Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 436: Schwarze Zwerge
Im Universum gibt es Dinge, die gibt es gar nicht. Gut, das klingt jetzt ein wenig missverständlich. Die Dinge die es nicht gibt sind natürlich zahlreicher als die, die es gibt. Beziehungsweise nicht, weil es gibt sie ja nicht. Heute soll es aber nicht um philosophische Verwirrungen gehen. Sondern um etwas, dass es im Universum tatsächlich nicht gibt. Aber mit Sicherheit irgendwann geben WIRD. Nämlich “Schwarze Zwerge”, die deswegen trotz ihres Mangels an aktueller Existenz ein gutes Thema für die “Sternengeschichten” sind.
Um zu verstehen was ein schwarzer Zwerg ist, müssen wir mit Sternen anfangen. Ich werde das jetzt nicht mehr im Detail erzählen, das habe ich in vielen vergangenen Folgen der Sternengeschichten ja schon oft genug getan. Ein Stern von der Größe unserer Sonne lebt nicht ewig. Zumindest nicht als Stern. Also als astronomisches Objekt, das durch Kernfusion in seinem Inneren Energie freisetzt. Dazu braucht es ja ausreichend viel Wasserstoff der fusioniert werden muss. Wenn der zu Ende geht, kann ein Stern für – aus astronomischer Sicht – kurze Zeit noch ein paar andere chemische Elemente fusioniern – Helium zu Beispiel oder Sauerstoff – aber dann ist Schluss. Fällt die Energieproduktion im Inneren des Sterns weg, dann fällt auch was anderes: Nämlich der Stern unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammen.
Damit sind wir aber noch lange nicht bei den schwarzen Sternen angekommen. Zuerst einmal kriegen wir einen weißen Zwerg. Die Materie des Sterns kollabiert immer weiter. Die Atome werden immer weiter zusammengedrängt. Jetzt müssen wir auf die Elektronen schauen, die sich in der Hülle der Atome befinden können. Elektronen sind sogenannte “Fermionen”, so nennt man Teilchen, die ein kleines bisschen asozial sind. Soll heißen: Man kann nicht beliebig viele in einem bestimmten Raumbereich konzentrieren. Jedes Elektron braucht seinen eigenen Raum und für ein zweites ist da kein Platz. Im Gegensatz zum Beispiel zu den Lichtteilchen, den Photonen. Die sind sogenannte “Bosonen” und sie haben kein Problem damit, ihren Platz mit anderen Bosonen zu teilen. Lichtteilchen kann man alle auf einen Haufen packen; Elektronen nicht.
Man kann sich das auch so vorstellen: Je weniger Raum einem Elektron zur Verfügung steht, desto schneller muss es sich bewegen. Das liegt an der berühmten Heisenbergschen Unschärferelation der Quantenmechanik. Ort und Geschwindigkeit (genauer gesagt: Ort und Impuls, aber das kommt am Ende für unseren Fall aufs gleiche raus) eines Teilchens stehen miteinander in Verbindung; multipliziert man beides miteinander, dann kann das Ergebnis auf keinen Fall kleiner sein als eine fundamentale Naturkonstante; das Plancksche Wirkungsquantum. Anders gesagt: Ort und Geschwindigkeit können nicht beide gleichzeitig immer kleiner und kleiner werden. Hat das Elektron also immer weniger Raum zur Verfügung, weil der Stern unter seinem eigenen Gewicht immer weiter in sich zusammenfällt, dann muss seine Geschwindigkeit irgendwann größer werden.
Und ein weiteres Mal anders gesagt: Die durch den Kollaps des Sterns und die Gesetze der Quantenmechanik verursachte Erhöhung der Geschwindigkeit der Elektronen hat einen nach außen gerichteten Druck zur Folge. Die Elektronen widersetzen sich irgendwann der Gravitationskraft, die den Stern immer weiter zusammendrücken will und der Kollaps endet. Das geht natürlich nur, wenn die Masse des Sterns nicht zu groß ist. Überschreitet sie eine bestimmte Masse, dann geht der Kollaps immer weiter und wir kriegen extrem dichte und kleine Objekte wie Neutronensterne oder schwarze Löcher. Aber über solch große Sterne reden wir heute nicht; wir reden über Sterne wie unsere Sonne. Bei deren Masse endet der Zusammenfall, wenn sie eine Größe erreicht hat, die ungefähr der Größe der Erde entspricht. Wir haben dann also ein Objekt, dass so groß wie ein Planet ist, aber immer noch so viel Masse wie ein Stern hat. Die ist jetzt nur eben enorm stark komprimiert. Würde man ein Stück vom weißen Zwerg nehmen, dass so groß ist wie eine kleine Erdbeere – ja, ich weiß, normalerweise ist es immer ein Zuckerwürfel der als Vergleich benutzt wird, aber darauf hab ich keine Lust mehr – nimmt man als ein erbeergroßes Stück, dann würde das so viel wiegen wie ein ganzes Auto.
