Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 421: Supervulkane
Supervulkane! Vulkane, nur in super! Damit sind allerdings keine Vulkane gemeint aus denen statt Lava und giftigen Gase zum Beispiel Bier, Süßigkeiten oder anderer netter Kram in die Luft geschleudert wird. Sind sie nicht wirklich “super”, zumindest nicht nach menschlichen Maßstäben. Sie heißen “super” weil es Vulkane sind, deren Ausbrüche noch viel gewaltiger sind als die von normalen Vulkanen.
Über Vulkanismus habe ich schon ganz allgemein in Folge 297 der Sternengeschichten erzählt und in Folge 298 auch über die Vulkane anderer Planeten. Denn auch wenn wir hauptsächlich den Vulkanismus auf der Erde erforscht haben, hat dieses Phänomen durchaus auch Auswirkungen auf unser Verständnis anderer Himmelskörper. Aber fangen wir trotzdem mal auf der Erde an und klären, was einen Vulkan zu einem Supervulkan macht.
Dazu müssen wir uns zuerst den “Vulkanexplosivitätsindex” anschauen. Das ist eine Zahl mit der die Stärke eines Vulkanausbruchs angegeben wird. Die Klassen der Stufen 0 und 1 ignorieren wir einfach mal. Da geht es um Ausbrüche die nicht explosiv sind und wo die Lava einfach so langsam aus dem Vulkan rausfließt. Was zwar durchaus nervig sein kann, aber wenn man nicht so dumm ist und direkt in die Lava reinlatscht bzw. sich rechtzeitig in Sicherheit bringt, passiert eigentlich nichts. Bei solchen Ausbrüchen wird auch kein Staub oder ähnliches in die Atmosphäre geschleudert. Solche Ausbrüche kommen ständig vor und haben absolut nichts mit Supervulkanen zu tun. Aber ab Stufe 2 wird es interessiert. Da beginnen die explosiven Ausbrüche, als das, an das wir denken wenn wir uns einen Vulkanausbruch vorstellen.
Die Klassifikation läuft ab hier logarithmisch – soll heißen, dass ein Ausbruch der Stufe 3 nicht doppelt so schlimm ist wie einer der Stufe 2 sondern zehnmal so schlimm. Und das “schlimm” misst man in diesem Fall an der Menge an Material das bei einem Ausbruch ausgeworfen wird. Ein Ausbruch wie die katastrophale Eruption des Vesus in Italien der im Jahr 79 die Stadt Pompeji zerstört hat, schleudert mehr als einen Kubikkilometer an Material in die Luft – bis zu 20 Kilometer hoch – und wird am Vulkanexplosivitätsindex bei Stufe 5 einsortiert. Und ab da wird es dann langsam wirklich dramatisch. Auf Stufe 6 werden mehr als 10 Kubikilometer an Material ausgeworfen, Ausbrüche der Stufe 7 schleudern mehr als 100 Kubikkilometer in die Luft und Stufe 8 ist das Ende der Skala mit den allergrößten Ausbrüchen die mehr als 1000 Kubikilometer Material in unsere Atmosphäre werfen. Und 1000 Kubikkilometer ist WIRKLICH viel. Der Bodensee zum Beispiel, immerhin der größte und tiefste See Deutschlands hat ein Volumen von nur 48 Kubikkilometern. Der größte See Europas ist der Ladogasee an der Grenze von Russland und Finnland und selbst der bringt es nur auf ein Volumen von knapp 900 Kubikkilometer.
Und bei Stufe 8 auf der Skala des Vulkanexplosivitätsindex finden wir auch die Supervulkane. Da stellt man sich jetzt vielleicht einen enorm hohen, rauchenden Berg vor. Ist aber nicht so – denn die vulkanischen Berge die man sich normalerweise vorstellt entstehen ja durch das Material, das so ein Vulkan in die Luft schleudert und der ganzen Lava die dort aus dem Erdinneren rausläuft. Im Laufe der Zeit entsteht dadurch ein Berg. Wenn ein Supervulkan ausbricht, dann macht er das mit solcher Kraft, dass da kein Berg entstehen kann. Im Gegenteil, es gibt ein großes Loch im Boden; eine sogenannte “Caldera”.
