Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 451: Der Treibhauseffekt auf anderen Himmelskörpern
Der Treibhauseffekt ist ein wichtiges Phänomen. Wir begegnehm ihm heute hauptsächlich in der Diskussion zur Klimakrise in Form des menschengemachten Treibhauseffekt der unseren Planeten immer wieder aufheizt, was ich ja in Folge 434 der Sternengeschichten ausführlich erklärt habe. Es gibt ihn aber auch als ganz natürliches Phänomen. Die Details der Physik und Chemie die dem Treibhauseffekt zugrunde liegen, habe ich in Folge 241 genauer erklärt. Die Kurzversion lautet: Moleküle können unterschiedlich durchlässig für unterschiedliche Arten von Strahlung sein. Unsere Atmosphäre zum Beispiel lässt das sichtbare Licht der Sonne problemlos passieren, weswegen es den Erdboden erwärmen kann. Wenn die Wärme in Form von Infrarotstrahlung dann aber wieder vom Boden wieder zurück ins All strahlen will, trifft sie auf Kohlendioxidmoleküle in der Luft. Oder auf Methan oder Wasserdampf. Das sind Treibhausgase, die das sichtbare Licht mit seiner kurzen Wellenlänge zuvor noch ungehindert durchgelassen haben. Die langwellige Wärmestrahlung nun aber quasi blockieren und teilweise zurück zum Boden schicken. Dadurch heizt sich der Planet weiter auf.
Das ist, wie gesagt, prinzipiell ein natürliches Phänomen und eines, das durchaus wichtig für die Existenz des Lebens ist. Ohne die Atmosphäre der Erde und die darin enthaltenen Treibhausgase wie Wasserdampf, wäre unser Planet viel kälter. Die Durchschnittstemperatur würde circa -18 Grad Celsius betragen. Dass die Erde lebensfreundlich ist, liegt also am natürlichen Treibhauseffekt. Mit dem menschengemachten Treibhauseffekt, also durch die zusätzlichen Treibhausgase die wir in die Atmosphäre entlassen, sind wir aber nun gerade dabei, die Erde lebensfeindlich heiß zu machen. Darum soll es heute aber nicht gehen, so wichtig dieses Thema auch ist. Stattdessen schauen wir auf die anderen Himmelskörper des Sonnensystems. Gibt es dort auch einen Treibhauseffekt und wenn ja, was für Konsequenzen hat das?
Damit ein Treibhauseffekt stattfinden kann, braucht es prinzipiell mal einen Himmelskörper mit einer nennenswerten Atmosphäre. Davon haben wir im Sonnensystem überraschend wenige. Wenn wir die Erde ausnehmen, dann bleiben unter den restlichen Planeten nur die Venus und der Mars. Der Merkur ist ein Planet ohne Lufthülle; der Mond hat auch keine. Die Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun bestehen nur aus dichtem Gas und das Konzept des Treibhauseffekts kann man dort in der Form nicht so anwenden wie bei uns. Die ganzen Asteroiden und die meisten Monde der anderen Planeten sind zu klein, um eine vernünftige Atmosphäre halten zu können. Die einzige Ausnahme ist Titan, der größte Mond des Saturns.
Venus, Mars und Titan: Das sind, neben der Erde, die einzigen Himmelskörper im Sonnensystem bei denen man die Frage nach einem außerirdischen Treibhauseffekt sinnvoll untersuchen kann. Beginnen wir mit dem Mars, der eigentlich ein Grenzfall ist. In Folge 236 habe ich die Atmosphäre des Mars ja schon einmal ausführlich besprochen. Und die Folge mit der Feststellung begonnen, dass er eigentlich gar keine solche hat. Der “Luftdruck” dort beträgt weniger als ein Prozent von dem, was wir hier auf der Erde haben. Es ist also kaum etwas da, was den Mars in Form eine Atmosphäre umgibt. Das was da ist, besteht zwar fast ausschließlich aus dem Treibhausgas Kohlendioxid. Aber weil eben so wenig Atmosphäre vorhanden ist, kann der Mars keine Wärme speichern, da hilft auch das CO2 nicht. Unter anderem deswegen ist der Mars auch so enorm kalt. Es gibt keinen natürlichen Treibhauseffekt, der ihn aufwärmen könnte.