Das ist ein “weißer Zwerg” und noch immer sind wir nicht am Ende der Entwicklung angelangt. In so einem weißen Zwerg passiert vorerst nicht mehr viel. Kernfusion findet keine mehr statt. Der Kern des weißen Zwergs besteht aus den schweren Elementen, die früher bei der Kernfusion erzeugt worden sind. Weiter außen liegen Schichten aus Helium und Wasserstoff. Ein weißer Zwerg ist aber immer noch heiß. Sein Inneres hat Temperaturen von ein paar Millionen Grad und das heizt die äußeren Schichten auf. Die können die Wärme abstrahlen und deswegen leuchtet ein weißer Zwerg, obwohl er keine neue Energie mehr produziert.
Aber das geht natürlich nicht ewig so weiter. Ein weißer Zwerg ist – sehr vereinfacht gesagt – ja nur ein sehr heißes Objekt, das einfach so im kalten Universum rumliegt. Und was tut so ein Ding dann im Laufe der Zeit? Es kühlt aus, was sonst. Der weiße Zwerg wird kühler und kühler und kühler – bis er irgendwann genau die gleiche Temperatur hat wie das ihn umgebende Universum. Und DANN ist aus dem weißen Zwerg ein schwarzer Zwerg geworden.
Wir wissen, dass es weiße Zwerg gibt. Wir haben schon jede Menge davon draußen im Universum entdeckt. Wir haben auch schon sehr kühle weiße Zwerge gefunden, deren Oberflächen nur noch knapp 3500 Grad Celsius hatten. Das bedeutet, dass sie schon sehr alt sein müssen; man hat sie auf circa 11 bis 12 Milliarden Jahre geschätzt. Bis zum schwarzen Zwerg ist es aber trotzdem noch ein weiter Weg. Auch wenn es sich um einen “Zwerg” handelt, ist so ein Ding ja immer noch so groß wie ein Planet. Und hat die Masse eines Sterns. Da passt jede Menge Wärme rein und es DAUERT bis die verschwunden ist. Und das Universum ist kalt. Die Hintergrundtemperatur des Kosmos liegt derzeit bei knapp 3 Kelvin. Also circa -270 Grad Celsius. Man schätzt, das ein typischer weißer Zwerg mindestens eine Billiarde Jahre braucht, um auf 5 Kelvin abzukühlen. Unser Universum ist aber gerade mal 13,8 Milliarden Jahre alt. Wir müssen noch fast hunderttausend Mal so lange warten wie das Universum bis jetzt existiert, um die Chance zu haben, irgendwo einen schwarzen Zwerg zu finden.
Und wenn es blöd läuft, kann es noch viel länger dauern. Denn so ein schwarzer Zwerg kann sich auch wieder erwärmen. Beziehungsweise ist das vielleicht der falsche Ausdruck. So richtig warm wird er nicht mehr, egal was passiert. Aber es gibt Prozesse, die seine Abkühlung verzögern können. Zum Beispiel der Protonenzerfall: Es gibt physikalische Hypothesen, nach denen das Proton, also einer der Bausteine aus denen Atomkerne bestehen, nicht stabil ist. Das bedeutet, dass es irgendwann spontan zerfallen und sich in andere Teilchen umwandeln kann. Wir wissen nicht, ob das wirklich so ist – entsprechende Experimente haben noch keine konkreten Spuren davon gefunden. Aber WENN es so ist, dann muss es sehr, sehr lange dauern, bis so ein Proton zerfällt. Wenn es nicht so wäre, dann würden wir ja dauernd zerfallende Protonen sehen beziehungsweise dann hätte sich gar nicht erst stabile Atome im Universum gebildet. Man schätzt, dass es um die 10 hoch 34 Jahre dauert, bis bei einer vorgegebenen Menge an Protonen die Hälfte zerfallen ist. Das ist ein so absurd langer Zeitraum, das man ihn sich nicht vorstellen kann.
