Direkte Beobachtung eines Planeten bei Beta Pictoris Bild: ESO/A.-M. Lagrange)

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Sternengeschichten Folge 438: Beta Pictoris

Beta Pictoris ist einer meiner Lieblingssterne. Und das nicht nur, weil ich selbst darüber viel geforscht habe. In der Geschichte der Astronomie hat dieser Stern immer wieder eine wichtige Rolle gespielt. Dort können wir fast die ganze Vielfalt untersuchen, die ein Sternensystem ausmacht. Aber fangen wir am besten mit den Grundlagen an.

Der Stern befindet sich 63,4 Lichtjahre entfernt. Er ist mit freiem Auge sichtbar, aber ein eher durchschnittlicher Stern – nicht sonderlich hell aber auch nicht so dunkel, dass man ihn ohne optische Hilfsmittel nicht sehen kann. Wer ihn beobachten möchte, kann das von Mitteleuropa aus allerdings nicht tun. Er befindet sich im “Maler”, auf lateinisch “Pictor”, einem Sternbild des Südhimmels. Beta Pictoris ist der zweithellste Stern dieses unscheinbaren Sternbilds und hat den eineinhalbfachen Radius der Sonne, die 1,7fache Masse und fast die neunfache Leuchtkraft unseres Sterns. Seine Oberflächentemperatur ist mit 7800 Grad Celsius um circa 2500 Grad heißer als die der Sonne. Es handelt sich um einen heißen, blau-weißlich leuchtenden Stern und er ist noch sehr jung. Sein Alter wird auf circa 23 Millionen Jahre geschätzt; im Gegensatz zu den 4,5 Milliarden Jahren die unsere Sonne alt ist, ist Beta Pictoris also quasi gerade erst entstanden.

Seinen ersten großen Auftritt auf der Bühne der Wissenschaft hatte der Stern 1984. Wir müssen aber ein Jahr davor anfangen; im Januar 1983. Da flog das Weltraumteleskop IRAS ins All. Seine Aufgabe war es, den Himmel das erste Mal komplett im Infrarotlicht zu beobachten. Das geht vom Erdboden aus nur schlecht, da dieser langwellige Anteil des Lichts von der Erdatmosphäre blockiert wird. Das Weltraumteleskop hatte Erfolg, machte jede Menge schöne Entdeckungen und fand etwas, was man noch nie zuvor gesehen hatte. Einen “Infrarotexzess”, was ein wenig unspektakulär klingt, tatsächlich aber höchst beeindruckend ist.

Man weiß und wusste auch damals schon ziemlich gut, wie viel Licht bei bestimmten Wellenlänge ein Stern abstrahlen sollte. Das hängt im Wesentlichen von seiner Temperatur ab und kennt man sie bzw. kann man sie aus anderen Größen wie zum Beispiel der Helligkeit abschätzen, dann kann man berechnen, wie viel rotes Licht vom Stern kommen sollte, wie viel blaues Licht, und so weiter. Und natürlich auch wie viel Infrarotlicht man sehen sollte. Bei einigen Sternen entdeckte IRAS aber deutlich mehr Infrarotlicht, als vorhanden sein durfte. Der Grund dafür war schnell gefunden: Diese Sterne sind von einer Scheibe aus Staub umgeben. Der wird vom Licht des Sterns aufgeheizt und diese Wärme gibt der Staub in Form von Infrarotstrahlung wieder ab. Da wir aus der Entfernung die Scheibe aber nicht direkt sehen können, sehen wir Sternenlicht und Staubwärme überlagert und es sieht so aus, als würde der Stern Sachen machen, die er nicht machen sollte.

Den ersten Infrarotexzess und damit den ersten Hinweis auf eine Staubscheibe um einen Stern fand man bei Wega. Außerdem bei drei weiteren Sternen: Epsilon Eridani, Fomalhaut und Beta Pictoris. Dann, im November 1983, war die Mission von IRAS auch schon wieder vorbei; dem Teleskop ging das Kühlmittel aus. Aber nun versuchte man, von der Erde aus mehr Daten zu kriegen. Vielleicht, so die Hoffnung, könnte man mit der richtigen Technik die Staubscheiben rund um die Sterne ja auch im normalen Licht und ohne Infrarotteleskop sichtbar machen. Die amerikanischen Astronomen Bradford Smith und Richard Terrile probierten das natürlich zuerst bei der Wega. Ohne Erfolg. Ebenso bei Epsilon Eridani und Fomalhaut. Beta Pictoris konnte sie nicht untersuchen, da sie dafür ein Teleskop auf der Südhalbkugel benutzen müssten. Das schafften sie erst Ende 1984, als sie eigentlich wegen ganz anderer Beobachtungen in Chile waren. Aber wenn man schon mal da ist, dann kann man ja auch den letzten Kandidaten nochmal kurz anschauen, dachten die beiden sich. Und hatten Erfolg! Auf ihrer Aufnahme war klar das Licht zu sehen, dass der Staub um Beta Pictoris reflektierte.

