Es hat ein wenig gedauert. 1996 haben die Weltraumagenturen der USA, von Europa und von Kanada beschlossen, ein neues Weltraumteleskop zu bauen. Es sollte 2007 ins All fliegen aber der Start hat sich ein kleines bisschen verzögert. Bis zum 25. Dezember 2021, aber dann hat der Flug ins All perfekt geklappt. Auch die diversen Vorbereitungen der technischen Instrumente, alle Tests, Checks, Überprüfungen, und so weiter sind ohne Probleme verlaufen. Heute, am 12. Juli 2022, sind die ersten “echten” Bilder des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) veröffentlicht worden. Sie sind – erwartungsgemäß – höchst beeindruckend und zeigen, was in den nächsten Jahren von diesem Teleskop zu erwarten ist. Wer sie gleich sehen will kann auf die Homepage der ESA schauen, hier ein weig nach unten scrollen – oder einfach ein wenig abwarten und zuerst noch lesen, was auf den Bildern zu sehen ist und warum man sie gemacht hat.
Die Bilder
Fünf Bilder sind es, die NASA, ESA und CSA heute vorgestellt haben. Sie zeigen vier höchst unterschiedliche astronomische Objekte die so eine Art “Best of” des kommenden wissenschaftlichen Programms darstellen und die zentralen Aufgaben des Teleskops illustrieren sollen. Das JWST hat folgendes beobachtet:
- Den Galaxienhaufen SMACS 0723
- Den Carinanebel
- Den Südlichen Ringnebel
- Die Galaxiengruppe “Stephans Quintett”
- Den extrasolaren Planeten WASP-96b
SMACS 0723 ist ein Galaxienhaufen am südlichen Himmel. Das Licht braucht von dort bis zu uns circa 4,3 Milliarden Jahre und diese Ansammlung von Galaxien war auch schon das Ziel diverser anderer Beobachtungskampagnen, unter anderem des Hubble-Weltraumteleskops.
Der Carinanebel ist ein sogenannter “Emissionsnebel” beziehungsweise eine “HII-Region”. Oder etwas einfacher gesagt: Eine ungefähr 200-300 Lichtjahre große Gaswolke, die vor allem aus Wasserstoff besteht. Der wird von der Strahlung der umliegenden Sterne zum Leuchten angeregt, weswegen solche Nebel auch immer recht hübsch aussehen. Das Ding ist circa 6500 bis 10.000 Lichtjahre weit weg.
Der Südliche Ringnebel ist 2000 Lichtjahre weit weg und das, was von einemStern übrig geblieben ist, als der am Ende seines Lebens bei einer Supernova-Explosion seine diversen Gasschichten ins All hinaus geblasen hat. Das, was noch übrig ist, ist ein kleiner weißer Zwerg, also ein sehr dichtes Objekt, das so groß wie die Erde ist, aber immer noch circa so viel Masse hat wie unsere Sonne. Und dann ist da sogar noch ein zweiter Stern gleich daneben, der sein Leben aber noch nicht beendet hat
Stephans Quintett ist eine Gruppe von fünf Galaxien, die man im Sternbild Pegasus am nördlichen Himmel beobachten kann. Die fünf Galaxien sind circa 300 Millionen Lichtjahre weit weg und gehören zusammen. Soll heißen: Sie beeinflussen sich gegenseitig durch ihre Gravitationskraft.
WASP-96b ist ein Planet, der einen 1120 Lichtjahre entfernten Stern umkreist. Der Stern ist der Sonne sehr ähnlich; der Planet ist ein Gasriese mit knapp der halben Masse des Jupiters. Er befindet sich extrem nahe an seinem Stern; sehr viel näher als die Erde an der Sonne.
Warum gerade diese Objekte?
Warum hat man sich gerade diese fünf Objekte ausgesucht, um die wissenschaftliche Phase des JWST einzuleiten? Weil sie sehr gut die Aufgaben illustrieren, die das JWST erledigen soll!