Wir wissen aber, dass es früher in der Geschichte unseres Nachbarplaneten wärmer gewesen sein muss. Wir finden überall auf dem Mars die Spuren von Wasser, das über seine Oberfläche geflossen sein muss. Irgendein Mechanismus muss also den Mars irgendwann einmal wärmer gemacht haben. Wir reden hier von der Zeit kurz nach seiner Entstehung; kurz nach der Entstehung aller Planeten vor 4,5 Milliarden Jahren. Planeten aus Metall und Gestein; mit einer festen Oberfläche die im inneren Bereich des Sonnensystems entstanden sind; Planeten also wie die Erde, die Venus und der Mars, haben bei ihrer Entstehung immer auch eine gewissen Menge an Wasser mitbekommen. Gespeichert im Gestein konnte es durch diverse geologische und chemische Prozesse an die Oberfläche gelangen. Und wenn die von einer passenden Atmosphäre eingehüllt wird, die für Temperaturen zwischen 0 und 100 Grad Celsius sorgt, kann es dort flüssig bleiben und Seen, Flüsse oder gar Ozeane bilden.
Was am frühen Mars für angenehme Temperaturen gesorgt hat, wissen wir noch nicht. Vielleicht war Wasserstoff verantwortlich: Aus geologischen Gründen die genau zu erklären hier jetzt zu weit führen würden, war es auf dem Mars für Wasserstoff einfacher, aus dem Gestein seiner Planetenkruste auszugasen als auf der Erde. Wasserstoff gilt jetzt an sich nicht als klassisches Treibhausgas. Aber in Kombination mit den richtigen anderen Molekülen – zum Beispiel Kohlendioxid, kann es dennoch eine entsprechende Wirkung haben. Vereinfacht gesagt: Wenn Wasserstoffmoleküle mit Kohlendioxidmolekülen kollidieren, können sie durch diese Zusammenstöße zusätzliche Energie aufnehmen. In diesem energiereicheren Zuständen können die Wasserstoffmoleküle dann als Treibhausgas wirken. Wenn der frühe Mars eine der Erde vergleichbar dichte Atmosphäre aus Wasserdampf und CO2 gehabt hat und dazu noch 5 bis 20 Prozent Wasserstoff aus der Planetenkruste ausgegast ist, könnte das für einen ausreichend starken Treibhauseffekt gesorgt haben, um die Temperaturen dort über den Gefrierpunkt zu heben. Vielleicht ist auch etwas anderes passiert; das wissen wir nicht und können es höchstens dann rausfinden, wenn wir den Mars besser als heute und vor allem nicht nur aus der Ferne sondern auch direkt vor Ort erforschen. So oder so: Die Warmzeit auf dem Mars war begrenzt. Der kleine Planet hatte zu wenig Masse um seine Atmosphäre dauerhaft zu halten. Vor allem hatte er zu wenig Masse, um sein Magnetfeld dauerhaft aufrecht zu erhalten. Ohne Magnetfeld ist eine Atmosphäre schutzlos dem Sonnenwind ausgesetzt. Die Teilchen, die die Sonne ständig aus ihrer eigenen Atmosphäre ins Weltall schleudert wirken wie ein Sandstrahler, der die Lufthülle eines Planeten wie des Mars im Laufe der Zeit abträgt.
All das, was dem Mars fehlt, hat die Venus zu viel. Unser anderer Nachbarplanet kann sich über einen Mangel an Atmosphäre wirklich nicht beschweren. Dort herrscht auf der Oberfläche ein Druck, den man bei uns erst 900 Meter tief unter dem Meeresspiegel finden kann. Diese gewaltige dichte Hülle aus Gasen besteht fast komplett aus Kohlendioxid und deswegen gibt es auf der Venus einen Mega-Treibhauseffekt, der die Oberflächentemperatur dort auf 460 Grad Celsius aufheizt. Aber auch diese heute komplett lebensfeindliche Welt war nach ihrer Entstehung wahrscheinlich ein lebensfreundlicher Planet. Die Venus ist fast so groß und schwer wie die Erde und wird bei ihrer Entstehung wahrscheinlich auch ähnlich viel Wasser mitbekommen haben wie wir. Computermodelle zeigen, dass die Bedingungen vor 4,5 Milliarden Jahren dort durchaus nicht unangenehm waren.