Ein Stern und auch ein weißer Zwerg enthält aber nun mal sehr, sehr viele Protonen. Und rein statistisch gesehen sollten dort immer wieder mal ein paar zerfallen. Das hat normalerweise keinen großen Einfluss. Aber im Laufe der Zeit – und beim Abkühlen hat so ein weißer Zwerg sehr viel Zeit – kann man das nicht mehr ignorieren. Denn die zerfallenden Protonen setzen Energie frei. Nicht viel, aber es reicht, um die Temperatur eines weißen Zwergs für ungefähr 10 hoch 37 Jahre über der Hintergrundtemperatur des Universums zu halten (die ja im Laufe der Zeit ebenfalls sinkt). Es gibt auch noch andere Mechanismen – zum Beispiel die Wechselwirkung des weißen Zwergs mit bestimmten hypothetischen Formen dunkler Materie – die das Abkühlen verzögern können. Wir wissen nicht, ob Protonen zerfallen oder ob es andere Wege gibt, die einen weißen Zwerg warm halten. Sicher ist nur: Es dauert verdammt lange, bis ein weißer Zwerg zu einem schwarzen Zwerg geworden ist.
Das wäre jetzt eigentlich wirklich das Ende. Ein schwarzer Zwerg liegt einfach nur noch rum und macht nichts. Das einzige was er tut, ist dank seiner Masse Gravitation auf die Umgebung auszuüben. Das wäre auch der einzige Weg, um so ein Ding zu finden. Aber man kann davon ausgehen, dass in so einer fernen Zukunft keine irdischen Astronom:innen mehr da sind, um sich auf die Suche zu machen. Aber falls doch noch IRGENDWER in diesem zukünftigen Kosmos mit bewusstem Blick zum Himmel schaut, gäbe es vielleicht die Chance, ein wirklich außergewöhnliches Ereignis zu beobachten: Die Supernova eines schwarzen Zwergs!
Wir wissen, dass auch weiße Zwerge wieder zu leuchten anfangen können. Zum Beispiel, wenn sie irgendwo von außen neue Materie bekommen, etwa von einem sehr nahe gelegenen Nachbarstern. Dann wird der Zwerg immer schwerer, bis seine Masse irgendwann eine Grenzmasse überschreitet, so dass doch wieder Kernfusion einsetzen kann. Das ist dann ein sehr extremes Ereignis und der ganze Stern explodiert bei einer Supernova. Einem schwarzen Zwerg steht aber noch ein weiterer Weg zur Verfügung. Selbst wenn weit und breit kein anderer Stern in der Nähe ist, der Masse spenden könnte, können in seinem Inneren sogenannte pyconuklearen Fusionsreaktionen stattfinden. Normalerweise gibt es im Sterninneren die Kernfusion ja deswegen, weil dort die Temperatur und der Druck so hoch sind. Dadurch bewegen sich die Atome ausreichend schnell und sind ausreichend nahe beieinander, um miteinander verschmelzen zu können. In einem schwarzen Zwerg ist es kalt – aber der Druck ist eben auch enorm hoch und das reicht – vereinfacht gesagt – für die eine oder andere Fusion auch bei niedrigen Temperaturen. Im Laufe der Zeit kann so das Material im Inneren des Sterns immer weiter fusionieren bis irgendwann alles zu Eisen geworden ist. Dann hört jede normale Fusion auf, denn es braucht mehr Energie als man raus bekommen würde, um Eisenatome miteinander zu fusionieren. Ohne auf die Details eingehen zu wollen – es hat mit Quantenmechanik zu tun und mit der durch diese Fusionsreaktionen verursachte Veränderung im Verhältnis der Anzahl an Elektronen zur Anzahl an Atomkernteilchen im Stern – führt das irgendwann dazu, dass der schwarze Zwerg nicht mehr stabil ist. Er fällt in sich zusammen und es gibt eine Supernovaexplosion.
Allerdings nur, wenn das mit dem hypothetischen Protonenzerfall nicht zu schnell geht. Ein schwarzer Zwerg braucht eine gewisse Mindestmasse, um explodieren zu können und wenn die Protonen zu schnell zerfallen sollten, dann verringert sich auch seine Masse zu schnell. Und man muss lange warten. Mit dem explodieren der ersten schwarzen Zwerge ist in circa 10 hoch 1100 Jahren zu rechnen. Ich wüsste nicht, wie ich so einen Zeitraum veranschaulichen sollte, also lasse ich es einfach. Bis alle schwarzen Zwerg die das können, explodiert sind, wird es unvorstellbare 10 hoch 32.000 Jahre dauern. Eine 1, gefolgt von 32.000 Nullen! Matt Caplan, der Astronom der das ausgerechnet hat, sagt dazu: “Das wird das letzte interessante astronomische Phänomen sein, das im Universum stattfindet”. Klingt ein wenig traurig. Aber andererseits ist es immer gut, wenn man etwas hat, auf das man sich freuen kann.
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