Das ganze läuft so ab: In einer Magmakammer unter der Erdoberfläche sammelt sich geschmolzenes Gestein das im Laufe der Zeit aus dem Erdinneren nach oben steigt. Das ist auch bei normalen Vulkanen so. Bei Supervulkanen ist die Magmakammer aber einerseits enorm groß. Andererseits liegen sie auch in einer Gegend wo das Magma die Erdkruste nicht oder nur schwer durchbrechen kann. Also sammelt sich das Zeug – so lange bis der Druck irgendwann zu groß wird. Dann bricht das ganze geschmolzene Gestein explosiv an die Erdoberfläche durch, es gibt einen unvorstellbar gewaltigen Vulkanausbruch und übrig bleibt nur ein großes Loch im Boden.
Das ist zuerst einmal natürlich für die unmittelbare Umgebung unangenehm. So wie bei normalen Vulkanausbrüchen gibt es auch bei Supervulkanen “pyroklastische Ströme”, also eine Mischung aus Staub, Gestein und heißem Gas mit einer Temperatur von bis zu 800 Grad. So ein Strom kann sich mit bis zu 700 Kilometer pro Stunde bewegen und was auch immer in seinem Weg steht, steht dort nicht mehr lange. Bei einem Supervulkan können die pyroklastischen Ströme bis zu 200 Kilometer von der eigentlichen Ausbruchsstelle reichen und auf dem Weg eine 200 Meter dicke Schicht aus Asche und Gestein bilden. Die Asche selbst kann noch viel weiter reichen und ganze Kontinente bedecken. Im Umkreis von ein paar hundert Kilometern ist jedes Leben ausgerottet. Das ist aber noch längst nicht alles. Von dem ganzen Material das beim Ausbruch in die Luft geschleudert wird, kommt vieles erst weit entfernt wieder runter. Lavabrocken können bis zu 50 Kilometer hoch geschleudert werden und einige 100 Kilometer entfernt vom Vulkan auf den Boden krachen. Und der ganze Staub und die Asche werden so hoch in die Atmosphäre geworfen, dass sie sich um die komplette Erde verteilen.
Mt. Vesuvius, Italy, on New Year's Day, 2013. Looks a little like a remainder from earth's difficult puberty years. 🙂 pic.twitter.com/ccKC73uS
— Chris Hadfield (@Cmdr_Hadfield) January 1, 2013
Der Staub blockiert das Sonnenlicht und die Temperaturen sinken auf der ganzen Erde, unter Umständen so weit, dass kaum noch wo vernünftig Pflanzen wachsen können. Es passiert im Wesentlichen das, was auch beim Einschlag eines großen Asteroiden auf der Erde passiert und worüber ich in Folge 381 der Sternengeschichten schon ausführlich gesprochen habe als es um den “Impaktwinter” ging. Kurz gesagt: Der Ausbruch eines Supervulkans hat nicht nur Folgen für die unmittelbare Umgebung sondern für die ganze Erde und kann unter Umständen sogar globale Massensterben verursachen.
Ein Beispiel dafür ist der Ausbruch des Tambora in Indonesien. Der gilt zwar nicht als “Supervulkan”, kommt aber schon recht nah ran. Und ist vor gar nicht allzu langer Zeit ausgebrochen, nämlich im April 1815. Den Lärm der Explosion konnte man noch in fast 2000 Kilometer Entfernung hören. Material mit einer Masse von 140 Milliarden Tonnen und einem Volumen von 160 Kubikkilometer wurden ausgeworfen. Der Vulkan, der vor dem Ausbruch circa 4300 Meter hoch war, hatte danach nur noch ein Höhe von 2850 Meter. Asche der Eruption ging noch in 1300 Kilometer Entfernung nieder, in einem Umkreis von 600 Kilometern um den Vulkan war es zwei komplette Tage lang vollständig finster. Es gab zehntausende Todesopfer, es gab Missernten und Hungersnöte. Und im darauffolgenden Jahr fiel in Europa der Sommer aus. Das Jahr 1816 wird auch “Das Jahr ohne Sommer” genannt: Es war so kalt wie kein anderes Jahr der bisherigen Wetteraufzeichnungen. Der Staub des Vulkanausbruchs hielt das Sonnenlicht ab, es gab Ernteausfälle, es gab Hungersnöte und politische Krisen.