1) Das dunkle Zeitalter des Universums
Dazu gehört die Erforschung des sogenannten “dunklen Zeitalters” des Universums. Der Urknall fand vor 13,8 Milliarden Jahren statt und damals gab es zwar jede Menge Materie und Energie, aber noch keine Sterne, Galaxien oder andere astronomische Objekte. Die entstanden erst ein paar 100 Millionen Jahre später und bis es – vor circa 13,5 Milliarden Jahre – soweit war, war das Universum dunkel. Deswegen ist es schwer, etwas darüber herauszufinden. Wir haben bis jetzt auch noch nie einen Stern der allerersten Generation beobachten können. Aber JWST sollte ausreichend gut genug beobachten können, um hier endlich – wortwörtlich – Licht ins Dunkel zu bringen. Der Galaxienhaufen SMACS 0723 ist ein gutes Ziel für diese Art der Forschung. Die Masse der vielen Galaxien dort krümmt den Raum (so wie Masse immer den Raum krümmt), und Licht folgt auf seinem Weg durchs All der Raumkrümmung. Unter den richtigen Umständen können die Galaxien wie eine optische Linse wirken und das Licht so ablenken, dass es verstärkt wird. Oder anders gesagt: Wir können das Licht von Objekten sehen, die sehr viel weiter entfernt sind als SMACS 0723. Das nennt man “Gravitationslinseneffekt” und der hat uns schon oft geholfen, wirklich weit entfernte Objekte zu identifizieren.
So sieht das dann aus:
Die sehr hellen Dinger mit den “Strahlen” sind Sterne. Alles andere auf dieser Aufnahme sind Galaxien. Insbesondere die ganzen komischen Bögen: Das sind die Bilder von Galaxien, die sehr viel weiter als SMACS 0723 entfernt sind und deren Licht durch den Gravitationslinseneffekt verbogen (und verstärkt) wird. Ihr Licht stammt aus einer tieferen Vergangenheit als bisher beobachtet werden konnte. Die Aufnahme ist voller Details – viel mehr Details als man hier bisher gesehen hat – aber schon die erste Analyse hat zum Beispiel gezeigt, dass diese sehr frühen Galaxien sehr viel unregelmäßiger geformt sind als die, die wir im heutigen Universum sehen.
Das JWST kann aber nicht nur Bilder machen sondern ist vor allem dazu da, Spektren aufzunehmen. Also das Licht in seine unterschiedlichen Farben aufzuspalten, was unter anderem dabei hilft, die chemische Zusammensetzung der Galaxien zu verstehen. So kann man zum Beispiel Mehrfachbilder identifizieren: Das Licht einiger ferner Galaxien wird durch SMACS 0723 mal hier hin und mal dorthin abgelenkt, so dass man am Ende zwei oder sogar mehr verzerrte Bilder sieht. Dank der hohen Auflösung des JWST kann man auch solche fernen Galaxien im Detail untersuchen. Eine davon, deren Licht 13,1 Milliarden Jahre bis zu uns gebraucht hat, hat man auch gleich entsprechend auf ihre chemische Zusammensetzung analysiert.
Das galaktische Wimmelbild ist vor allem einmal höchst beeindruckend. Es ist nur ein winziger Ausschnitt des gesamten Himmels – man könnte SMACS 0723 mit einem auf Armeslänge vor die Augen gehaltenen Sandkorn verdecken – und doch so voll mit Informationen. An diesem Bild wird die Astronomie Jahre oder Jahrzehnte zu arbeiten haben und es ist nur ein Bild von sehr, sehr vielen, die JWST noch machen wird. Das Teleskop zeigt uns jetzt schon einen tieferen Blick in die Vergangenheit als es bisher möglich war. Man kann davon ausgehen, dass wir die ersten Sterne des Universums bald zu sehen kriegen werden.
2) Die Atmosphäre der extrasolaren Planeten
Kurz bevor man den Bau des JWST beschlossen hat, im Jahr 1995, wurde der erste Planet entdeckt, der einen anderen Stern als unsere Sonne umkreist. Mittlerweile kennen wir mehr als 5000 und wissen, dass Planeten häufiger sind als Sterne. Was wir noch nicht wissen: Wie die Bedingungen auf diesen Planeten sind. Wir können zwar feststellen, WO Planeten sind und auf welchen Bahnen sie sich bewegen. Wir können ihre Größe und ihre Masse bestimmen und daraus ableiten, wie sie zusammengesetzt sind und welche Temperaturen dort herrschen (könnten). Wenn wir es aber genau wissen wollen, dann müssen das Licht, das von diesen Planeten reflektiert wird, direkt analysieren. Das ging mit den bisherigen Teleskopen kaum und nur in extremen Ausnahmefällen. JWST wird es aber können und weil es das Licht (siehe oben) in seine Bestandteile zerlegen kann, wird es auch genau feststellen können, wie die Atmosphären dieser Planeten zusammengesetzt sind. Um das zu demonstrieren hat man sich den Planeten WASP-96b ausgesucht. Der ist weit davon entfernt eine “zweite Erde” zu sein. Dafür ist er zu groß, zu heiß und zu nah am Stern. Es ist ein Gasriese, wie Jupiter oder Saturn. Aber er eignet sich gut für eine Analyse der Atmosphäre und der Demonstration der Fähigkeiten des JWST.
