze sind. Bestünde das Licht aus Lichtteilchen, dann würden diese Teilchen natürlich nur durch die Spalten hindurch kommen und überall sonst blockiert. Auf einem Schirm hinter den Spalten sollte man also nur zwei helle Striche sehen. Tut man aber nicht, man sieht ein Muster aus dunklen und hellen Streifen und zwar überall auf dem Schirm und nicht nur dort, wo die Schlitze sind. Was man sich leicht erklären kann, wenn Licht aus Lichtwellen besteht: Dann kriegt man zwei Lichtwellen die aus den beiden Schlitzen austreten und dann miteinander wechselwirken, so wie Wellen das halt tun. Dort wo Wellental auf Wellental (oder Wellenberg auf Wellenberg) trifft, verstärken sich die Wellen; wenn Wellental auf Wellenberg trifft, löschen sich die Wellen gegenseitig aus. So entstehen die hellen und dunklen Streifen (das “Interferenzmuster”). Licht ist eine Welle, Newton hat sich geirrt. Fall erledigt!
Natürlicht nicht, was ihr aber auch alle wisst weil man genau das im Schulunterricht erklärt und demonstriert bekommt. 1927 kamen die amerikanischen Physiker Clinton Davisson und Lester Germer. Und haben das Doppelspalt-Experiment mit Elektronen wiederholt. Also Dingern, die man bis dahin definitiv für Teilchen gehalten hat. Auch hier hat man übrigens beim ersten Mal keine zwei Spalten verwendet. Auch nicht einen, sondern einen speziell geschliffenen Nickelkristall der Elektronen abgelenkt hat. Die Details spare ich mir jetzt aber auch hier hat sich gezeigt: Die Elektronen verhalten sich nicht wie Teilchen, sondern wie eine Welle.
Das frühe 20. Jahrhundert war auch die Zeit in der die Quantenmechanik entwickelt wurde und mit der ist dann alles vollends seltsam geworden. Denn auch wenn man mit den Experimenten von Young und Davisson/Germer denken könnte, Licht, Elektronen und der ganze Rest wären alles Wellen haben spätere Experimente gezeigt dass das nicht so ist. Man kann das Experiment auch so verändern, dass die Resultate plötzlich genau so aussehen, wie sie aussehen sollten wenn Elektronen Teilchen wären. Man kann das Experiment aber auch so abändern, dass es noch verwirrender wird. In dem man zum Beispiel die Elektronen einzeln hintereinander auf die zwei Spalten zufliegen lässt. Jedes Elektron dürfte dann ja nur durch genau einen Spalt durchgehen und wenn es hinter den Spalten registriert worden ist schickt man das nächste los. Dann sollte man nix beobachten was wie eine Welle aussieht, sondern nur zwei spaltförmige Bereiche auf dem Beobachtungsschirm wo Elektronen auftreffen. Was man tatsächlich beobachtet ist aber genau das gleiche Interferenzmuster, das entsteht wenn Wellen miteinander wechselwirken. Es sieht so aus, als wäre das einzelne Elektron gleichzeitig durch beide Spalten gegangen und hätte mit sich selbst interferiert.
Das Doppelspalt-Experiment zeigt uns höchst wundervoll, wie wenig die Welt der Elementarteilchen mit dem zu tun hat, was wir denken über die Welt zu wissen. Dass dort völlig andere Gesetze herrschen als wir sie intuitiv verstehen können. Dass Phänomene wie Licht oder Elektronen weder Teilchen noch Wellen sind, sondern etwas ganz anderes (“Quantenfelder”) die mal so aussehen wie ein Teilchen und mal wie eine Welle, je nachdem wie man schaut.
Das Doppelspalt-Experiment wurde unzählige Male wiederholt und variiert. Man kann damit komplett absurd scheinende Phänomene demonstrieren. Man könnte ganze Bücher über das Doppelspalt-Experiment schreiben – was auch passiert ist. Wenn ihr wirklich die ganze Geschichte des Experiments lesen wollt, empfehle ich euch “Through Two Doors at Once”* von Anil Ananthaswamy. Und wenn ihr noch spannende Fakten, Anekdoten oder Geschichten zum Doppelspalt-Experiment kennt: Immer her damit!
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