Erste Beobachtung einer Trümerscheibe von Beta Pictoris (Bild: Smith & Terrile, 1984)

Das war an sich schon eine ziemlich beeindruckende Entdeckung. Denn 1984 hatte man noch keine Planeten anderer Sterne entdeckt; das ist ja erst 1995 gelungen. Man wusste damals also immer noch nicht, ob sich bei anderen Sternen überhaupt Planeten bilden können. Die Staubscheibe um Beta Pictoris war ein ziemlich guter Hinweis, dass das tatsächlich möglich ist. Denn der Staub muss ja irgendwo her kommen! Die Modelle zur Planetenentstehung sagen uns, dass jeder Stern nach seiner Geburt von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben ist, der sogenannten “protoplanetaren Scheibe”. Aus ihr entstehen dann im Laufe der Zeit die Planeten. Das, was Beta Pictoris umgibt, ist aber KEINE solche Scheibe. Der Stern ist zwar jung, so eine protoplanetare Scheibe verschwindet aber schnell. Die Planetenbildung, sofern sie stattgefunden hat, muss schon weitestgehend abgeschlossen sein. Was aber dann noch übrig bleiben kann, ist eine sogenannte “Trümmerscheibe”. Denn es bilden sich ja um einen Stern nicht NUR Planeten. Zuerst einmal entstehen aus dem Staub und dem Gas ein Haufen Asteroiden. Und daraus erst die Planeten. Dabei bleiben Asteroiden übrig, und die erzeugen ständig Staub, zum Beispiel durch Kollisionen.

Die Trümmerscheibe von Beta Pictoris war also ein Zeichen dafür, dass anderswo im Universum genau die gleichen Prozesse stattgefunden haben, die auch bei uns stattgefunden haben, als die Planeten des Sonnensystems entstanden sind. In den kommenden Jahren hat man sich Stern und Scheibe jetzt natürlich immer genauer angesehen. Und weitere Auffälligkeiten gefunden: Die Staubscheibe war ein wenig “klumpig”; sie war auch ein bisschen “verbogen” – alles Anzeichen, dass die Verteilung der Asteroiden dort nicht völlig regelmäßig ist. Und was beeinflusst die Verteilung von Asteroiden um einen Stern? Genau: Planeten! Auch in unserem Sonnensystem ist die gravitative Wirkung von Planeten wie Jupiter oder Neptun, die dafür sorgen, dass sich die Asteroiden in Asteroidengürteln angeordnet haben.

Man nun probiert zu berechnen, welche Eigenschaften ein Planet haben müsste, um die beobachteten Unregelmäßigkeiten in der Staubscheibe von Beta Pictoris zu erklären. Was übrigens auch das Thema war, über das ich selbst geforscht habe. Die Ergebnisse waren relativ übereinstimmend: Es braucht auf jeden Fall einen Planeten mit recht großer Masse, relativ nahe am Stern. Deutlich mehr Masse als Jupiter muss er haben, irgendwo um das 10fache herum. Darüber hinaus kann es gut sein, dass noch weitere Planeten dort existieren die sich weiter entfernt befinden.

Es war eigentlich nicht damit zurechnen, dass diese Vorhersage zeitnah bestätigt wird. Denn so jungen Sternen wie Beta Pictoris zeigen vergleichsweise große Helligkeitsschwankungen. Das macht es schwer bis unmöglich, die üblichen Methoden zur indirekten Suche nach Planeten zu verwenden, die alle darauf basieren, das Licht bzw. die Helligkeit von Sternen möglichst exakt zu messen. Noch schwieriger ist es aber, einen Planeten DIREKT zu sehen. Also direkt Sternenlicht im Teleskop einzufangen, das vom Planet reflektiert worden ist. Dazu muss man aber irgendwie das sehr viel hellere Sternenlicht ausblenden um überhaupt eine Chance haben, das schwache Leuchten des Planeten sehen zu können. Am besten funktioniert die Methode daher auch bei Planeten, die sich sehr, sehr, sehr weit von ihrem Stern entfernt befinden. Ab 2006 hat man immer wieder die Entdeckung des ersten direkt beobachteten extrasolaren Planeten verkündet und man kann heute noch darüber streiten, wem und wo das das erste Mal gelungen ist. Fest steht aber: Im November 2008 konnte auch bei Beta Pictoris ein Planet direkt gesehen werden. Das war überraschend, weil der Planet dem Stern sehr nahe ist. Aber die Beobachtung konnte bestätigt werden und in den kommenden Jahren wurde der Planet immer wieder fotografiert.