So sieht das Spektrum aus, dass von der Atmosphäre von WASP-96b aufgenommen wurde:
Man sieht auf der x-Achse die Wellenlänge des Lichts und auf der y-Achse die Menge, die bei der jeweiligen Wellenlänge zu uns gekommen ist. Die Anwesenheit bestimmter chemischer Moleküle und Atome beeinflusst diese Menge und es ist nur eine erste Analyse, aber man erkennt auf jeden Fall schon mal ein paar interessant Details. Zum Beispiel die Anwesenheit von Wasserdampf in der Atmosphäre des Planeten. Man kann aus dem Spektrum auch berechnen, dass die Atmosphäre eine Temperatur von circa 725 Grad Celsius haben muss. Auch hier hat JWST einen neuen Rekord gesetzt; so detailliert hat man Spektren von Planeten noch nie gesehen. Und auch hier gilt: Das ist nur der Anfang! JWST wird sich nicht nur Gasriesen wie WASP-96b ansehen, sondern auch Planeten, die der Erde ähnlicher sein könnten. Und egal ob wir mit JWST eine “zweite Erde” finden oder nicht: Wir werden die Planeten auf jeden Fall besser verstehen.
3) Leben und Sterben der Sterne
Wir wollen aber nicht nur wissen, wie die allerersten Sterne entstanden sind. Sondern ganz allgemein besser verstehen, wie sich Sterne bilden und wie sie ihr Leben wieder beenden. Das kann man im Südlichen Ringnebel gut beobachten. So hat das Hubble-Weltraumteleskop den Nebel im Jahr 1998 beobachtet:
Und das sind die neuen Bilder des JWST:
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Aufnahmen hier nicht viel besser geworden sind, Aber da muss man berücksichtigen, dass Hubble im “optischen” Bereich beobachtet hat, also dem Bereich des Lichts, den wir auch mit unseren Augen sehen können. Das tut das JWST aber nicht; das ist ein reines Infrarot-Teleskop. Es beobachtet also längere Wellenlängen als Hubble und das schaut natürlich anders aus. Und liefert andere Informationen! Abgesehen davon, dass man im Infrarotbereich den Staub gut sehen kann, der den Stern umgibt und sehr viel detaillierter sehen kann als früher, hat man jetzt auch ein paar mehr Informationen über die beiden Sterne in der Mitte des Nebels als früher.
Ein Stern schleudert am Ende seines Lebens jede Menge Gas und Staub hinaus ins All. Genau das ist das Material, das den Südlichen Ringnebel ausmacht. Bis am Ende ein ringförmiger Nebel aus Gas und Staub übrig bleibt und ein toter Sternenrest – der weiße Zwerg – in der Mitte. In diesem Fall – und das hat man auf diesem Bild das erste Mal gesehen – ist der weiße Zwerg aber immer noch von einer Hülle aus Staub umgeben. Das sollte eigentlich nicht sein und warum dieser Stern nicht alles Zeug aus seiner Atmosphäre hinaus ins All geschleudert hat, wird noch zu klären sein.