Die Venus liegt näher an der Sonne als die Erde, was prinzipiell problematisch ist. Ein paar Faktoren haben aber vielleicht dafür gesorgt, dass sich unser Nachbar trotz der geringeren Distanz zur Sonne nicht zu stark aufgeheizt haben könnte. Die Venus dreht sich heute sehr langsam um ihre Achse. Für eine komplette Drehung benötigt sie 117 Erdtage. Bei uns auf der Erde ist ein Punkt auf der Oberfläche maximal ein paar Stunden dem Sonnenlicht ausgesetzt. Sieht man mal von den Polarnächten in Arktis und Antarktis ab, kommt früher oder später immer die Nacht. Auf der Venus mit ihrer langsamen Drehung kann ein Bereich der Oberfläche aber wochenlang im hellen und warmen Sonnenlicht liegen. Das sollte eigentlich zu einer noch stärkeren Aufheizung führen. Was auch der Fall ist; wenn dann aber ausreichend viel Wasser vorhanden ist, kann das verdampfen und eine dicke Wolkendecken produzieren. Und die schirmt den Planeten dann vor dem Sonnenlicht ab und führt zu einer Abkühlung. Ein weiterer Faktor auf der Venus könnte die Geografie sein. Die Daten die wir heute über die Venus haben, legen nahe, dass es dort früher viel mehr Landfläche gab als auf der Erde, die ja zum größten Teil mit Wasser bedeckt ist. Mehr Land und weniger Ozean bedeutet weniger Wasser, das verdampfen kann und damit auch weniger stark als Treibhausgas in der Atmosphäre wirken kann.
Packt man all das in ein Computermodell zur Simulation der Bedingungen auf der jungen Venus, zeigt sich ein Planet, auf dem es ähnlich lebensfreundlich war wie auf der Erde. Nicht zu heiß, nicht zu kalt und mit flüssigem Wasser auf der Oberfläche. Aber so wie beim Mars hat auch die Venus diesen Zustand nicht lange durchgehalten. Für ein stabiles Klima braucht es ein halbwegs stabiles Gleichgewicht zwischen Quellen und Senken für Treibhausgase. Die Venus hat jede Menge Quellen, aber vernünftige Senken konnte man nicht identifizieren. Dort fehlt zum Beispiel die Plattentektonik die wir hier auf der Erde haben, und die immer wieder im Gestein gebundenes Kohlendioxid tief in die Erdkruste hinab transportiert und für lange Zeit dort hält. Mehr als 700 Millionen Jahre hat die Venus – zumindest im Computermodell – ihre lebensfreundlichen Bedingungen nicht halten können. Danach hat die starke Sonnenstrahlung zu viel Wasser als Wasserdampf in die Atmosphäre befördert; danach hat sich zu viel CO2 dort angesammelt; dann ging es so richtig los mit dem Treibhauseffekt. Eine extrem starke Feedback-Schleife ist entstanden: Der Treibhauseffekt hat die Temperatur erhöht, was noch mehr Treibhausgase in die Atmosphäre befördert hat, wodurch es noch heißer wurde, und so weiter. Am Ende ist die Venus das geworden, was sie heute ist: Eine lebensfeindliche Hitzehölle mit keinem Tropfen Wasser auf ihrer Oberfläche.
Bleibt noch der Titan. In Folge 157 habe ich ihn den “faszinierendsten Mond des Sonnensystems” genannt. Was er meiner Meinung auch ist. Der Saturnmond hat einen Durchmesser von 5150 Kilometer, womit er größer als der Merkur ist. Er ist weit von der Sonne entfernt, und man würde davon ausgehen, dass es dort ziemlich kalt ist. Ist es auch: Die Durchschnittstemperatur an seiner Oberfläche liegt bei -180 Grad Celsius. Trotzdem ist er keine Eiswüste, wie die anderen Monde im äußeren Sonnensystem. Der Titan hat eine Atmosphäre, und was für eine! Der “Luftdruck” dort ist um 50 Prozent höher als auf der Erde; nur dass es natürlich keine Luft ist, die den Mond umgibt. Sie besteht vor allem aus Stickstoff, mit geringen Anteilen von Methan und Argon. Insgesamt ist die Masse der Gase in Titans Atmosphäre aber größer als die der Erde! Und darunter passieren auch jede Menge spannende Sachen. Flüssiges Wasser gibt es nicht, dafür aber flüssiges Methan. Es bildet Flüsse und Seen, es regnet aus Wolken auf den Mond herab. So etwas findet man auf keinem anderen Himmelskörper des Sonnensystems. Was man darüber hinaus auch nur auf dem Titan findet, ist ein “Anti-Treibhauseffekt”.