2018 konnte man dann sogar einen Film veröffentlichen, der die Bewegung des Planeten um seinen Stern herum zeigt. Natürlich als Zeitraffer, aber dennoch: Das erste Mal konnten wir von außen zuschauen, wie ein Planet einen anderen Stern umkreist! 2019 wurde dann auch noch ein zweiter Planet bei Beta Pictoris gefunden. So wie der erste ist auch er ungefähr 10 mal schwerer als Jupiter. Er ist aber viel näher dran am Stern: Der zuerst entdeckte Planet hat einen Abstand, der dem 9fachen Abstand zwischen Erde und Sonne entspricht; also ungefähr der Distanz, die der Saturn von der Sonne hat. Der 2019 entdeckte Planet befindet sich dagegen dort, wo sich in usnerem Sonnensystem der Asteroidengürtel zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter befindet. 2020 gelang es dann auch, BEIDE Planeten direkt zu beobachten – was gleich das nächste Rätsel lieferte. Beide Planeten sind ungefähr gleich schwer und groß. Der eine leuchtet aber sechs mal heller als der andere. Eigentlich sollte aber gelten, dass ein Planet umso heller leuchtet, je mehr Masse er hat. Denn es geht dabei nicht nur um das Licht, das der Planet reflektiert. Sondern auch um die Wärme, die der Himmelskörper aus sich selbst heraus abstrahlt. Die Beobachtungen bei Beta Pictoris wurden mit einem Infrarotteleskop gemacht und deswegen sieht man die Planeten auch im Licht ihrer eigenen Wärme leuchten. Je mehr Masse ein Planet hat, desto mehr Wärme sollte er speichern können und desto heller leuchten.

Dass das bei Beta Pictoris nicht der Fall ist, kann einerseits einfach heißen, dass wir die Massen der Planeten noch nicht genau genug bestimmt haben. Immerhin brauchen sie jeweils ein paar Jahre für eine Runde um den Stern und nur wenn wir ihre Umlaufbahn komplett beobachtet haben, können wir auch halbwegs genau die Masse abschätzen. Andererseits könnte es aber auch heißen, dass wir irgendwas bei der Entstehung der Planeten noch nicht so genau verstanden haben, wie wir dachten.

Beta Pictoris wird die Astronomie mit Sicherheit noch lange Zeit beschäftigen. Wir haben ziemlich sicher noch nicht alle Planeten entdeckt, die dort rumschwirren. Wir haben die Wechselwirkung zwischen den Planeten und der Trümmerscheibe noch nicht völlig verstanden. Es gibt noch jede Menge zu entdecken.

Kommentare (7)

  1. #1 Adam
    Berlin
    17. April 2021

    Schöner Artikel. Ich habe überhaupt nicht gewusst, dass wir schon direkte Beobachtungen gemacht haben, dachte, das sei wegen den Entfernungen bzw. Überstrahlung nicht möglich. Also doch 🙂

  2. #2 Skeptikskeptiker
    18. April 2021

    Ich dachte auch, dass man mit der aktuell leistungsfähigsten Teleskoptechnik nur Beteigeuze, Mira, Atair und Antares überhaupt flächenmäßig auflösen kann, und jetzt ein Video mit Planet?

  3. #3 Florian Freistetter
    18. April 2021

    Na ja, “aufgelöst” ist der Stern ja nicht. Der ist immer noch nur ein Punkt. Aber man hat das Licht des Sterns soweit blocken/wegrechnen können, um das Licht des Planeten zu sehen.

  4. #4 Till
    19. April 2021

    Beide Planeten sind ungefähr gleich schwer und groß. Der eine leuchtet aber sechs mal heller als der andere.

    Das klingt ja total spannend. Welcher der beiden Planeten ist denn heller? Der innere oder der Äußere?

  5. #5 Skeptikskeptiker
    19. April 2021

    Es ist selbst für interessierte Laien manchmal recht schwer abzuschätzen, ob Bilder oder Videos wirklich real sind, oder künstlerisch gestaltet die Forschungsergebnisse wiederspiegeln. Gerade in populärwissenschaftlichen Meldungen der Tagesmedien steht es oft nicht dabei…

  6. #6 Adam
    Berlin
    20. April 2021

    @Skeptikskeptiker:

    Richtig, aber da gilt eine simple Faustregel: sieht es schön aus? Dann ist es meist künstlerisch. Tut es das nicht? Dann oft real. Andererseits: wenn ich an die Bilder des Hubble-Teleskops von Nebeln denke, haut das auch nicht immer hin 🙂

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