Die Vorteile der Covid19-Pandemie sind eher dürftig… Aber immerhin hat sie dafür gesorgt, dass sehr viel mehr Menschen über Wissenschaft nachdenken als vorher. Und dass sich sehr viel mehr Menschen als vorher Gedanken über die Vermittlung von Wissenschaft machen. Was man nicht oft genug machen kann! Mein Job besteht ja seit mehr als 10 Jahren daraus, möglichst vielen Menschen von Wissenschaft zu erzählen und insofern habe ich mir natürlich auch jede Menge Gedanken darüber gemacht. Und ich bin auch immer daran interessiert, was andere sich so denken.
Ich bin kein Experte für Wissenschaftskommunikation. Ich habe nie Kommunikationswissenschaft o.ä. studiert und mein Zugang zum Thema ist eher anarchistisch. Ich arbeite nicht für irgendein Medium; muss nicht für eine bestimmte Institution kommunizieren, sondern erzähle das, was ich halt gerne erzählen will. Und kann dabei auch sehr viel ausprobieren. Manches funktioniert und manches nicht – aber ein bisschen was habe ich dabei doch gelernt (behaupte ich jetzt mal). Was ich unter anderem gelernt habe: Auch “triviale” Ratschläge sind wichtig! Sich vor einem Kommunikationsversuch zu überlegen, welche Zielgruppe man ansprechen will, ist trivial. Natürlich muss man das machen und man sollte das gar nicht extra erwähnen müssen. Aber wenn ich mir die real stattfindende Kommunikation ansehe, dann wird diese Binsenweisheit dennoch sehr oft missachtet. Universitäten schreiben Pressemeldungen, wollen die dann aber auch als Kommunikation mit der breiten Öffentlichkeit verwenden. Was nicht funktioniert! Forscher:innen sollen einen öffentlichen Vortrag halten, verwenden dafür aber die selben Präsentationsunterlagen, die sie auch für ihre Fachvorträge benutzen. Oder (ein Beispiel aus einem Buch das ich gerade lese) man will ein Thema populärwissenschaftlich aufbereiten und dafür mit persönlichen Geschichten aus dem Alltag des Forschens arbeiten (was prinzipiell eine sehr gute Idee ist), kriegt am Ende dann aber einen Text, der weder das eine noch das andere ist. Die wissenschaftliche Teile sind immer noch viel zu komplex um allgemeinverständlich zu sein und die allgemeinverständlichen Forschungsanekdoten vermitteln keine Wissenschaft. Sich Gedanken darüber zu machen, WIE man eine Zielgruppe konkret ansprechen soll, ist alles andere als trivial. Das gilt umso mehr, wenn es darum geht, unterschiedliche Medien zu nutzen. Man kann Links zu einer Pressemitteilung per Twitter veröffentlichen – hat die Möglichkeiten dieses speziellen Mediums aber nicht vernünftig genutzt. Man kann einen Vortrag abfilmen und als YouTube-Video einstellen – hat die Möglichkeiten eines Videos aber nicht vernünftig genutzt. Und so weiter.
Es gibt noch jede Menge weitere “triviale Ratschläge”, die deutlich komplexer umzusetzen sind, als man denken würde. Dass die Menschen, denen man etwas über Wissenschaft vermitteln will, weniger über das Thema wissen als man selbst, ist auch trivial. Aber auch das muss man vernünftig bedenken, wenn man erfolgreich kommunizieren will. Wenn ich etwa vermitteln will, dass Asteroid X nicht mit der Erde kollidiert, dann reicht es nicht zu sagen “Asteroid X kollidiert nicht mit der Erde!”. Damit habe ich zwar rein theoretisch die “Lücke” im Wissen meines Gegenübers gefüllt. Aber das war nicht die einzige Lücke: Wer nicht Astronomie studiert hat; wer nicht weiß, wie astronomische Beobachtungen stattfinden; wie astronomische Daten publiziert werden; wer nicht weiß, wie Wissenschaft funktioniert und nie die Gelegenheit hatte, einen Blick auf den sehr speziellen Mikrokosmos der Universitäten zu werfen: So jemand wird die Bedeutung der Information nicht vernünftig erfassen können, wenn ich nicht auch probiere, all diese restlichen Lücken zu füllen. Das sieht man gerade sehr gut wenn es um die Pandemie geht: Für viele Menschen sind die Aussagen der Virolog:innen halt einfach nur “Meinungen”. Die sagen das eine; andere Leute im Internet sagen aber was anderes. Politiker:innen haben wieder eine andere Meinung. Und so weiter – dass aber die “Meinung” der Wissenschaft auf einer völlig anderen Grundlage basiert als das, was ein Ministerpräsident oder irgendwer auf Facebook erzählt, ist Wissen, dass man nicht einfach voraussetzen darf! Es braucht Empathie! Man kann Leute natürlich auch gerne als “dumm” bezeichnen, weil sie nicht checken, dass zum Beispiel die Aussagen von Christian Drosten seriös sind, die von Sucharit Bakhdi aber nicht. Nur bringt das die Wissenschaftskommunikation nicht voran. Dazu muss man sich tatsächlich – empathisch! – klar machen, dass man selbst in den meisten Fällen einen ganz anderen Hintergund und eine ganz andere Lebensrealität hat als die Menschen, mit denen man kommunizieren will.
Aber eigentlich wollte ich ja nur auf zwei Beispiele hinweisen, in denen Wissenschaftskommunikatoren genau diese Dingen gut erklären. Mein Kollege Helmut Jungwirth – Professor für Wissenschaftskommunikation an der Uni Graz (mit einem sehr schönen Instagram-Account zur Wissenschaft – hat für eine Konferenz kürzlich ein paar der wichtigsten Prinzipien zusammengefasst (unter anderem das mit der Zielgruppe):
Und im Gespräch mit dem Elementarfragen-Podcast hat Ranga Yogeshwar sehr ausführlich über Wissenschaftskommunikation (inklusive dem Thema “Empathie”) gesprochen:
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