Schon die erste Aufnahme des JWST wirft also neue Fragen zum Ende eines Sternenlebens auf. Und bei der Geburt von Sternen ist es nicht anders. Die kann man im Carinanebel beobachten: Das ist eine von vielen Sternentstehungsregionen in der Milchstraße; eine große Wolke aus Wasserstoffgas und Staub. Gerade hier lohnt es sich, ein Infrarot-Teleskop wie das JWST zu haben, das in der Lage ist, quasi durch den Staub hindurch zu schauen. Das langwelligere Infrarotlicht kann durch den Staub durch; das “normale” Licht eher nicht. Das JWST kann sogar unterschiedliche Arten von Infrarotlicht beobachten und deswegen besonders gut die Struktur des Staubs als auch das, was dahinter ist, beobachten. So sieht der Carinanebel mit den Augen des JWST aus:
Das erste Bild zeigt einen Ausschnitt des Nebels bei dem alle von JWST beobachtbaren Infrarotwellenlängen kombiniert sind; im zweiten Bild sehen wir nur den langwelligeren Anteil der Infrarotstrahlung. Wir blicken auf die “Kante” einer Sternentstehungsregion und das, was wie ein Gebirge aussieht, ist der Rand einer großen Ausbuchtung im Gas, die durch die heiße Strahlung junger Sterne in ihrem Inneren entstanden ist. Man sieht auf diesem Bild jede Menge junge Sterne, die vorher nicht beobachtet werden konnten und jede Menge bisher unbekannte Strukturen im Gas. All das sagt uns, wie die Sterne entstehen und was sie dabei tun. Man erkennt (in Gold) die Ströme aus Gas die Sterne in der Entstehungsphase hinaus ins All pusten; wir sehen die Gasströme aus dem Nebel selbst, die durch die heiße Strahlung der jungen Sterne in die Galaxie hinaus gelangen. JWST hat einen Blick auf die sehr frühe Phase im Sternenleben geworfen die nur ein paar 10.000 Jahre dauert. Und die wir jetzt besser sehen können als jemals zuvor.
Entstehung und Verhalten schwarzer Löcher
Die Erforschung schwarzer Löcher wird gerade spannender als zuvor. Erst kürzlich wurde das zweite Bild eines schwarzen Lochs veröffentlicht. Und natürlich interessiert sich auch das JWST für diese obskuren Objekte. Wir wollen sie ja nicht nur fotografieren, sondern vor allem verstehen, wie sie funktionieren. Wie entstehen die großen schwarzen Löcher in den Zentren von Galaxien? Welchen Einfluss haben sie auf die Entwicklung der Galaxien in denen sie sich befinden? Und so weiter: Die fünf Galaxien von Stephans Quintett sind da ein gutes Forschungsobjekt. Auch sie haben schwarze Löcher in ihren Zentren und deswegen hat JWST da mal hingeschaut:
Das schaut natürlich schon mal großartig aus. Diese Galaxien (genauer gesagt: vier davon, eine steht nur zufällig im Vordergund) sind gerade dabei, sich gegenseitig zu beeinflussen; zu verschmelzen, und so weiter und das sind alles Vorgänge, die wir gerne noch sehr viel genauer verstehen wollen. Immerhin sind es genau diese Prozesse, die die großräumige Struktur des Kosmos bestimmen (übrigens: im Hintergrund dieser Aufnahme sieht man noch ein paar tausend andere Galaxien…). Mit den Instrumenten von JWST konnte man aber auch das Zentrum einer der Galaxien genau analysieren; also genau die Region, in der sich ein schwarzes Loch befindet. Und weil in dieser wilden Galaxienkonstellation alles ein wenig durchgewirbelt wird, gibt es im Zentrum der Galaxie auch jede Menge Gas, das in das schwarze Loch fällt. Dabei leuchtet es hell und dieses Licht konnte das JWST analysieren, so wie bei der Atmosphäre von WASP-96b, und deswegen wissen wir jetzt auch, wie das Gas zusammengesetzt ist, dass da ins Loch fällt:
Man hat außerdem gemessen, wie schnell sich das Gas bewegt: Sehr flott, mit bis zu 200 Kilometer pro Sekunde.
Was noch kommt
Man könnte allein über diese fünf Bilder eine ganze Serie an Artikeln schreiben; ein ganzes Buch vermutlich. Die Forscher:innen werden vermutlich dutzende Fachartikel schreiben und das JWST wird nicht aufhören, neue Bilder zu machen. Also, irgendwann schon – aber mindestens 5 und vielleicht sogar 20 Jahren kann es in Betrieb bleiben. Schon diese ersten Bilder haben gezeigt, dass das JWST in der Lage ist, uns das Universum auf eine Weise zu zeigen, die bisher nicht möglich war. Wir haben Dinge gesehen, die wir vorher nicht sehen konnten. Und wir werden Dinge sehen, von denen wir bisher nichtmal wussten, das wir sie sehen können. Wenn das JWST in ein paar Jahren oder Jahrzehnten seinen Dienst einstellen wird, werden wir das Universum ganz anders sehen und verstehen als heute. Das JWST wird unser Wissen über den Kosmos revolutionieren. Und wir können live dabei zusehen!
Und wer noch ein bisschen mehr dazu wissen will, kann diese beiden Folgen des Podcasts “Das Universum” anhören:
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