Und das war “nur” ein Vulkan mit dem Vulkanexplosivitätsindex von 7! Den Ausbruch eines echten Supervulkans hat bis jetzt kein Mensch erlebt. Aber auch nur weil vor 26.500 Jahren noch keine Menschen in Neuseeland lebten als dort der Taupo-Vulkan ausbrach. Dabei wurden knapp 1200 Kubikkilometer an Material in die Luft geschleudert, die gesamte Landschaft der Nordinsel Neuseelands wurde umgestaltet und dort wo der Ausbruch stattgefunden hat, kann man heute den Lake Taupo besichtigen, einen See mit einer Fläche von 622 km².
In der langen Geschichte der Erde war aber selbst der Ausbruch des Taupo nur wenig bemerkenswert. Vor ungefähr 27 Millionen Jahren ist im heutigen Colorado in den USA ein Vulkan ausgebrochen der 5000 Kubikkilometer an Zeug ausgeworfen hat. Dabei ist die La-Garita-Caldera entstanden, 75 Kilometer lang und 35 Kilometer breit. Das Auswurfmaterial hat eine Fläche von 28.000 km² fast 100 Meter hoch bedeckt. Dieser Ausbruch ist auch der älteste Supervulkanausbruch über den wir vernünftige Informationen haben. Zumindest auf der Erde. Denn auch auf einem anderen Himmelskörper hat man Spuren gewaltiger Ausbrüche gefunden.
Nämlich dem Mars: Dort finden wir ja mit Olympus Mons schon den höchsten Vulkan und Berg des Sonnensystems. Aber 2013 hat man dort auch Spuren von Supervulkanen gefunden die vor circa 3,5 Milliarden Jahren ausgebrochen sind. Man hatte vorher schon seltsame Spuren gefunden; “Eden Patera” zum Beispiel, ein unregelmäßiger Krater der nicht so aussieht wie Einschlagskrater von Asteroiden aussehen. Und in dieser Region des Mars, einer sehr alten Region – Arabia Terra – fand man jede Menge Ablagerungen die nach vulkanischem Material aussahen. Aber keinen passenden Vulkan in der Nähe. Bis dahin hatte man sich aber auch eher auf die typischen Schildvulkane auf dem Mars konzentriert, also die hohen Berge mit flacher Spitze, wie den Olympus Mons. Wenn es aber auf dem Mars auch Supervulkanismus gegeben hat, hat man vielleicht an der falschen Stelle gesucht. Dann wäre vielleicht Eden Patera kein komischer Einschlagskrater sondern die gewaltige Caldera eines Supervulkanausbrüchs aus der Frühzeit des Mars.
Es lohnt sich also, sich mit Supervulkanen zu beschäftigen. Wer weiß, was wir bei einer genauen Untersuchung des Mars noch herausfinden. Oder auf der Venus, die ja ebenfalls jede Menge Vulkane zu bieten hat. Und auf jeden Fall lohnt es sich auf der Erde. Da haben wir nämlich auch noch ein paar Supervulkane auf die wir regelmäßig einen Blick werfen sollten. Den Yellowstone-Vulkan zum Beispiel, mit einer Magmakammer mit einem Volumen von fast 46.000 km³. Oder die Phlegräischen Felder in Süditalien. All diese großen vulkanischen Regionen werden natürlich ständig überwacht. Ein Ausbruch kommt im Allgemeinen nicht aus dem Nichts sondern kündigt sich an; durch aufsteigendes Magma, durch die langsame Hebung des Bodens, durch Erdbeben, und so weiter. Man würde heute einem Supervulkanausbruch nicht komplett unvorbereitet gegenüberstehen müssen. Außerdem sind wirklich große Ausbrüche zum Glück selten. So was passiert im Schnitt alle 50.000 bis 100.000 Jahre. Aber erforschen sollten wir die Dinger auf jeden Fall. Hier auf der Erde und draußen im Weltall.
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