Bleiben wir aber zuerst beim normalen Treibhauseffekt. Eigentlich sollte es auf dem Titan circa -191 Grad Celsius kalt sein. Stickstoff, Methan und Wasserstoffmoleküle in seiner Atmosphäre sorgen aber für einen natürlichen Treibhauseffekt, der die Oberfläche um 21 Grad aufheizen würde. Wasserstoff und Stickstoff wären eigentlich gar keine Treibhausgase. Aber – so wie vorhin beim Mars – es kommt auf die Bedingungen an. In der extrem dichten Atmosphäre des Titan können die Moleküle öfter kollidieren, höherenergetische Zustände einnehmen und so als Treibhausgas wirken. -191 Grad plus ein Treibhauseffekt von 21 Grad: Macht -170 Grad Celsius. So warm ist der Titan aber nicht, was am Anti-Treibhauseffekt liegt. Der funktioniert – wenig überraschend – wie der Treibhauseffekt, nur umgekehrt. Der normale Treibhauseffekt lässt kurzwellige Sonnenstrahlung passieren, die langwellige aber nicht. Am Titan gibt es aber extrem hochliegende Nebelschichten. Sie bestehen vermutlich aus komplexeren Molekülen die aus Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff zusammengesetzt sind. In den äußeren Schichten der Titanatmosphäre können sie sich bilden, weil dort das energiereiche Sonnenlicht die Methanmoleküle in einzelne Kohlenstoff- und Wasserstoffatome aufspalten kann. Das geht nur dort draußen an der Grenze zum All; weiter nach unten kann dieser energiereiche Teil der Sonnenstrahlung durch die dichter werdende Atmosphäre nicht gelangen. Dort oben aber können sich die einzelnen Atome nun zu neuen Molekülen verbinden und die wirken als Anti-Treibhausgase. Sie reflektieren einen Teil des normalen Sonnenlichts, der nun nicht mehr zur Titanoberfläche gelangt und nichts zu ihrer Erwärmung beitragen kann. Gleichzeitig lassen sie langwellige Wärmestrahlung passieren und erleichtern so seine Abkühlung. Insgesamt für das zu einer Abkühlung von 9 Grad, was den natürlichen Treibhauseffekt von 21 Grad auf 12 Grad reduziert. Deswegen ist der Titan nur knapp 10 Grad wärmer als er es sein sollte und nicht knapp 20 Grad.
In diesem Ausmaß existiert der Anti-Treibhauseffekt nur auf dem Titan. Auf der Erde gibt es zwar Schwefelverbindungen, die durch Vulkane hoch hinaus in die Atmosphäre geschleudert werden können und dort ähnlich wie auf dem Saturnmond eine Abkühlung verursachen. Der Effekt ist aber sehr viel geringer als auf dem Titan. Der seltsame Saturnmond ist eine komplett fremde Welt – aber eine, von der wir trotzdem etwas über die Erde lernen können. Um die Klimakrise die auf unserem Planeten stattfindet, besser zu verstehen, müssen wir auch genau wissen, wie sich die Treibhausgase verhalten. Dazu gehört nicht nur das Kohlendioxid, sondern auch das Methan. Das hat einen komplizierteren Aufbau als CO2 und ist deswegen schwieriger im Labor zu untersuchen. In der dichten, starken Atmosphäre des Titan gibt es aber wirklich viel Methan und dort kann man es quasi in einem natürlich Labor studieren. Und wir haben dort ja auch schon eine Raumsonde hingeschickt – 2005 ist die Huygens-Sonde durch die Atmosphäre des Titan geflogen und auf seiner Oberfläche gelandet. Mit den Daten die dabei gesammelt wurden, konnte man besser verstehen, wie Methan auf unterschiedliche Teile der Sonnenstrahlung reagiert. Und damit auch bessere Modelle erstellen, um die Klimakrise auf der Erde zu erforschen.
Der Treibhauseffekt ist wichtig. Venus, Erde und Mars sind zur gleichen Zeit entstanden und waren sich nach ihrer Entstehung sehr ähnlich. Vermutlich gab es damals auf allen drei Himmelskörpern flüssiges Wasser und lebensfreundliche Bedingungen. Heute ist nur noch die Erde übrig; der Mars ist eine Eiswüste und die Venus eine Hitzehölle. Mit verantwortlich dafür ist der Treibhauseffekt. Er hat unsere Nachbarn lebensfeindlich gemacht; dem irdischen Leben dagegen dauerhaft das Überleben ermöglicht. Das zeigt nur um so deutlicher, dass wir alles daran setzen müssen, diesen Zustand durch den menschengemachten Treibhauseffekt nicht zu zerstören.
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